NSCs durch Gastspieler einführen

Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Einführung und Charakterisierung von NSCs durch Gastspieler gemacht. In meiner aktuellen Dresden-Files-Runde sind so die „wahre Liebe“ eines der PCs, ein Lehrmeister und Intrigant des weißen Rates und demnächst die Mutter einer der PCs eingeführt worden.

Zu den großen Vorteilen dieses Verfahrens gehört, dass die NSCs oft schon gemeinsam mit dem Gastspieler gebaut werden, auch wenn es um die Mechanik geht. Das bedeutet schon mehr „Auswahl“ an Ideen, als ich sie alleine hätte haben können. Da Dresden Files mit dem FATE-System gespielt wird, kann ich als SL den frisch erzeugten NSC auch mit Aspekten ausstatten, die das gewünschte Verhalten „erzwingen“ – also zumindest Charakterzüge vorgeben, die oft bedient werden müssen, weil das freikaufen nur selten von meinen Spielern genutzt wird/werden kann. Der NSC tut also das, wofür ich ihn in das Spiel einführen will, etwa „intrigant sein“ oder „tragische Liebe“ – angetrieben durch die „Compels“. Durch das Spiel der NSCs in den Sitzungen, in denen der Gastspieler dann auch anwesend ist, werden die NSCs noch mal viel plastischer. (Übrigens ist das Gastspiel auch ein toller Recruiting-Pool). Ich bekomme also NSCs, die ich so nicht selber erfinden könnte, für den Preis einer nur geringfügigen „Verwässerung“ ihrer Kerneigenschaften.

Die Nachteile sollen nicht verschwiegen werden. Der Aufwand für die Rekrutierung ist recht hoch, und Gastspieler, die sich den kompletten Storybogen merken können/wollen sind selten. Es eignet sich also nicht jede NSC-Rolle für das Gastspielen, aber mir hat es jedesmal sehr gefallen. Die Diaries sind übrigens im Tanelorn zu finden.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Karnevals der Rollenspielblogs „Charaktere, Figuren und Charakterentwicklung [April 2012]„, der von Bjørn Jagnow organsiert wird.

[RSP-Karneval] Abenteuer vorbereiten

Mein (gerade noch rechtzeitiger) Beitrag zum Rollenspiel-Karneval Spielvorbereitung im März 2012 dreht sich um neue und spannende Wege, Abenteuer zu erzeugen. Dazu gab es hier schon mal einen Beitrag von mir zu Dresden Files, und Jörg und ich haben unsere Gespräche bei Katerspaziergang intensiv aufgearbeitet: Samstags, Antwort von Jörg und dann noch mal ganz anders.

Heute will ich auf das (ziemlich geniale) System von Technoir eingehen. Noir, so findet der Autor, zeichnet sich dadurch aus, dass die Helden nicht aus der Ferne handlen. Sie gehen ran an den anderen und fragen. Oft holen sie sich eine blutige Nase, aber irgend etwas bekommen sie dabei heraus.

Der SL bekommt über eine sog. Transmission (ein Beispiel kann hier kostenlos bezogen werden) eine Master Tabelle mit Kontaktpersonen, Ereignissen, Fraktionen, Orten, Objekten und Bedrohungen in Form eine 6×6 Tabelle (auf der dann mit 2d6 gewürfelt werden kann). Die PCs der Spieler werden schon bei ihrer Erschaffung mit der Tabelle verbunden, drei weitere Verknüpfungen vom SL zufällig mit drei Würfen auf der Tabelle bestimmt.

Master Table (Ausschnitt)

0

1

2

1 Connections

Adrienne Chao

January Jade

2 Events

Anti-Nano March

The Big Blizzard

3 Factions

Archangels of S. Paul

Cybertronic Sys.

4 Locations

Daedalus Arcology

Light Rail Terminal

5 Objects

The Bag

Cyberbody

6 Threats

Angry Citizens

Bleeding Razors

Zu den wichtigen NSCs gibt es jetzt wieder eine Tabelle mit je 6 Einträgen in den Spalten „Verbunden“ und „Unverbunden“.

Als SL verknüpfe ich jetzt die drei zufällig ausgewählten Startpunkte auf meinem Papier. Dabei mache ich mir schon Gedanken, wie die Verknüfung aussehen soll (Was hat January Jade mit dem Marsch gegen Nanotechnik zu tun?).

Die von den Spielern gewählten Kontakte male ich daneben, unverknüpft. Wenn ein Spieler einen der Kontakte anspielt, verbinde ich den Kontakt mit einem der andern Punkte (also z.B. January Jade) und verrate das dem Spieler auch – unabhängig davon, wie die Szene sonst ausgeht, den Zusammenhang erfährt er, auch wenn die Details gelogen sein mögen.

