Dungeons & Dragons Einsteigerbox

Ich habe ja völlig überraschend von Wizards of the Coast das D&D Basisset, das boxed Ruleset (auf Deutsch) und ein paar dazugehörige Goodies zugeschickt bekommen. Das sieht dann so aus:

D&D Goodies

Das ist natürlich ziemlich cool gewesen, und eine höchst erfreuliche Überraschung! Und ein bisschen neugierig macht es natürlich auch.

Ich habe anno dunnemals, als D&D 3.5 noch der heiße Scheiß war, mal eine Kampagne bis Level 21 hochgespielt, und davor zu Studienzeiten ebenfalls D&D 3 und dann später 3.5. Zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen, denn zuerst spielten wir D&D sehr… wenig brettspielig, nennen wir es mal so. Was dazu führte, dass bestimmte Dinge in 3.5 wenig Sinn ergaben, etwa die damals verbreiteten Feat-Ketten einen oft zwangen völlig sinnlose Feats zu wählen, die nur dann einen Vorteil gebracht hätten, wenn man mit Figuren und Bodenplänen gespielt hätte.

Später dann, im Rahmen des Adventure-Path, haben wir genau andersherum gespielt. Mit Minis, Bodenplänen, sogar Schablonen für den Zauberer, damit man erkennen konnte, wo genau sein Zauber wirkt, und wo nicht. Das war schon ganz deutlich etwas anderes, denn plötzlich war es wichtig, wie gut der eigenen Charakter optimiert war (meiner war es z.B. definitiv nicht besonders). Dafür ergaben viele der Regeln einen Sinn.

Jetzt bin ich sehr gespannt, wo D&D 5 wohl seinen Schwerpunkt setzt. Die wenig geliebte 4. Ausgabe war ja nun extrem auf spannende Kämpfe mit Bodenplan und Minis ausgelegt – die 5te sollte dagegen eine Rückkehr zu dem ursprünglichen Spielgefühl von D&D sein.

Inhalt

Um einen Einstieg zu finden (und weil meine Online-Runde D&D spielen möchte) habe ich mir zunächst das Basisset angesehen, dass sich an Einsteiger richtet. Vieles gefällt mir gut, insbesondere der reichhaltige Inhalt:

Inhalt des Basissets (VORSICHT – das Einsteigerset ist was anderes!)

Da sind

  • ne Menge Würfel dabei (mehr als ein Satz)
  • Charakterbögen
  • ein Haufen Karten mit Initiativemarkern, NSCs, Zuständen, Ausrüstung und Questen
  • eine Karte der Schwertküste (mit Hexfeldern)
  • ein Regelheft
  • ein Abenteuerband
  • ein Spielleiterschirm und
  • so eine kleine Pappbox, vielleicht für die Karten und Würfel.

Für ca. 20 € ist das sehr, sehr okay. Vorsicht, das ist das Basisset, nicht das (ältere) Einsteigerset. Was in letzterem drin ist, kann ich nicht sagen.

Zunächst habe ich mir Regelheftchen angesehen. Die Dicke ist motivierend – man fühlt sich an die frühen DSA-Hefte erinnert, die irgendwie zugänglicher waren als die heutigen 500-Seitenschinken. Es hat 75 Seiten, das kann man mal weglesen. Unterteilt in

  • Charaktererstellung
  • Spielregeln
  • Ausrüstung
  • Zauber
  • Anhang A: Sidekicks
  • Anhang B: Zustände

Erster Eindruck

Zuerst habe ich mir (aus Interesse an der Charakterklasse die Regeln zum Magier durchgelesen. Da wurde mir schon ziemlich deutlich, dass im Lektorat etwas geschludert worden sein muss. Ich bin jetzt nicht so der Rechtschreib-Oberlehrer (schönen Gruß an Moritz auf der Seifenkiste), trotzdem sind mir mehr Fehler aufgefallen, als ich in einem gut lektorierten Rollenspielbuch erwarte. Ein schöner Patzer auf S. 23, in der Beschreibung des Magiers (das ist der Wizard im Englischen, hieß der schon immer auf dt. Magier? Ich hätte Zauberer erwartet).

Dazu wählst du eine Anzahl von Magierzaubern aus, die deinem Intelligenzmodifikator + deiner Klerikerstufe entspricht […].

D&D Basisset, Regelwerk, S. 23, Klassenmerkmale des Magiers, Hervorhebung von mir.

Das ist keine große Leistung, denn wir adressieren hier ja Einsteiger, die einen (vermutlich) Copy&Paste-Fehler nicht so einfach erkennen können. Auch an anderen Stellen sind mir Tipp-, Bezugs- und Grammatikfehler aufgefallen, die aber immerhin nicht zu einem Fehler in der Anwendung führen. Errata habe ich nicht auf der Homepage von WoC finden können.

Artwork

Das Artwork ist dem Preis angemessen, der Größe der Marke aber nicht. Die Kapielstartseiten haben jeweils eine vollfarbige, halbseitige Grafik, vereinzelt gibt es sonst noch Zeichnungen, die wie mit Bleistift gemalt wirken. Letzteres ist schon fast wieder charmant „retro“, allerdings wirken die Zeichnungen nicht aus einer Hand. Ein Gefühl dafür, wie man sich die Spielwelt vorstellen soll, geben sie nicht. Wenn ein Bild also mehr sagt, als 1000 Worte, dann widersprechen sich die Bilder wortreich – der Eindruck ist mal „relaistische Fantasy“ im Sinne der Herr der Ringe-Verfilmung, mal märchenhaft, mal mit Mangatouch, mal kindlich. Alles Fantasy, klar, aber wie man sich die Schwertküste nun vorstellen soll, ist mir nicht klar geworden.

