Anker

Logo_RSPKarneval_500pxDies ist der zweite Beitrag in diesem Blog zum aktuellen Karneval der Rollenspielblogs, der diesen Monat unter der Überschrift „Was sind eure Tipps zum (Rollen)spielen?“ steht und von der Zeitzeugin angeführt wird.

Den ersten Beitrag hat die legendäre Lena Falkenhagen verfasst, die sicherlich von sich behaupten kann, eine der bekanntesten deutschen Rollenspielerinnen und -autorinnen zu sein – ein Coup, auf den ich ein bisschen Stolz bin, weil er ganz unerwarteten Glanz in diese Männer-WG hier zwischen Jörg.D und mir bringt.

Ich dachte eigentlich auch, damit wäre alles gesagt, und ich hätte mir die Arbeit erspart, mir selber was auszudenken. Dann stolperte ich aber über eine Idee, zu der ich gerne etwas schreiben möchte:

Anker

Anchor von Broken Piggy Bank bei Flickr

Anchor von Broken Piggy Bank bei Flickr

Anker sind vor allem erstmal ein Hilfsmittel, um einen Charakter interessanter zu gestalten, ihn auf einer Ebene mitzuerzählen, die einem Spieler in vielen Systemen sonst nicht offensteht. Praktisch ist ein Anker ist ein Gegenstand, eine Person oder sogar eine Örtlichkeit mit einer Verbindung zu einem Konzept deines Charakters (bei Fate wäre es z.B. ein Aspekt, bei D&D das, was dich von allen anderen Paladinen unterscheidet) .

Okay, das ist noch etwas wirr, oder? Gucken wir uns mal ein Beispiel an:

Mein Diebescharakter hat den Aspekt „Immer auf der Suche nach fetter Beute„. Ein Anker könnte so aussehen:

  • Eine Münze als Glücksbringer (z.B. eine aus der fettesten Beute, die mein Vater je an Land gezogen hat – eine Aktion, die ich übertreffen muss, um jemals aus dem Schatten meines Vaters treten zu können)
  • Ein ganz konkretes Bankgebäude, das ich gerne ausräumen will oder eine Bankenkette, die überall ihre Finger drin hat
  • Die Gilde der schnellen Finger (oft als Rivalen vorkommend, aber eben auch ein potenzieller Helfer bei den großen Dingern)
  • Jimmy, der beste Schlosser des Imperiums – wenn du ihn kriegen kannst. Ein alter Freund und gelegentlicher Komplize

Man sollte hier eine, höchstens noch eine zweite Option wählen – mehr Anker sind nicht sinnvoll, den selbst wenn man einen Charakter auf die bei Fate üblichen 5 Aspekte runterbricht (und das ist ja schon stark vereinfacht) wären das dann 10 Anker – pro Spieler, das kann sich niemand merken. Weniger ist hier mehr.

Die Idee ist jetzt als Spieler diesen Anker – also z.B. die Münze – zwar regelmäßig anzuspielen (also z.B. immer vor einer schwierigen Aktion auf eine bestimmte Weise zu reiben), aber die Geschichte der Münze nicht gleich herauszuposaunen.

Alleine damit ist schon allerhand gewonnen. Aber noch viel schöner ist es, damit dem SL auch noch ein Werkzeug an die Hand gegeben zu haben, mit dem er dich anspielen kann. Ob das über die NSCs kommt (Jimmy, die Gilde), die impliziten Ziele (größere Beute als mein Vater), Gegnerorganisationen (Die Bank) oder Gegenstände (die Münze ist weg oder bringt plötzlich Pech) – eine weitere Option, mit der die SL ihre Arbeit so machen kann, dass sie passgenau zu meinem Charakter passt – was für mich den Spaß erhöht.