So entwickelt sich die C-Map/R-Map im Spiel, wobei der SL ständig die neu entstehenden Verbindungen mit einem Sinn verknüpfen muss, angetrieben durch die Spieler. Das ist ein großartiges System, um das Abenteuer „geführt“ zu entwickeln, während die Spieler schon an der Lösung arbeiten. Sobald die Verknüpfungen stark genug sind, um einen (untechnisch gesprochen) Plot zu ergeben, kann der Spielstil gewechselt werden – hin zu klassischerem Spiel, bei dem PCs nicht mehr ihre Kontakte befragen, sondern auch andere Ermittlungsmethoden und Lösungsansätze verfolgen können.

In Technoir ist das Konzept noch mal ganz großartig erkärt – ein Spiel, dass sich sehr lohnt zu lesen.

Diskussion

Wenn böse Charaktere lieb zueinander sind

Von CeCe gibt es einen neuen Gastbeitrag, der von meinem Beitrag über böse Gruppen angeregt wurde. Er gehört zum Dezember RSP-Blogs Karneval – kommt aber leider erst im Januar online, weil ich am Jahresende offline war. Das bitte ich zu entschuldigen. Von CeCe stammt schon der Beitrag „Es gibt da ‘ne coole Sache im…
— Karsten

Karsten hat hier kürzlich über Möglichkeiten philosophiert, inwieweit eine Gruppe böser Charaktere zur Zusammenarbeit fähig ist bzw. wie man das als Spielleiter herbeiführen kann. Er hat dabei bedauert, dass er selbst Zeuge des Scheiterns eines entsprechenden Versuchs wurde. Ich habe also doppelt Glück: Ich habe erlebt dass (und als SL: wie) es klappt – und ich darf hier (erneut) als Gast davon berichten.

Eigentlich geht es sogar um zwei Runden, die aber dem gleichen Konzept folgen: Eine Gruppe Drow in (besser: unter) den Vergessenen Reichen, Lolth-gläubig und (fast) komplett chaotisch böse nach dem D&D Konzept (v3.5). Letztlich hat es sehr gut funktioniert. Und wenngleich ich (wie ich später ausführen werde) einige der von Karsten angesprochenen Mechanismen genutzt habe, einen Zusammenhalt herbeizuführen, hätte(n) diese Runde(n) auch ohne ein gemeinsames Ziel „funktioniert“; sich zumindest nicht sofort umgebracht. Es ist nämlich eben nicht so, dass sich böse Charaktere gleich umbringen, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Natürlich kann man einem verletzten Mitstreiter angesichts der Beute im Dungeon „den Rest geben“ und den eigenen Anteil an der Beute zu erhöhen. Das wäre auch durchaus „böse“.

Vor allem aber „dumm“. Gerade die Drow (und die gelten mir an dieser Stelle exemplarisch für „zivilisierte“, aber durch und durch böse Kulturen) sind chaotisch böse – nicht chaotisch dumm. Ein Mitstreiter, der sich einmal als nützlich erwiesen hat, wird auch weiter nützlich sein. Der kurzfristige Gewinn von ein paar Goldstücken oder die Genugtuung einer Beleidigung muss den langfristigen Nutzen eines eingespielten Teams aufwiegen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Dritte möglicherweise noch Pläne mit dem Opfer hatten und man sich weitergehenden Ärger einhandelt. Ein Mord, selbst wenn ihn keiner zur Kenntnis genommen hat, kann im Nachhinnein anstrengender sein, als sich vor den Dolchen desjenigen noch ein wenig länger zu schützen. Gerade Elfen leben für gewöhnlich ein paar Jährchen länger…

Und wie genau…?

Das „Geheimnis“ hinter einer funktionierenden bösen Runde, in der sich das Gekabbel der Charaktere untereinander gut im nicht-tödlichen Bereich halten kann (mal ehrlich: einem Konkurrenten eine Demütigung zuzufügen kann einen bösen Charakter doch oft mehr befriedigen, als ein Mord – und letzteren kann man in der Regel nicht wiederholen ;D ), liegt darin, die Gruppe (→ Charaktere) gut aufeinander abzustimmen.