Die Regeln

Bisher, bei der bloßen Lektüre der Regeln zum Zwecke des Charakterbaus: Toll. Das Wählen aus Optionen, das Durchspielen von Synergien der Kombination aus Volk, Charakterklasse und Hintergrund macht Spaß, und wenn man die Beschränkungen des Basissets hinter sich lässt, ist es auch abendfüllend :)

Der Vor- und Nachteilsmechanismus, (nämlich zwei Würfel zu werfen und entweder den besseren oder den schlechteren zu wählen) ersetzt die fisseligen Modifikatoren der 3.5 höchst elegant. Das finde ich toll. Bewanderte Spieler beteuern, dass man – anders als bei 3.5 – auch kaum aus Unkenntnis völlig unfähige Charaktere bauen könne, der Abstand zwischen einem optimierten und nicht-optimierten Build sei zwar erkennbar, aber nicht vergleich dramatisch wie bei 3.5. Das werden wir mal sehen, denn bald muss ich das ganze ja leiten. Hier ist der Eindruck wirklich sehr gut.

Online

Nix. Außer einem Werbeflyer mit stolzen sieben (7!) Links ist das hier ein traditionelles offline-Rollenspiel. D&D Beyond, ein zunächst mal kostenloser Dienst, der den Charakterbau deutlich erleichtert, wird nicht mal erwähnt, findet sich auch nicht unter den sieben Links. Auch die – gerade während einer Pandemie nicht ganz unwichtige – Unterstützung des Onlinespiels, die eigentlich wohl eher eine Stärke dieses Systems ist, wird nicht mal angedeutet. Hätte man bei einem 2021 erschienenen Produkt anders machen können.

Spielleiterschirm

Gut, ich habe seit Menschengedenken keinen SL-Schirm mehr verwendet, aber es ist einer dabei. Pappe, auf der Seite für die Spieler bunt bedruckt mit einer LotR-artigen, pseudorealistischen Zeichnung einer Gruppe, die auf einen Drachen zuwandert. Innen links die Aktionen im Kampf, die Zustände – beides sinnvoll. Rechts Tabellen von Schwierigkeitsgraden über Kosten bis Deckung. Layout gefällt mir, der kleine Gnom, der einem die Form von Kegel über Sphäre bis Zylinder erklärt ist niedlich. Und mit 13 hat man da ja vielleicht sogar noch Fragen, die die Schule noch nicht beantwortet hat.

Fazit

Ich habe das beiliegende Abenteuer noch nicht angesehen, aber das kommt demnächst – ich werde es nämlich für meine Online-Runde leiten. Dazu kommt dann vielleicht noch eine Besprechung des Abenteuers, aber da die hier mitlesen können, werde ich vorher nicht spoilern.

Rezension: Fate Adversary Toolkit

Warum braucht man für Fate (noch) ein Toolkit? Ich muss schon sagen, dass ich mir diese Frage durchaus gestellt habe, während der Fate-Fanboy in mir vollständig automatisch und willenlos auf „Bestellen“ geklickt hat.

Eigentlich ist Fate Core regeltechnisch vollständig. Und dann gibt es ja schon ein Toolkit (von Uhrwerk als Fate Handbuch ins Deutsche übertragen), in dem einem schön aufgeschlüsselt wird, was wohl passiert, wenn man an verschieden Stellschrauben des Systems dreht. Oder sie komplett ausbaut, in Brand setzt und dann falschrum wieder einbaut… mehr kann man doch eigentlich gar nicht brauchen können, oder?

Jetzt geht es also um einen eigenen Werkzeugkasten für Gegner. Und tatsächlich enthält das gesamte Büchlein eigentlich regeltechnisch nichts Neues. Und trotzdem war ich sehr positiv überrascht! Was das Buch leistet, ist eine Kategorisierung von Widerständen, an denen sich die Spieler abarbeiten können. Das sind einerseits die NSC, aber eben auch Hindernisse und Widerstände, die nicht ein NSC sind. Untergliedert in eher passive Widerstände (wie einem Zaun) und aktiven Problemen wie einem Feuer in dem Gebäude, in dem man sich befindet, werden diese Schwierigkeiten mit den klassischen Fate-Mechaniken dargestellt. Nichts Neues, aber noch mal sehr plastisch klar gemacht: Welche Erzählung wird mit welcher Mechanik am besten dargestellt – oder andersherum gedacht: Mit welcher Mechanik erreiche ich welche Erzählung?

Auch die Gegner-NSCs sind in Boss, Hitter, Mooks, etc. aufgeteilt. Wenn einem das vorgestellt wird, erinnert es zunächst an die abgeklärte Art, in der manche Computerspieler über die Inhalte der Computerspiele reden („Wir brauchen noch einen Tank!“), es wird aber schnell deutlich, dass die Autoren damit vor allem Begriffe schaffen wollen, mit denen eine bestimmte Erzählung erreicht werden kann. Wie soll sich die Gefahr anfühlen? Sehr tödlich, aber schnell vorbei? Oder langsam, aber unaufhaltsam? Das erfordert unterschiedliche Gegnertypen, die hier vorgestellt und benannt werden.

Nach dieser eher trockenen Lektüre, die vor allem eine Definitionsleistung ist und Begrifflichkeiten etabliert, kommen die sog. „Spreads“. Das sind immer ein paar Doppelseiten, in denen ein genretypisches Abenteuer vorgestellt wird. Mit Plot, NSCs, Hindernissen und Beschränkungen – wie definiert. Dazu ein paar Hinweise (Oneshot, Kampagne, Optionen).

Diese Spreads sind toll. Aus den in diesem Buch etablierten Begriffen und Werkzeugen wird kunstvoll gewählt, um die Stimmung des Genres zu treffen. Als Leser sieht man, welche Variante gewählt wurde, damit sich ein Hindernis nach Cyberpunk anfühlt – oder nach Pulp. Das die gleiche Mechanik anwendbar sein kann, um statt mit einem cybernetischen Geschützturm einen Eingang zu bewachen, zu verhindern, dass an einem Jane-Austen-Teetisch über einen Skandal geplaudert wird. Überhaupt, der Jane-Austen-Spread (Ziel ist es, ein Pärchen zusammenzubringen) ist fantastisch – es zeigt, dass die gleichen Mechaniken, die bis dahin Fallen, Piranha gefüllte Gräben und Orbitale Laserkanonen abgebildet haben, soziale Restriktionen abbilden können. It is a truth universally acknowledged, dass alleine für den Jane-Austen-Spread das Buch zu kaufen ist. (Ich bin gespannt, wie sie Spread übersetzen; und ich hoffe, Uhrwerk bringt das Buch auf deutsch!)