[Fate-Exkurs: Der Anker verlängert also auch gleich den Aspekt: Bittet mich Jimmy um Hilfe, ist das ein Reizen meines Aspektes „Jetzt drehe ich das Ding meines Lebens„. Das ist mächtig und gut…]

Vorteile der Anker:

  1. Bessere „Greifbarkeit“ des Charakters – ich habe einen neuen Weg, um bestimmte Charakterzüge auszuspielen – der Dieb wird auch als Dieb greifbar, wenn er nicht schon wieder den Geldbeutel des Paladins ausräumt, und er ist nicht EIN Dieb, sondern DER Dieb mit [dem Anker]
  2. Die SL erhält Ansatzpunkte, mit denen sie meinen Charakter anspielen kann
  3. Abenteuer werden passgenauer zuschneidbar
  4. Es kann (muss aber nicht, wenn die Gruppe das nicht mag) ein Weg sein, wie die Spieler die Spielwelt (Setting) mitgestalten (durch erfinden von NSCs und Organisationen)

Anker für Fortgeschrittene

  • Spieler können sich Anker teilen. Wenn beide PCs Jimmy kennen, dann ist das auch was tolles – sie können sich gegenseitig anspielen, müssen sich nicht in der Taverne kennenlernen, kurz bevor ein Typ mit Kaputze und Auftrag reinkommt, etc.
  • Ein Spieler könnte den PC eines anderen Spielers als Anker wählen. Interessant, vor allem wenn es nicht gegenseitig ist
  • Wenn ich meinen Anker wechsle, kann ich meinen Charakter ändern, ohne in die Mechanik einzugreifen. Höre ich auf, die Münze zu reiben (weil ich endlich aus dem Schatten meines Vaters getreten bin) und suche mir einen neuen Anker, bin ich ein anderer Mensch – aber vielleicht weiter ein Level 10 Rogue oder DSA-Streuner, der an Phex glaubt und immer mit den gleichen Typen auf Abenteuer auszieht.

Der Beitrag ist eine sehr lose Übersetzung und teilweise Neuformulierung eines Blogposts von Rob Donoghue, von dem ich fand, dass auch die deutschsprachigen Rollenspieler profitieren sollten. Robs Text ist länger und stärker auf Fate zugeschnitten – ich habe also auch noch Dinge weggelassen. Es lohnt sich daher sehr, bei Gelegenheit auch das Original zu studieren…

 

Bisherige Teilnehmer:

[Theorie]: Regelanwendung im Rollenspiel

Vorsicht, trockenes Thema! Ich will versuchen herauszuarbeiten, wann, warum und mit welcher Folge – evtl. auch welcher Designzielsetzung in bestimmten Situationen im Rollenspiel Regeln angewendet werden.

Angeregt ist der Artikel durch den Beitrag von Andreas im rsp-blogs.de Forum.

Ich habe folgende Situationen identifiziert, in denen Regeln zur Anwendung kommen können:

  • Zufallselement für Handlungen mit ungewissem Ausgang: PCs tun schwierige Dinge (ohne aktive Gegenwehr)
  • Auflösung von Konflikten: PCs treten gegen etwas an, was sich wehren kann
  • Optionsbeschränkung: Regeln treffen Festlegungen für die Zukunft der PCs
  • Realitätsbeschreibungen: Regeln definieren die Spielwelt
    • Genre-Unterstützung: Superhelden sterben nicht an einer Blutvergiftung
  • PvP: Konflikte zwischen PCs
  • Erzählrechte: Wer darf was beschreiben, welche Spielweltfakten festlegen
  • Verhaltenssteuerung der Spieler: Die Spieler werden für bestimmtes, erwünschtes Verhalten belohnt
  • Dramaturgie: Vom Bossmonster bis Spannungsbogen

Handlungen mit ungewissem Ausgang

Grundsätzlich wenden wir im Rollenspiel dann Regeln an, wenn der Ausgang einer Handlung unklar ist –

Beispiel: Es bedarf also keiner Regelanwendung, um unter Alltagsumständen eine Treppe hochzusteigen.