Besser als jeder Zwang von außen, da ist ein Gruppenkonzept nicht anders als ein Plot, ist die Motivation der Charaktere. Wenn sie also in der Kooperation einen Vorteil für sich sehen, werden sie durchaus Loyalität zeigen können. Eine ebenso einfache, wie (auch andernorts) effektive Möglichkeit dafür ist, Konkurrenz untereinander zu begrenzen. Hat die Gruppe nur einen Magier und nur einen Druiden, werden beide von der Gruppe geschützt; ihr Überleben und damit ihre Fähigkeiten stehen im Interesse eines jeden Gruppenmitglieds. Hat man dagegen zwei Kämpfer mit ähnlicher Ausprägung (bswp. zwei Beidhandkämpfer oder zwei Schwert/Schild-Kämpfer), werden sie auf kurz oder lang aneinander geraten – und von der Gruppe nicht gestoppt werden: Die Kämpfer im Beispiel werden durch Eliminierung des jeweils Anderen versuchen, ihren eigenen Wert für die Gruppe (und damit ihre längerfristigen Überlebenschancen) zu steigern; die Gruppe muss bei einer (ggf. sogar amüsanten) Auseinandersetzung zwischen zwei Redundanzen nicht zwangsläufig intervenieren, da es reicht, wenn einer überlebt.

Den Rest erledigt die Umgebung: In der oben genannten Drow-Runde arbeiten die Spieler alle für ein einzelnes Adelshaus am unteren Ende der Nahrungskette in der Stadt. Allein die Tatsache, dass „das Gruppenmitglied“ ansich eine begrenzte Ressource darstellt, sorgt dafür, dass man sich gegenseitig nicht angeht und zusammen arbeitet (und dem gemeinsamen Auftrag, wenn er denn gerade besteht, auch nachgeht). Die mächtigen Feinde, die das Haus hat und auch die, die die Charaktere innerhalb der Struktur haben (so drohen einige Charaktere gerade in den sich anbahnenden Konflikt zwischen der Waffenmeisterin und dem designierten Nachfolger zu geraten) oder im Begriff sind, sich zu machen, tragen ebenfalls zu einem Klima bei, das die Zweckgemeinschaft fördert.

Fazit

Des Pudels Kern ist die Erkenntnis, dass „Moral“ nichts weiter ist, als ein Interessensfaktor eines Charakters. Existiert er nicht, fallen Plots weg, die durch diesen Interessensfaktor mit den Spielern verbunden würden; aber auch die Bindungen der Charaktere können nicht darauf basieren. Stattdessen müssen andere Interessen gewählt werden, die den Charakteren gemein sind. „Überleben“ und „Erfolg“ sind zwei Konzepte, die eigentlich jeden bösen Charakter ansprechen – wenn es nicht fast die einzigen „Motive“ seiner Handlungen sind (Drow neigen dazu…). Baut man eine Gruppe darauf auf, stehen die Chancen gut, dass sie funktioniert.

Unerlässlich ist aber eine Gruppe vernünftiger und nachdenkender Spieler, die wissen, worauf sie sich einlassen und kein Problem mit Konflikten Spieler gegen Spieler haben. Denn die sind selbst in guten Gruppen vorprogrammiert und werden bei einer bösen Runde sicher nicht fehlen…

Diskussion

Böse Gruppen – Moral im Rollenspiel

Karneval!Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Karnevals der Rollenspielblogs.

Ich habe die Vorstellung, wirklich böse Charaktere zu spielen, immer sehr interessant gefunden. Aber bisher sind die wenigen Versuche, so etwas auf die Beine zu stellen, immer gescheitert. Schon weil böse Charaktere natürlich nicht selektiv böse sind – also nur zu den anderen. Sondern sie sind immer böse, auch zu ihren Mitspielern. Und dann fehlt es natürlich schnell an einer Motivation, überhaupt als Gruppe zusammenzubleiben und gar zusammen zu arbeiten. Einfach nur ein paar böse Gestalten in eine Gruppe zu stecken und sie vor einen Dungeon zu stellen ist jedenfalls gescheitert – schon weil keiner vorgehen wollte und keiner ein Risiko zu Gunsten eines anderen eingehen wollte. Wirklich (chaotisch) böse ist es eben, wenn die Chars sich gegenseitig ermorden, um an die Stiefel des anderen zu kommen.

Es muss also eine Motivation für die Zusammenarbeit her. Recht erfolgreich war es bei uns, als ein Spielleiter uns sowohl gute als auch böse Charaktere gab, die im Wechsel gespielt wurden. Die bösen Chars waren Orks, die von einem bösen Magier unterjocht auf eine Plündertour geschickt wurden. Die Drohung mit dem bösen Magier und der Zusammenhalt im Stamm führte dazu, dass die Chars spielbar blieben. Leider bin ich damals weggezogen und habe nicht miterlebt, wie die Kampage weiterging. In meiner Phase waren die Orks nicht besonders böse. Sie waren Opfer.

Ansätze, die mir einfallen sind:

  • Chars gehören zu einem Stamm/Dorf/Land/Familie etc.
  • Gemeinsame Aufgabe
  • Geas
  • Regelmechaniken (wie etwa das bekannte Lawful Evil aus D&D)
  • Absprache auf der Metaebene

Fällt euch noch was ein?