Ein weiteres, aber längst nicht so stringent verfolgtes Thema sind die Zonen. Zonen sind die Methode, mittels derer Fate räumliche (und manchmal taktische) Tiefe erzeugt. Statt abzumessen, wieviel Zoll eine Figur von der anderen entfernt steht (wie es Tabletops und eher vom Wargaming beeinflusste Spiele tun), Hexfelder zu zählen oder ähnlichen „realistischen“ Vereinfachungen kategorisiert Fate die Szene in Zonen (an der Bar, auf der Tanzfläche, in der Herrentoilette) – wer sich in der gleichen Zone befindet, kann miteinander agieren – oder in den Nahkampf gehen. Fernkampf in die Nachbarzone(n), oder eben Bewegungsaktionen um in die Nachbarzone zu wechseln. Das Toolkit erwähnt sich bewegende Zonen (um eine Verfolgungsjagd abzubilden) und soziale Zonen (für ein Verhör). Hier fehlt aber die Tiefe der Ausführungen, die an anderer Stelle erreicht wurde.

Fazit

Insgesamt überraschend viel besser als erwartet. Man munkelt, das nächste Toolkit betreffe das Genre Horror… da bin ich schon sehr gespannt drauf!




Evil Hat Productions
978-1-61317-139-4

Rezension: Dungeons & Workouts

Ja, in den Dungeon zu gehen ist schon anstrengend. Schwert, Rüstung, 10ft.-Pole und Fackeln reinschleppen, das ganze Gekämpfe, Schatz wieder rausschleppen… zum Glück passiert das nur im Spiel, während man schon mal leckere Chips knuspert, weil der Pizzalieferdienst wieder trödelt.

Clap your hands, if you can…

Bis man dann irgendwann den T.Rex gibt und mit den Stummelärmchen nicht mehr an die Chipstüte kommt, weil der riesige Bauch im Weg ist. Und solange Seifenkisten-Gnillefitz mit seinem ultimativen Nerd-Rezeptbuch „Dann friss halt nicht so viel, du fette Qualle!“ noch nicht auf dem Markt ist, solange kann man ja eigentlich nichts machen, oder?

Doch: RETTUNG IST NAH!

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Rezension: Malmsturm, Die Fundamente (4/X)

Wir sind in Kapitel 6 von Malmsturm, die Fundamente. Die vorhergehenden Kapitel sind in Teil eins, zwei und drei besprochen.

Wir beginnen mit der Frage, wie man Malmsturm leitet. Hier findet man einen kurzen Überblick über die aktuellen Techniken des SLs – Beziehungsgeflecht, Sandbox und Bangs werden vorgestellt, die Technik des „Würfel oder stimme zu“ angeraten. Kurz werden Aspekte als Flags interpretiert. Generell sind die Malmsturmmacher deutlich auf dem Trip des Impro-Leitens – das mache ich auch, also volle Zustimmung hier. Besonders Wertvoll erscheinen mir die Hinweise: „Gute Geschichten handeln von Menschen“ und „sei spontan“. Perfektionismus und Improvisieren schließen sich gegenseitig aus, und es gibt immer noch zu viele Rollenspieler, die denken, dass ein Raum mit Schatztruhe, auf dem 1w6 Orks sitzen, einen interessanten Rollenspielabend ausmachen. Diese Haltung gibt es, und ihr dürft sie gerne haben – aber dann ist Fate wirklich das falsche System für euch.

Insgesamt sehr gelungen, aber natürlich verdammt knapp für jemanden, der das nicht alles zum xten Mal liest. Ich habe den Verdacht, dass das einer dieser Texte ist, die man als Fate-SL-Neuling einmal im Jahr lesen kann und sich dann immer wieder denkt: Oh, da steht das ja schon drin – jetzt sehe ich es endlich! Weil man den fatigen Leitstil jetzt soweit verinnerlicht hat, dass man es endlich versteht.

Kommen wir zu den Kampagnenmodellen, die uns hier vorgeschlagen werden. Das ist erstaunlich knapp – hier würde ich mehr erwarten. Toll finde ich, dass hier nochmal die Rückkopplungs ans Genre stattfindet: Conan wird ja auch nicht seriell erzählt, sondern in Kurzgeschichten. Die sind mal hier, mal dort, mal früher, mal später in der Zeitlinie. Auf dieses Gefühl wird eingegangen. Für mich ist das allerdings etwas, was eine Stärke von Fate ignoriert: Fate ist m.E. durch die Aspekte hervorragend geeignet, eine sich ändernde Spielwelt zu bieten – viel besser als ein zahlenbasiertes System, wo ständige Rechnerei erforderlich ist.

Dann kommen ein paar Karten, und weiter geht es mit „Hinter den Kulissen“.

 

Rezension: Malmsturm, Die Fundamente (3/X)

Dies ist der dritte Teil meiner Rezension von Malmsturm. Es gibt schon zwei weitere Teile: Teil 1, Teil 2

Magie in Malmsturm

Eine der großen Kritiken an der ersten Auflage von Malmsturm war es, dass kein Magiesystem mitgeliefert wurde. Das ist zwar eine Kritik, die ich nicht unbedingt teile, aber das liegt sicherlich auch an der Perspektive. Ich kannte Fate bei der Lektüre der ersten Auflage von Malmsturm schon länger, aber viele Leser erwarben damals mit Malmsturm ihr erstes Fate-Regelwerk. Dann ist der Anspruch an die Leser, sich ein passendes Magiesystem selbst zu entwickeln, natürlich sehr hoch.