Der Umkehrschluss ist hingegen nicht zulässig.

Beispiel: Auf einem dünnen Seil ungesichert über einen Lavastrom zu balancieren, während starker Regen fällt und es stürmt (da muss man wohl eine Versagenschance annehmen) kann zwar zur Anwendung einer Regel führen (gelingt es oder nicht), muss aber nicht zwingend.

Hier gibt es ohne Zweifel Spielleiter, die im Beispiel mit dem Lavastrom über eine Regelanwendung ermitteln würden, ob es gelingt, den Abgrund zu überqueren. Andere (ich z.B.) würden das wohl eher nicht tun.

Wer würfeln lässt, hat vielleicht folgende Gründe: Das Risiko des Todes macht es spannend, zu sehen, ob es gelingt; es ist „realistisch“; es gibt eine Fertigkeit „Balancieren“, die eine feste Schwierigkeit für das Laufen auf einem Seil vorgibt und Modifkatoren für das Wetter vorsieht.

Wer nicht würfeln lässt, der wird keine Antwort auf die Frage haben, was wohl spannendes bei einer gescheiterten Probe herauskommt – denn hier ist nur der Charaktertod als Folge denkbar.

Auflösung von Konflikten

Die Charaktere treten gegen eine aktive Opposition an, die aber vom SL gespielt wird. Das kann das klassische Kampfbeispiel sein, oder auch eine Gerichtsverhandlung.

Gewürfelt wird hier wohl zumeist auch nur, wenn das Ergebnis im Zweifel steht. 5 hochstufige Charaktere gegen 1w4 unbewaffnete Kobolde würfelt wohl kaum jemand aus, ebensowenig im Beispiel von Andreas, wo die unbekleideten Charaktere mit zahllosen Giftschlangen eingesperrt sind.

In den obrigen Beispielen wird zwar nicht gewürfelt, aber dennoch werden die Regeln des Spiels angewendet (oder zumindest vorweggenommen) – wer schon rechnerisch chancenlos ist, braucht keine Auflösung im Detail mehr.

Aber auch völlig offene Konflikte werden nicht notwendig ausgewürfelt oder auch nur regelhaft bespielt – mir ist zumindest eine Spielrunde bekannt, bei der soziale Konflikte (z.B. das Überreden einer Wache) durch „ausspielen“ aufgelöst werden. Die sozialen Spielwerte geben da nur vor, wie sehr sich der Spieler beschränken muss, einen Bonus gewähren sie nicht. Das Ergebnis wird aus der „Performance“ des Spielers von der Spielleiterin frei festgelegt.

Optionsbeschränkung

Im einfachsten Fall meine ich damit:

Beispiel: Die Medusa hat PC1 versteinert. Er kann nicht mehr handeln.

Im weitesten Sinne gemeint sind alle Einschränkungen, die durch die Regeln festgelegt sind:

Beispiel: Schleichen oder Zaubern im Plattenpanzer, Abzüge wegen des Pfeils im Oberschenkel, Ausdauerverlust wegen der schwergewichtigen mitgeführten Ausrüstung

Realitätsbeschreibung

Regeln können versuchen, die Welt abzubilden, aber umgekehrt auch erlauben, sie vorherzusagen.

Beispiel: Die Wettertabelle erzeugt mit 70% Wahrscheinlichkeit einen Sonnentag; Vampire können die Schwelle eines Hauses nicht ohne Einladung überwinden; verbreitete Teleportationsmagie führt dazu, dass Könige in unterirdischen Irrgärten leben statt in Burgen; Raumschiffe fliegen schneller als das Licht.

Für Spieler bedeutet dies auch, dass sie vorhersagen können, wie die Welt auf ihr Verhalten reagiert, also insbesondere ob sie mit ihren Aktionen Erfolg haben werden.

