
Karneval der Rollenspielblogs
Dieser Beitrag zum
Karneval der Rollenspielblogs Juni 2013 zum Thema Dumpstats ist von Blechpirat.
Persönlich bin ich ja kein Freund von Attributen. Ich finde sie sinnlos, und sie führen zu Rechnerei. Aber sie sind ein alter Fluch der Rollenspiele, und sie haben für den Rollenspieldesigner eine klebrige Anziehungskraft: Man kann nämlich hinterher bei den „Regelbrüchen“ (neue Zauber, Feats, Zusatzregeln), die in den später erscheinenden Ergänzungsbänden veröffentlicht werden, an mehr Stellen der Mechanik ansetzen.
Es ist eben nicht so ganz das gleiche, ob ich einen Zauber veröffentliche, der dem Bezauberten ein +1 auf seinen Angriff gibt, oder ob ich ihm 1w4+1 Punkte auf das Stärkeattribut gebe – letzteres muss natürlich immer erst noch ausgewürfelt werden und dann geht die Rechnerei los, um den neuen Angriffsmodifikator zu ermitteln. Kennt das System keine Attribute, muss man zwar weitaus weniger rechnen (YAY!), kann aber auch nur an der Stelle der verbleibenden Fertigkeiten ansetzen, um offiziell sanktionierte Regelbrüche zu verkaufen (wie z.B. neue Zauber, Feats, Meisterschaften, etc.). Komplex ist also gut, wenn ich was verkaufen will – ich kann nämlich mehr Wege verkaufen, das gleiche zu erreichen: Einen besseren Angriff z.B. durch höhere Stärke, Bezauberung der Waffe, Verbesserung des Basisangriffs, höhere Anzahl der Reaktionen, Verbesserung der Initiative (die wieder von Attributen abhängen kann). Je schlanker das System, desto weniger Ansatzpunkte gibt es.
Eigentlich gehören also alle Stats „gedumpt“, weil es zwar für den Verkäufer eines Systems fein sein mag, aber am Spieltisch in Wirklichkeit nur nervt. Dort ziehe ich es vor, wenn es gleich losgehen kann. (Warum sind eigentlich immer die langsamsten Spieler die, die nach einem regellastigen Spiel verlangen?)
Wenn man aber nun den Legacy-Fluch der D&D-inspirierten Rollenspiele am Tisch hat, dann kann ein Dumpstat natürlich auch mal positiv betrachtet werden.
Ich meine damit nicht den Versuch von Oliver, das archaische Bestrafen am Spieltisch wieder einzuführen: Wenn du Spaß an deiner Powerkombo hast (also gerne am Tisch rocken möchtest), hab ich als SL Spaß daran, ständig deine Schwächen anzuspielen (dich also als Verlierer darzustellen). Ich dachte diese „Tradition“ des Rollenspiels wäre längst überwunden…
Bei Spielern, die ihre Stats nach der Art der Altvorderen mit 3w6 in Reihe würfeln müssen, ist die Aussagekraft der Stats natürlich niedrig. Können sie aber zumindest die Würfe selbst auf die Stats verteilen (oder ist gar ein Point-Buy-System am Werk), dann wählt der Spieler seinen Dumpstat bewusst aus. Und er sagt dem SL damit zwei Dinge:
a) lass mich in Ruhe mit allem, was mit „Dumpstat“ zu tun hat. Ein deutliches Flag an den SL, ein anderes Thema zu spielen. Hast du in der Gruppe niemanden, der Punkte auf Charisma getan hat, dann will die Gruppe vermutlich keine langen Gespräche mit NSC, sondern gleich in den Dungeon. Hast du aber Barde, Paladin und Sorcerer in der Gruppe (alles charismabasierte Klassen), dann will die Gruppe ganz offenbar nicht nur im Dungeon rumlaufen.
b) Der Charakter kann nix, was mit Dumpstat zu tun hat. Das sagt fast so viel über ihn aus wie seine tollste Fähigkeit. Er sucht also Lösungswege, die nix mit Dumpstat zu tun haben. Hat er auf die kampforientierten Stats verzichtet, dann will er die Option haben, sich aus einem Kampf herauszureden. Oder zumindest in Konfliktsituationen mit seinen starken Seiten mitmachen.
Der erste Punkt (a) sagt mir als SL, dass ich auf bestimmte Dinge verzichten sollte, an denen der Spieler keinen Spaß hat. Der zweite Punkt (b) sagt mir, dass ich zwar Szenen verwenden darf, in denen es eigentlich auf den Dumpstat ankommt, aber es dann auch zulassen muss, dass alternative Lösungswege gesucht werden, die die Schwäche umgehen. Um noch mal auf Olivers Beispiel zurückzukommen: Als Magier steigere ich bestimmt nicht Stärke, um Klettern zu lernen. Ich lerne den Zauber, der mich fliegen lässt. Es macht meinen Spieler also auch glücklich, wenn er zwar eigentlich eine Tätigkeit vornehmen müsste, in der er Schwach ist, aber er sie durch seine Stärken kompensieren kann.
Insoweit kann ein Dumpstat auch mal nützlich sein.
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