Die hier besprochene zweite Auflage von Malmsturm verfügt über ein ausführliches Magiesystem, dass sich an die Ideen und Vorschlägen in Core orientiert und dies stets auch klar kommuniziert – das gefällt mir. Wer Fate Core gelesen hat, kann jederzeit nachvollziehen, wie die Malmsturm-Macher bei ihrem Design vorgegangen sind. Und das ist auch wichtig, weil das Magiesystem letztlich fragmentarisch bleibt: Es gibt zwar Zaubersprüche, aber keine abschließende Liste – jeder kann und darf seine Magie an die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Wie schon im letzten Teil erwartet, wird Magie über Extras gelöst. Es werden zwei Zugänge zur Magie unterschieden:

Die kleinen Traditionen

Um Magie zu wirken ist ein passender Aspekt (der eine der Spielwelttraditionen von Magie aufgreift) nötig. Zudem wird ein Zauberspruch als Stunt abgebildet, wobei immer dabeisteht, welche Stuntregel aus Core verwendet wird, um diese Magie abzubilden. Offen ist für mich nur geblieben, warum gelegentlich ein Bonus von +3 gewährt wird – üblich sind eigentlich +2. Statt eines Zauberspruches kann ein solcher Stunt auch eine Mutation oder ein „magisches“ Gerät sein.

Die großen Traditionen

Ich war zunächst irritiert, weil hier nicht sofort die Schulen vorgestellt werden. Das hätte ich nach der Vorstellung der kleinen Traditionen erwartet. Statt dessen wird erst sehr abstrakt erklärt, wie man zaubert, dann auf das Einsetzen von arkanem Stress zum Boosten des Zaubers, und dann sehr ausführlich auf die Möglichkeit eingegangen, arkanen wieder Stress loszuwerden. Außerdem erfahren wir, dass es mehr Kästchen auf der arkanen Stressleiste gibt, wenn man eine große Tradition wählt. Das ist auch für mich etwas verwirrend aufgebaut und nicht sehr intuitiv. Zudem scheint mir zumindest das unkontrollierte Ablassen von arkanem Stress in die Umwelt etwas zu sein, was auch kleinen Traditionen offensteht – man findet es aber im Kapitel „Große Traditionen“. Hm.

Wenn man den Aufbau hinnimmt, kann man aber inhaltlich nicht meckern. Sehr schön finde ich die stete Verlockung, seine Würfe mit arkanem Stress zu boosten und dann die zahlreichen Möglichkeiten verwenden zu müssen, diesen Stress wieder abzubauen. Und alle Möglichkeiten sind storyorientiert – nichts davon führt nicht gleich wieder zu einem kleinen Abenteuer oder einem interessanten Twist in der Geschichte. Das ist alles großes Kino und gefällt mir gut.

So, jetzt kommen die Galder als erste große Tradition – 10 Seiten nach Beginn des Kapitels geht es jetzt also los. Also, der Aufbau überzeugt mich bisher nicht. Aber man darf nicht vergessen, dass dies der erste Durchlauf ist; evtl. ergibt es ex-post Sinn. Allerdings kommt es mir bisher nicht so vor…

Hexegezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Hexe
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Okay, Galder und Co., die großen Traditionen. Hier reden wir von heavy-duty Magie, und da wird dann auch die Regelengine von Core ausgereizt. Normalerweise empfehle ich ja Neueinsteigern, das „Extras“-Kapitel von Fate Core nicht zu lesen – wer einfach nur Fate spielen will, sollte die Extras weglassen, da sich in diesem Kapitel die geballte Verführungskraft simulationistischer Gedanken verbirgt. Und simulieren wollen wir mit Fate ja nun wirklich nicht, da gibt es geeignetere Systeme. Malmsturm macht diesen Fehler definitiv nicht. Merkte man der ersten Auflage noch an, dass einige Autoren aus der Gurps-Ecke stammen, so haben wir es hier mit strahlend weißem Fate zu tun: So sollen Extras funktionieren!

Die großen Traditionen sind alle ziemlich cool, ihre Magie durch Stunts aber auch eher angezeichnet als durchdesigned. Es ist ganz offenbar gewünscht (und wird durch die stringente Offenlegung des Designprozesses auch „leicht“ möglich gemacht), sich eigene Zauber zu überlegen. Mir wird jetzt auch klar, warum die Arten, arkanen Stress „vor die Klammer zu ziehen“ gewählt wurde. Es gibt mehr große Traditionen als Arten, arkanen Stress zu übertragen. So kann also nach oben verwiesen werden, statt sich bei den Traditionen zu wiederholen. Damit wäre das erklärt, aber erstleserfreundlich ist es nicht.

Die großen Traditionen sind allesamt nützlich, ohne übermäßig mächtig zu sein. Es wird von Feuerball werfenden, fliegenden und unsichtbaren D&D-Magiern Abstand genommen, statt dessen geht es um Dämonen, Geisterbeschwörung, Alchemie und Hexerei. Das gefällt mir sehr gut, weil es für mich bestens zu einem S&S-Setting passt und vor allem dem ikonischen Barbar oder Krieger seine Rolle als Damagedealer nicht streitig macht. Auffällig ist auch, dass Teleportation und andere Reisevermeidungs-Magie nicht vorhanden, sondern sogar ausgeschlossen wird. Es ist okay, schneller zu reisen – aber die Reise ist Teil des Genres und muss daher stattfinden. Ob man sie dann zum Thema des Narrativs macht, bleibt der Gruppe ja freigestellt.

Fazit

Dvargengezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher

Dvargen
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher

Die Magie ist sehr schön ein Ausdruck des am Anfang des Buches erklärten Verständnisses von S&S. Mechanisch solide auf dem Fundament von Fate Core stellen diese Magieregeln kein innovatives Tasten in Richtung Neues, sondern eine höchst solide und sehr gelungene Anwendung von Core auf S&S dar. Ich finde mich hier wieder – komplex genug, aber immer mit dem Blick aus Narrativ. Daumen hoch.