Evtl. kann hier auch ein Spielweltgefühl erzeugt werden:

Beispiel: Regeln für Handwerker, das Erzeugen magischer Gegenstände, die Führung eines intergalaktischen Imperiums

Genre-Unterstützung (als Unterpunkt der Realitätsbeschreibung)

Beispiele: Sonderregeln für das Blutsaugen durch Vampire; die Kryptonitempfindlichkeit von Superman; das Lösen von Kriminalfällen; Nahkampfwaffen machen mehr Schaden als Sturmgewehre; Lichtschwerter können Laserwaffen abwehren

Regeln können das bespielte Genre unterstützen oder unmöglich machen. Wenn die Regeln vom Musketier eine Probe verlangen, um sich am Kronleuchter unter die Gegner zu schwingen, dann eine weitere Probe, ob er sich beim Landen den Knöchel verstaucht, eine Weitere, ob er den Degen fallen lässt, dann den Gegnern einen Bonus auf den Angriff gewährt, weil der Musketier ja mitten unter sie gesprungen ist – dann verhält sich kein Musketier wie in den Dumas-Romanen. Kriegt er für das Vorgehen hingegen Vorteile oder muss er normale Gegner kaum fürchten, so wird er mit der Bravado von d’Artagnan vorgehen.

Einen Dungeon kann man als taktisches Problem empfinden (lauert hinter jeder Tür im Dungeon ein schneller Tod, so werden die Charaktere mit höchster Vorsicht und größter Paranoia vorgehen) oder als Schauplatz eines Pulpfilms (wie bei Indiana Jones), bei dem die Protagonisten nicht sterben werden – auch hier entscheiden die Regeln über das Spiel.

PvP

Beispiel: „Ich klaue dem Paladin seinen Geldbeutel.“; Die Spieler streiten darüber, wer dem Dämon seinen ganzen Namen verraten muss; Krieger und Barbar duellieren sich um eine Frau.

Player verus Player wird selten von Rollenspielen explizit unterstützt, da in der Regel davon ausgegangen wird, dass die Spieler zusammenarbeiten. Es gibt aber reichlich Ausnahmen, die entweder schon im System angelegt sind (Amber Diceless, Paranoia) oder durch das Genre sehr wahrscheinlich (Game of Thrones, Vampire). Oft wird hier aber einfach auf den Regelsatz für Konflikte mit NSCs verwiesen.

Das die Regeln für Konflikte mit NSCs ungeeignet sind, wird dabei oft übersehen – zwischen PCs sollten binäre Lösungen (PC1 wird von PC2 totgeschlagen; PC2 muss machen, was PC3 sagt, weil die Überreden-Probe gelungen ist; Der Zauberer hat den Barbar unter seine mentale Kontrolle gebracht) vermieden werden, weil sie den Spielspaß für den Spieler des unterlegenen Charakters oft erheblich trüben.

Erzählrechte

Klassisch erzählt der Spieler nicht: Er gibt nur vor, was sein Charakter tun will. Der SL wertet dies aus und beschreibt – ggf. unter Anwendung der Regeln – die Situation. Das haben Spieler schon immer als unbefriedigend empfunden und sich früh das Recht herausgenommen, bei unzweifelhaften Handlungen die Erzählung zu übernehmen.

Bei einigen Rollenspielen haben Spieler zusätzliche Rechte, entweder fix oder an bestimmte Bedingungen geknüpft.

Beispiel: Der Spieler des Musketiers darf jederzeit einen Kronleuchter herbeierzählen, wegen eines hohen Wurfes darf der Spieler eine Schwäche eines Monsters festlegen, für einen Chip darf der Spieler bestimmen, dass über dem Kamin ein Schwert an der Wand hängt, dass er benutzen kann.

Verhaltenssteuerung der Spieler

Die Regeln unterstützen oder bevorzugen ein bestimmtes Verhalten der Spieler (nicht der PCs).

Beispiel: Ein Spieler, dessen Verhalten der Gruppe Spaß bringt, erhält viele Styledice/Fanmail (PDQ); Ein Spieler, der viele coole Details seiner Handlung erzählt, erhält eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit (Wushu); Kooperativ handelnde Spieler haben mehr Erfolg (Fate, D&D3+4);  intensive Befassung mit den Regeln wird mit höheren Erfolgswahrscheinlichkeiten belohnt (D&D3, DSA); außerspielische Aktivitäten werden belohnt (Amber Diceless verspricht Generierungspunkte für Spieltagebücher; Der Blechpirat vergibt Fatepunkte für Leckereien, Diaries & Gastlichkeit)

Auch die Verteilung von gleichmäßigem Spotlight/Screentime (also, dass alle Spieler im von ihnen gewünschten Umfang im Mittelpunkt der Handlung stehen) würde ich unter diese Rubrik fallen lassen.

Beispiel: Die Aufteilung in Klassen bei D&D (Fallen kann NUR der Schurke entschärfen, Heilen NUR der Kleriker)

Dramaturgie

Den meisten Unterhaltungsevents liegt eine bewusste Dramaturgie zugrunde. Besonders ausgeprägt ist dies bei Büchern und Filmen, aber auch besonders erfolgreiche Brettspiele erzeugen eine gelungene Dramaturgie.

Schon der sehr klassische Aufbau eines Abends mit „einfaches Monster“ -> „fieses Monster mit gemeiner Sonderfertigkeit“ -> „einfaches Monster“ -> „Endkampf mit Bossmonster“ -> „Plündern“ ist eine Dramaturgie.

Bei Shadowrun funktioniert die Dramaturgie sehr oft so: „Auftrag“ -> „Planungsphase“ -> „Einkauf“ -> „Missionsbeginn mit Kampf“ -> „Verrat“ -> „Kampf gegen den eigentlichen Gegner“ -> „Belohnung“

Beide Beispiele finden aber keine Unterstützung in den Regeln an sich. Regelbasierte Dramturgie sehe ich aber in den folgenden

Beispiele:

Dresden Files RPG ist so aufgebaut, dass die meisten Charaktere ohne die dringend benötigten Fatepunkte starten. Sie müssen also allerlei Ungemach auf sich nehmen, um an diese Punkte zu gelangen. Haben sie diese Punkte endlich, können sie sich in dem finalen Kampf austoben, wo diese Punkte ihnen den Sieg möglich machen können.

Leverage zerstört bewusst die Missionsstruktur von Shadowrun (trotz ähnlichem Aufbaus), in dem es die Planungsphase zerstückelt und unmittelbar einfügt, nachdem die Spieler bei der Ausführung des Plans auf ein Problem stoßen, für das sie hätten vorplanen können.

[gibt es hier noch weitere Beispiele?]

Ungeklärtes

Es gibt auch Regelmechanismen, die die Kreativität fördern sollen. Dazu gehören sicherlich Idee!, aber auch die „Konfliktlösung durch Auslegen von Karten“ wie bei Engel oder Jörgs Dramatik. Auch Zufallstabellen würde ich dazu zählen (was machen 1w6 Orks hier an der Handelsstraße mitten in einer zivilisierten Gegend? Haben die sich verlaufen oder sind die Vorhut einer Armee?). Hier bin ich mir nicht sicher, ob es sich um einen Unterpunkt der Dramatik handelt (für die Spieler ist der SL schwerer vorherzusehen, wenn er auf zufällige äußere Reize reagiert, als wenn er aus sich heraus handelt) oder ob ein eigener Punkt nötig ist.

Fazit

Ich glaube, dass dieser Beitrag bisher bestenfalls geeignet ist, meine Gedanken zu sortieren. Die Kategorien sind noch alles andere als vernünftig gewählt und ein Ludologe lacht mich vermutlich aus. Ich hoffe, dass es zu diesem Artikel eine Diskussion geben wird, die zu einem verbesserten Text führen kann.