Im nächsten Teil geht es dann um Kapitel 6: Szenario und Kampagne. Da freue ich mich schon drauf, denn ich bin sehr gespannt, wie hier die Besonderheiten von Fate auf die üblichen SL-Hinweise übertragen werden. Und natürlich auch, was dort anders gemacht wird, als ich es mache…

 

Rezension: Malmsturm, Die Fundamente (2/X)

Dies ist die Fortsetzung von dem ersten Teil der Malmsturm-Rezi, die ich parallel zur Lektüre verfasse. Es ist bestimmt sinnvoll, den ersten Teil vor diesem hier gelesen zu haben.

Wesenheit des Waldesgezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Wesenheit des Waldes
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Hier, unerwarteter Weise im Kapitel „Der Charakter“ finden wir Ausführungen zu Konflikten, der Initiative, Stress und Konsequenzen. Abweichend von Fate Core hat sich Malmsturm für eine sehr innovative Version des Initativsystems entschieden, die nach meiner Erinnerung aus Cortex+, dem Marvel RPG, stammt (korrigiert mich in den Kommentaren, wenn ich mich irre – ich kann es gerade nicht überprüfen): Wer gerade dran war, bestimmt denjenigen, der nach ihm dran ist. Aber natürlich darf niemand ein weiteres Mal drankommen, bis nicht alle Beteiligten gehandelt haben. Das hat (im Regelwerk erläutert) den Vorteil, dass sich einerseits sehr natürlich ergibt, wer auf wen folgt und anderseits interessante taktische Gedanken erlaubt (wann will ich die Gegner handeln lassen? Ganz am Ende? Dann sind sie aber vielleicht zwei Mal in Folge dran!). Nicht erwähnt, aber in Cortex+ ein wichtiger Aspekt, sind die möglichen Combos – ich trete ihm in die Kniekehle, du nutzt das dann aus. Das lässt sich hervorragend auf Fate übertragen, weil man mit der Aktion „Vorteil erschaffen“ ebenfalls Kombos einleiten kann.

Ebenfalls anders als in Core ist ein dritter Stresstrack, der arkane Stresstrack. Er ist insoweit besonders, dass er sich nur bei großen Meilensteinen leert, und nicht wie die anderen Stresstracks am Ende der Szene. Man kann aber Stress in Konsequenzen überführen, um so wieder Platz zu schaffen. Es wird aber noch nicht erklärt, wozu wir ihn brauchen. Nur das die Konsequenzen etwas unheimliches wie „Blut schwitzen“ sein dürfte.

Ah. Auf der nächsten Seite, auf bei dieser Beleuchtung kaum lesbaren schwarzen Hintergrund, wird mir dann erklärt, was ich mit dem arkanen Stresstrack machen kann. Ich habe mittlerweile mein Handy in eine Taschenlampe umfunktioniert – der kontrastarme  Text auf schwarzem Grund ist ein echtes Problem. Okay, wozu also arkaner Stress? Man kann damit Würfe boosten! Das ist toll – Probe nicht geschafft? Gib arkanen Stress aus, um das Ergebnis zu verbessern. Das finde ich eine interessante Lösung. Einerseits ist es natürlich extrem plausibel: Wenn ich eine legendäre (+8) Probe verlange, und arkaner Stress macht es möglich, diese Probe zu schaffen – dann wird ein solch extremes Ergebnis gleich mit Magie plausibilisiert. Eine solche Springenprobe muss dann irgendwie im Geschehen durch Magie erklärt werden.

Anderseits werden aber NOCH extremere Ergebnisse möglich; mir ist noch nicht klar, ob das nicht das Spiel ZU pulpig für S&S macht. Es folgt am Ende des Kapitels ein  knappe Zusammenfassung. Das ist eine gute Idee – aber ich hätte sie an einer leichter zu findenden Stelle, etwa am Ende des Buches, erwartet.

Der Malmsturm

Ein Malmsturm über der Waismark?gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Ein Malmsturm über der Waismark?
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Das nächste Kapitel heißt dann „Der Malmsturm“. Dieser namensgebende Teil des Settings ist schon seit der ersten Auflage ein realitätsverzerrender Effekt in der Spielwelt. Dieser wird jetzt sehr fatigig über Aspekte abgebildet, die über einen interessanten Eskalationsmechanismus „sturmig“ gemacht werden. Aus der bloßen Beschreibung ergibt sich für mich noch nicht, wie gut das funktionieren wird – hier bin ich gespannt auf ein Ausprobieren im Spiel. Grundsätzlich bin ich aber ein Freund von Eskalationsmechanismen und deshalb sehr neugierig.

Extras

Reichlich Beispiele für Extras erläutern alles, was man mit Extras so machen kann. Tiergefährten, magische Waffen, Artefakte, Daemonenbegleiter, etc. Wer etwas derartiges mit viel mechanischer Unterstützung in seinem Spiel haben möchte, wird hier gut bedient. Dazu gibt es Hinweise, wann sich ein Extra lohnt, und wann man seinen Tiergefährten einfach über einen Aspekt definiert. Mechanisch erkenne ich aber keine Abweichungen von den Extras in Fate Core, aber dafür eine Menge Beispiele, die zum Setting passen.

Auch die Magie findet sich in diesem Kapitel, was uns erlaubt, schon mal die Methode zu erahnen, die die Autoren für die Malmsturmmagie gewählt haben. Aber dazu kommen wir dann nächstes Mal…

Rezension: Malmsturm, Die Fundamente (1/X)

Ich sitze hier im Rollenspielzimmer des guten Carstens in Hamburg (also nicht meinem Eigenem) mit einem gemütlichen Rollenspielregal zur Rechten, einer gewaltigen Karte von „The Empire“ (ist das aus Warhammer Fantasy?) hinter mir und einem gewaltigen Spieltisch vor mir. Es ist hier nicht besonders hell, aber gemütlich. Und der gute Carsten hat – ganz wie sein Name schon sagt ist er in Abgrenzung zu mir ja der Gute  – tapfer der Versuchung widerstanden, mir das Paket des Uhrwerk-Verlages vorzuenthalten. Und was war im Paket? Das neue „Malmsturm – Die Fundamente“, dass mir freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde.

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Epische Schlachtszene
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Leider hat der gute Carsten – trotz eines sonst gut sortierten Rollenspielregals – kein Exemplar der ersten Ausgabe von Malmsturm, so dass ich das Buch nicht vergleichen kann, etwas was ich jetzt sonst gerne täte. Aber gefühlt ist es noch schöner geworden als die Vorauflage. Sehr, sehr wertig in der Hand, ein toller Buchdeckel, Goldschnitt natürlich, Lesebändchen. Von außen moderner und professioneller wirkend. Öffnet man das Buch, riecht es zunächst nach dem für die Bindung verwendeten Klebstoff, aber nur kurz – und man betrachtet ohnehin gerade eine epische Schlachtszene aus der Feder von Björn Lensig. Offenbar kämpfen gerade von einer barbusigen Ritterin geführte Menschen gegen untote Monster. Damit ist die Stimmung schon mal klar! Sword & Sorcery – my ass. Hier wird dein Lieblingscover von Manowar nachgespielt.

So stellt sich das der Verf. vor.

So stellt sich der Verf. ein zünftiges Cover vor, dass man als Plot für Malmsturm verwenden könnte. Er ist allerdings mit Bruce Springsteen aufgewachsen und hört nichts härteres als AC/DC. Man sollte ihn daher nicht als Experten für ein Heavy Metal inspiriertes Rollenspielsetting betrachten…

Schon beim Inhaltsverzeichnis sind wir dann aber an einem ersten Kritikpunkt angekommen: Malmsturms tolles Aussehen hängt damit zusammen, das wir hier eine in Buchform gegossene künstlerische Vision in den Händen halten. Malmsturm ist nicht nur ein Rollenspiel, sondern auch die verkörperte Vorstellung  davon, wie ein ideales Rollenspielbuch so sein sollte. Deshalb das tolle Papier. Der Goldschnitt. Das Layout. Und deshalb sieht das Inhaltsverzeichnis so toll aus – und ist leider im schlecht beleuchteten Rollenspielzimmer deshalb kaum zu entziffern, weil schwarzer Hintergrund zwar toll aussieht, aber nicht für gute Lesbarkeit. Für die Nutzung am Spieltisch nicht optimal. Es sei denn, ihr seid alle unter 30, esst regelmäßig Rohkost beim Rollenspiel und spielt nur in gut ausgeleuchteten Räumen. Also: Tolles Aussehen können wir schon mal festhalten.

Genug der Form – was steht denn drin?

Nach einer superkurzen Einführung in Fate kommt etwas, was ich beim ersten Versuch noch schmerzlich vermisst habe – eine Darstellung davon, was die Malmsturmer unter Sword & Sorcery (künftig kurz S&S) verstehen. Und das ist gut gelungen, richtig gut. Macht Spaß zu lesen und regt die Phantasie an. Der kleine SL in mir will gleich loslegen. Sehr schön (dazu hörenswert – der Auftritt des Malmsturmteams im Fatecast, wo es ebenfalls und noch ausführlicher um ihr Verständnis von S&S geht).

Im Eis gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Im Eis
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Dann folgt schon Kapitel 3: Der Charakter. Ups, das ging schnell: Liegt am großzügigen Layout, aber auch am dicken Papier. Man kommt schnell voran. Auf Dünndruckpapier und in kleiner Schrift wäre das ganze gefühlt nur ein schmales Reclam-Heftchen.

In diesem Kapitel finden wir die ersten Anpassungen von Fate Core an die S&S-Vision von Malmsturm. Während Fate Core den Charakter in den Mittelpunkt stellt, ist es bei Malmsturm die Gruppe der Fokus. Sie hat ein eigenes Konzept und ein Dilemma. Sehr schön, denn die meisten S&S-Geschichten sind ja um einzelne Charaktere (Conan) oder höchstens mal ein Duo (Fafhrd & der graue Mauser) gestrickt. Um das Spiel auf eine Gruppe zu fokussieren ist also eine regelseitige Justage nötig, die hier clever angegangen wurde.

Aspektschablonen

Die Charaktere werden dann anhand eines Beziehungsgeflechts, das schon die ersten NSCs erzeugt, gebaut – sehr gut, weil man jetzt die Aspekte nicht mehr so formenstreng wie in Core (Phasentrio) nutzen muss. Und hier kommt was ganz feines: Aspektschablonen. Aspektschablonen geben vor, was man mit den Charakteraspekten machen darf: Beziehungen, Artefakte, Motivationen. Eine Schablone könnte also vorsehen: 1x Beziehung, 2x Motivation, 2x Artefakt. Mittels der Wahl der Schablone (für alle Charaktere gleich!) kann der Tisch das Feeling des Spiels ändern: Viel Beziehungen? Das wird wohl Beziehungsdrama. Viele Artefakte: Eher D&D. Malmsturm gibt hier Schablonen für zahllose Spieltypen vor. Das gefällt mir sehr gut – ganz im Gegensatz zu dem Versuch in Ausgabe 1, wo noch vorgeschlagen wurde, Epic durch lange Stressbalken zu erzeugen. Fein! Malmsturm möchte übrigens kein Charakter-Dilemma – S&S-Helden brauchen so etwas nicht; das Dilemma ist eines der Gruppe.

Hexegezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Hexe
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Die Aspektschablonen sind eine so gute Idee, dass ich sie gerne in Fate Core gesehen hätte. Respekt an die Malmsturmer – das ist Rollenspieldesign auf höchstem Niveau.

Weiter im Text: Die Fertigkeiten entsprechen im Wesentlichen Fate Core, heißen aber manchmal etwas anders, zudem ist Überleben als Wildnisfähigkeit hinzugekommen. Unspektakulär, aber eine gute Wahl.