Ich freue mich daher sehr über Kommentare, vorzugsweise im Forum von rsp-blogs.de

Tipps zum besseren Spielen

Tipps zum besseren Spielen.

Ein Gastbeitrag von Lena Falkenhagen zum Karneval der Rollenspielblogs (Organisationsthread)

Logo_RSPKarneval_500pxDer Karneval des Rollenspiels feiert diesen Monat nicht die Spielleiter, sondern die Spieler. Gut so! Denn nicht nur Spielleiten, auch Spielen ist eine Kunst. Viel von dem Gelingen einer Spielrunde hängt davon ab, was für Spieler am Tisch sitzen, wie „gut“ sie spielen und wie gut sie miteinander spielen.

Klingt komisch? Ist aber so.

Woran haben andere Spieler am Spieltisch Spaß?

Nicht alle Spieler suchen dasselbe, wenn sie sich an einen Tisch setzen. Ob man schon lange miteinander spielt oder zum ersten Mal – ich finde wichtig herauszufinden, worauf die Mitspieler wert legen. Mögen sie Kampfszenen? Oder soziales Geplänkel? Wollen sie ausgiebiges Einkaufen ausspielen, oder haben sie Spaß an Detektivspielen?
Egal, woran die verschiedenen Mitspieler Spaß haben, vielleicht hilft es festzustellen, was es ist, um ein wenig Toleranz zu entwickeln und andere auch mal „machen zu lassen“. Auch wenn sie nicht immer das tun, was man sich selbst von ihnen wünschen würde oder gar das Spieltempo reduzieren – sie haben ebenso ein Recht auf „ihren“ Spielstil wie man selbst.

Lasse den anderen ihr Spotlight!

In die selbe Richtung zielt der nächste Tipp. Wenn ein anderer Charakter eine „Spotlight“-Szene bekommt (also eine Szene, die sich um seinen Hintergrund dreht oder seine besonderen Eigenschaften anspielt), hat man sich gefälligst als Sidekick oder Support-Charakter zu verstehen. Zuschauen und den Film genießen, sage ich immer – oder gerne auch so weit beteiligen, wie es das Drama der Szene befördert. Kontraproduktiv ist es, sich dazwischenzudrängen oder gar zu versuchen, das Spotlight zu stehlen (Spotlight-Grabber) – oder zu erwarten, dass man immer im Vordergrund zu stehen hat.

Spiele die anderen Figuren mit!

Spielt einer der Mitspieler eine Autoritätsfigur? Im DSA wäre ein Beispiel ein Praios- oder Rondrageweihter oder ein Adliger; bei Shadowrun vielleicht ein militärischer Vorgesetzter oder ein altgedienter Runner.
Solche Figuren hängen immens davon ab, dass die anderen Spieler am Tisch die Autoritätsfigur „miterzählen“. Wenn ein Praiosgeweihter nur auf demokratische Söldner trifft, die die Götter und ihre Geweihten ablehnen, kann der Spieler des Priesters noch so virtuos spielen, der Charakter muss zur Witzfigur verkommen. Natürlich muss der Spieler auch ein gewisses Talent oder eine Weisheit in der Darstellung der Autoritätsfigur mit sich bringen; doch ein großer Anteil liegt bei den anderen am Tisch.

Umgekehrt gilt das auch für das Gegenteil. Gibt es einen Bettler am Tisch, oder ein Mitglied einer diskriminierten Minderheit? Spielt jemand bei Deadlands einen Chinesen, kann man davon ausgehen, dass er in der Rolle diskriminiert werden möchte. Das ist in unseren aufgeklärten Zeiten oftmals kontra-intuitiv, gehört jedoch zu der Rolle, die er gewählt hat. Dann sollte man sich ein wenig Mühe geben.

Zögere nicht!

Viele Abende im Rollenspiel leiden unter zögerlichen Spielern. „Wenn wir X machen, dann passiert uns vielleicht Y …“ – „Aber wenn wir Z machen, dann geschieht V!“
Unter dem Strich kann man nicht wissen, was geschieht – man kann nur so reagieren, wie der Charakter es in der Situation tun würde. Natürlich ist das keine Einladung, kopflos durch die Gegend zu laufen und sich keine Gedanken zu machen. Aber Angst um die eigene Figur – oder gar die Furcht, etwas „falsch zu machen“ – sind am Rollenspieltisch fehl am Platz.

Man kann den Tipp sogar noch erweitern: Zögere nicht, dich zu blamieren! Und wenn man sich durch die Handlung tiefer in die Sch… öne Sauce … reitet? Gut so! Dann hat man Grund zur Heiterkeit und die Szene wird immer spannender, immer gefährlicher und der Spielleiter/die Spielleiterin erhält immer mehr Material für einen coolen Abend.

Mir sind die Abende im Rollenspiel am präsentesten, die aus total irrationalen, aber zum Charakter wie die Faust aufs Auge passenden Handlungen entstanden. Großes Kino sozusagen.

Anknüpfpunkte bieten

Auch bei der Charaktergenerierung kann man schon „richtiges Spiel“ anlegen. Nachteile sind immer auch Vorteile. Wer sich einen Feind in die Geschichte einbaut und ein wenig ausschmückt, um wen es sich handelt und warum er die eigene Figur hasst, wird man damit eher vom Spielleiter angespielt, als wenn man gar keine Hintergrundgeschichte entwirft.
Natürlich darf man das auch nicht überfrachten.

Das kann so weit gehen, dass man Kampagnencharaktere baut. Figuren, die von ihrer Hintergrundgeschichte traumatisiert sind, so dass sie sie nur langsam und Stück für Stück enthüllt wird. Charaktere, die zumindest so weit eine Geschichte mitbringen, das diese das Handeln im Abenteuer prägt.

Nicht auf das Abenteuer warten

Der Spielleiter macht sich viel Mühe, ein Abenteuer für die Spieler zu entwerfen. Vielleicht zeichnet er (oder sie) Pläne, denkt sich Rätsel aus oder entwirft ganze Soziogramme, um glaubhafte Intrigen oder Detektivszenarien zu gestalten.
Daher bin ich ihm als Spielerin schuldig, eine Figur zu bauen, die dem dargebotenen Abenteuer aufgeschlossen ist. Hofdamen und Einsame Wölfe mögen auf dem Papier hübsch aussehen, aber wenn sie keinen Grund haben, hinauszuziehen und nachzuforschen (oder sich in eine Gruppe zu integrieren), dann boykottieren sie das Abenteuer, das sich der Spielleiter so mühevoll ausgedacht hat.

Nicht nur Spielen, auch Spielleiten

Zum Schluss noch ein ganz wichtiger Tipp: Spiele nicht nur, sondern leite auch selbst! Viele Dinge (Logikfehler, Rewind-Szenen, die im Nachhinein geändert werden müssen, weil der Spielleiter etwas vergessen hat, allwissende NSC) erklären sich schnell, wenn man mal wieder selbst geleitet hat und weiß, dass der Spielleiter (die Spielleiterin) bisweilen durch kleine Unaufmerksamkeiten einen wichtigen Fehler machen kann, der im Nachhinein korrigiert werden muss. Oder eine Logiklücke fällt ihm beim Planen erst gar nicht auf, sondern erst, wenn die Spieler den Finger darauf legen. Kleine Fehler in der Abenteuerplanung zu tolerieren erhöht den Spielspaß für alle Beteiligten.

Gleichzeitig gilt dieser Tipp auch umgekehrt. Als Spielleiter sollte man auch des öfteren mal Spielen, um zu merken, wie sehr und warum solche Denklücken oder Fehler die Spieler nerven können. Das führt gleich zu sehr viel mehr Toleranz am Spieltisch.