Belohnungssystem

Ebenfalls neu ist das Belohnungssystem. Hier ist man von dem auf mich immer etwas bemüht wirkenden Erfahrungspunktesystem der Vorauflage abgegangen. Statt dessen hat man auf das Vanilla-Meilensteinsystem von Core ein weiteres Element geflanscht, dass das von mir an anderer Stelle angesprochene Problem von Fate mit Schätzen angeht: Jeder erhält fünf Slots, in die er seine Belohnungen „parken“ kann. Dabei ist es egal, ob die Belohnung ein „guter Ruf“, ein „Heiltrank“ oder ein „magisches Schwert“ ist. Jede Belohnung kann einmal wie ein frei nutzbarer Aspekt eingesetzt werden und „verschwindet“ dann. Nicht im Narrativ, aber mechanisch. Das finde ich elegant. 5 Schübe sind zwar viel, aber ein „magisches Schwert“ ist eben auch nicht in jeder Situation hilfreich – das ist eine schöne ausbalancierte Lösung, die mich überzeugt.

Es folgen eine Menge „Archetypen“. Das sind (leider) keine fertigen Charaktere (das ginge wohl auch nicht wirklich), aber eben klassische, mehr oder weniger abenteuertaugliche Positionen in der Welt, die man als Basis für seinen Charakter nehmen kann, wenn man ihn enger mit der Welt von Malmsturm verknüpfen will. Die Entscheidung für diese Archetypen erscheint mir nicht unbedingt als gelungen – sie sind nichts Halbes und nicht Ganzes, aber eben im schlimmsten Fall auch nur verbrauchtes Papier.

Dann geht es – ohne Kapitelumbruch oder sonstigen Trennmarker – auf S. 102 zu den Konflikten über. Aber ich gehe jetzt ins Bett – es wird eine Fortsetzung geben, oder auch zwei, denn das Buch hat knapp 400 Seiten.

Aber so als Zwischenfazit: Gelungen. Ein gereiftes Werk, das nicht mehr vor allem gut aussieht. Ich bin jetzt vor allem gespannt auf das Magiesystem – da ist noch mal eine Sollbruchstelle. Ist das ebenfalls so gut gelungen, dann will Malmsturm gespielt werden.

Mehr Bilder auf faterpg.de

Weiter gehts zu Teil 2 der Malmsturm-Rezension…

Rezi: Geister, Gauner und Halunken

Geister, Gauner und Halunken: Ein Abenteuerband für 1w6 Freunde

Geister, Gauner und Halunken: Ein Abenteuerband für 1w6 Freunde

Wer in den 80ern aufgewachsen ist, ist mit TKKG und den drei Fragezeichen aufgewachsen. Die Älteren unter uns haben die Bücher gelesen, die Jüngeren die Hörspiele auf Cassette gehört – aber wir alle kennen diese Geschichten. Quasi ein Kanon unserer Generation, nicht von Reich-Ranickis Gnaden, aber dennoch verbindlich. Rolf Kalmuczak (unter dem Pseudonym Stefan Wolf) hat uns mit „Ein Fall für TKKG“ geprägt. Und mit uns meine ich dann wohl auch die Autoren sowohl des Grundregelwerkes als auch des Abenteuerbandes… Weiterlesen

Rezension: Das Land Og

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Das Land Og

Unter den Sachen, die ich von der RPC mitgebracht habe, war u.a. das Rollenspiel „Das Land Og“, um das es hier gehen soll.

„Og“ ist ein Klassiker aus dem Jahre 1995, ursprünglich bei Wingnut Games erschienen. Das Alter merkt man dem Regelwerk auch an – für den Zweck ist es eigentlich viel zu kompliziert, denn Og funktioniert eigentlich am besten als sehr simples „Partyspiel“. Der Witz ist nämlich, dass die Charaktere auf sehr sehr wenige Worte beschränkt werden. Es ist ziemlich lustig, einen Charakter zu spielen, der nur das Wort „Dings“ beherrscht. Oder nur „Du“. Selbst wenn man als höchst erfahrener und sehr schlauer Höhlenmensch vier oder gar sechs Wörter kann – es ist immer noch viel Körpereinsatz und nonverbale Kommunikation nötig, um irgend eine Idee zu Weiterlesen

Rezension & Systemvorstellung: Urban Shadows

urban shadowsUrban Shadows ist eine sehr gelungene Anpassung des Rollenspielsystem „Powered by the Apocalypse“ (pbtA) für das Urban Fantasy Genre.

Hier wurde bereits ein pbtA-Spiel vorgestellt: Monsterhearts. Im Gegensatz zu Monsterhearts (das sicherlich auch Urban Fantasy ist), geht es bei Urban Shadows nicht um die Gefühl von Teenagern, sondern um „übernatürliches Drama und politische Intrige“ – also mehr „The Wire“ mit Monstern als „Buffy“ oder Twilight.

Wie funktioniert pbtA?

Die „Engine“ pbtA besteht aus sog. Moves. Der Charakterzettel enthält also keine Fertigkeiten mehr, sondern nur noch Moves. Ein Move wird immer dann aktiviert, wenn ein Spieler eine Situation erzählt, für die ein Move exisitiert. Die Moves werden aber je nach Genre bestimmt: Monsterhearts, Monster of the Week, Urban Shadows sind alles pbtA-Spiele, die Urban Fantasy bespielen – aber völlig unterschiedliche Moves haben. Übereinstimmend haben Sie z.B. keinen Move um eine geschlossene Tür zu knacken. Sowas ist für Urban Fantasy nicht wichtig (es wäre vielleicht für das Genre Dungeon Crawl wichtig, daher hat, IIRC, Dungeon World für den Dieb einen derartigen Move). Die Unterschiede der Urban Fantasy-Spiele lassen sich gut daran erkennen, wie sie mechanisch mit dem Aspekt der Ermittlung umgehen: Monsterhearts kennt keinen Move dazu, Monster of the Week hat einen Move, der (für mich) die Supernatural-Art (gemeint ist die Fernsehserie) des Ermittelns beschreibt: Sam kommt mit offenem Laptop zu Dean und erzählt ihm was er herausgefunden hat – wie das passierte ist unwichtig und passiert off-screen. Urban Shadows bietet etwas mehr Material für Ermittlungen: „Figure someone out“, „Hit the street“, „Put a Face to a Name“, „Investigate a place of power“. Man sieht hier schön die unterschiedlichen Schwerpunkte der Spiele.

Grundsätzlich funktionieren Moves so, dass 2w6 gewürfelt + addiert werden. Dann kommt ein Modifikator (-1 bis 3 üblicherweise) für das passende Attribut darauf und es wird ein Blick in die folgende Tabelle geworfen:

6-: Es misslingt (einige Spiele gegen einen Erfahrungspunkt, US nicht)
7-9, es gelingt, aber … (negative Nebeneffekte)
10+: Es gelingt großartig.

Gute Moves verbinden die negativen Nebeneffekte mit einer Weiterentwicklung der Geschichte: „Du erfährst, was du wissen wolltest, aber das Ziel deiner Ermittlung erfährt davon, dass du gegen es ermittelst“ wäre ein solcher Move, der dem SL sofort eine Idee gibt, wie es weitergehen kann.

Alle pbtA Spiele haben sog. Playbooks, also Charakterzettel, die bereits passende Moves beinhalten und Vorschläge für Namen, Aussehen, Ausrüstung etc zum ankreuzen bieten – das ist auch bei US toll gelöst.

Der SL würfelt bei pbtA nicht, er hat aber durchaus auch Moves. Die Moves (zusammen mit den „Agendas“ und „Prinzipien“ leiten den SL und sind in gewisser Weise zusammengefasste SL-Anleitung. Ein SL-Move von US lautet z.B.: „Warne vor drohender Gefahr“ oder „Bring jemand in Gefahr“. Das ist anfangs für den SL ungewohnt, aber auch toll, weil auch die SL-Moves auf das Genre angepasst werden können. Bei US fällt z.B. der SL-Move „Reveal a deal done in their absence“ auf, der natürlich zum den Ziel der politischen Intrige gut passt. Andere Moves fühlen sich sogar ein bisschen wie schummeln an: „Inflict (or trade) harm“ erlaubt es dem SL, dem Spieler Schaden zuzufügen – ganz ohne Rettungswurf oder andere Elemente einer Chance. Natürlich muss der SL-Move zum Narrativ passen: Schaden wäre dann sinnvoll, wenn ein Monster in der Nähe ist oder sonst etwas gefährliches sich realisiert.

Was unterscheidet Urban Shadows von anderen pbtA-Spielen?

The_Wolf_FINAL-236x450Das sind vor allem die Moves. Auch wenn z.B. ein Werwolf sowohl in Monsterhearts als auch in US gespielt werden kann (und auch MotW kennt eine etwas generischere Klasse, die einen Werwolf gut abbilden kann), so fühlen sie sich doch ganz anders an. Legt Monsterhearts den Werwolf als Ikone des Gewaltaspekts in Liebe und Sex an, geht es in US um Territorium und Rudel, die den Werwolf mächtig machen. Mit den Moves und wählbaren Klassen unterstützt US (besser als Monster of the Week) ein Dresden-Files-artiges Spiel. Es geht um die Stadt, ihren Glitzer, ihre Armut, ihre Korruption. Es geht um Menschen (und Monster) die in dieser Stadt leben, die kämpfen, gewinnen, verlieren, ausgebeutet werden und ausbeuten. Es geht um die Reeperbahn, nicht um Pinneberg, um Kreuzberg, nicht um Grunewald.

Fraktionen

Mechanisch wird das dadurch unterstützt, dass neben den Moves zum Charakter (und den üblichen Basic-Moves, die jedem offenstehen) auch noch sog. Fraction-Moves eingeführt wurden. Das passende Attribut spiegelt das Verhältnis zu einer der Machtfraktionen (Sterbliche, Nächtliche, Mächtige und Wilde) wieder und erlaubt Moves die damit zusammenhängen – etwa jemanden zu kennen oder in der Fraktion Dinge herauszufinden.

Schulden

Ein weiteres wichtiges Element sind die Schulden (debts) – es handelt sich um eine Art Währung, die aber nur gegen über einer Person funktioniert (ähnlich den Strings aus Monsterhearts): „Dafür schuldest du mir was!“ ist der Gedanke. Mit einer solchen Schuld kann man in US viel erreichen, PCs und NSCs manipulieren, etc. Dementsprechend gibt es auch Debt-Moves.

Korruption

Wichtig ist auch noch die sog. Korruption. Unter bestimmten Umständen sammeln die Charaktere „Korruptionspunkte“ an, die sich wie Erfahrungspunkte anfühlen. Für den Vampir ist das z.B. das Blutsaugen bei Opfern, die damit nicht einverstanden sind. Sind genug Korruptionspunkte vorhanden, schaltet sich ein (sehr mächtiger) Korruptionsmove frei. Allerdings: Es stehen nur wenige Moves zur Verfügung, und irgendwann muss man den letzten verbleibenden Korruptionsmove nehmen: Charakter in den Ruhestand mit der ausdrücklichen Erwartung, dass er jetzt als Bösewicht vom SL eingesetzt werden kann.

Intimität

Auch Intimität (ob nun Sex, Heulen mit der Freundin oder männliches Schweigen am Biertresen, der fressende Vampir oder die Drogenreise, also emotional, mental oder körperlich) kann einen Move auslösen, der für jede Charakterklasse unterschiedlich ist.

Fazit

Mir gefällt Urban Shadows bisher sehr sehr gut. Ich denke, ich werde es mal in der Welt von Harry Dresden einsetzen um zu sehen, wie es sich anfühlt… sicherlich anders, weil das politische Element betont wird und der Urban Anteil, den Jim Butcher in den letzten Bänden etwas fallen ließ, sicherlich wichtiger ist.

Wo kann man es kaufen – bisher nur als PDF bei dem einen Laden, der sie alle hat. Aber der Sphärenmeister hat schon angekündigt, demnächst auch die Papierfassung zu haben. Meine ist bereits bestellt.