Rezension: Tharun – Die Welt der Schwertmeister

Dies dürfte wohl die erste Rezension eines DSA-Produkts auf diesen Seiten sein ;) – aber auch wenn ich seit Ende der 80er Jahre kein DSA-Spieler (mehr) bin, so lässt Aventurien weder meinen Mitblogger Jörg noch mich so richtig los – auch wenn wir eher selten nach DSA-Regeln spielen wollen. Jörg hat es mit Reign probiert und bei Ralfs D&D4-Aventurienrunde mitgespielt, aber auch tapfer DSA4.1 (als Vertretungs-SL äh -meister) geleitet. Ich habe mir ziemliche umfängliche Gedanken über eine Umsetzung Aventurischer Magie in FATE gemacht (aber die Konvertierung halte ich nach einigem Ausprobieren für nicht sehr gelungen) und mir die Frage gestellt, warum wohl jemand gerne Zuckerbäcker spielt. DSA lässt uns hier nicht los. Wie auch – es ist das deutsche Rollenspiel, mit dem wir alle groß geworden sind.

Jetzt kommt der Uhrwerk Verlag mit dem regelfreien Tharun-Weltenband um die Ecke, und ich konnte SilentPat in einem schwachen Moment ein Rezensionsexemplar abschwatzen. Warum ich hier auf einmal DSA-Material rezensieren will? Weil das Cover rockt. Wenn mir jemals ein Cover ein Rollenspielbuch verheißungsvoll erscheinen ließ, dann dieses! Ein insektenreitender Samurai gegen ein krasses doppelköpfiges, feuerspeiendes, vielarmiges Monster – das muss doch rocken, oder?

Aussehen

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Also jedenfalls erstmal Glückwunsch an Marcus Koch, der die Coverillu gestaltet hat.

Überhaupt können die Illustrationen auch im Buch so richtig was. Mia Steingräber, Björn Lensig und Eva Dünzinger haben da ordentliche Arbeit geleistet. Tatsächlich sind viele der Illustrationen sogar richtig wichtig, um Beschreibungen, die sonst leicht etwas albernen wirken könnten (wie z.B. die Schildkrötenkavallerie) aufzupeppen. Wenn man die Zeichnung gesehen hat, hört man auf zu kichern und denkst sich… eigentlich eine krasse Idee.

Vermutlich von Björn Lensig - die Schildkrötenkavallerie.

Vermutlich von Björn Lensig – die Schildkrötenkavallerie.

Die Buch ist ein solides Hardcover mit Lesebändchen und allem Schnickschnack, innen schwarz/weiß, die beiliegende Karte bunt, aber nicht besonders stabil oder auch nur abwischbar. Auf den Spieltisch möchte man die eher nicht legen müssen, dass hält sie wohl nicht lange aus.

Innen dominiert Text. Viel Text. Echt viel Text.

RIchtig viel Text.

RIchtig viel Text.

Ich habe im Rahmen dieser Rezension auch noch mal einen Blick in die alten Schwertmeisterboxen geworfen und mir angesehen, was Hadmar damals so beschrieben hat. Man, war das wenig. Und pfui, Hadmar, du bist ein Würfeldreher (gewesen)!

Der Text im neuen Tharun baut auf Hadmars Tharun auf – manchmal bis hin zu identischen Textblöcken. Aber während die Schwertmeisterboxen unvollendet sind (es waren noch mindestens zwei Abenteuer für Tharun geplant) und nur eine einzige Insel beschrieben wird, ist der neue Tharunband ein vollständiger Weltenband. Alle Reiche Tharuns, die von Hadmar mit kaum mehr als einem Namen ausgestattet wurden, sind jetzt beschrieben, die Götterwelt aufgedröselt worden und so allerhand hinzuerfunden worden.

Was ist neu?

Und ist es gelungen? Im Großen und Ganzen ja. Zum Teil haben sich die Autoren beträchtliche Freiheiten genommen, die für die Langzeitspielbarkeit durchaus wichtig sind, etwa die Frauenrolle betreffend. Hadmars Originaltharun sollte die Welt für eine Kampagne sein, bei der man die Gesellschaftsordnung und vermutlich auch die Götter Tharuns umstürzt und aventurische Verhältnisse einführt. Deshalb war Hadmars Welt bewusst „unspielbar“, man sollte die Verhältnisse dort ändern wollen: Restriktives Kastensystem, brutale und fiese Götter, völlig unterdrückte Frauen und Bauern. Da muss ein aufrechter Held doch gegen ins Feld ziehen! Umgekehrt stehen oben im tharunischen System die außerordentlich kampfstarken Schwertmeister und gewaltige Runenmagier, dazu gibt es heftige Monster – eben alles, was ein hochstufiger Abenteurer als Herausforderung so braucht, wenn Aventurien keine angemessenen Gefahren mehr bereit hält. Das neue Tharun soll aber eine langfristig bespielbare Welt sein, die nicht notwendigerweise vernichtet werden muss. Also braucht es eine Lockerung dieser „Hindernisse“. Das sind die Autoren sehr moderat angegangen, in dem sie einige der bisher nicht beschriebenen Reiche „liberaler“ gestaltet haben und auch in den Pantheon clevere Abenteuersamen gelegt haben. Letztlich haben sie auch noch einige Änderungen vorgenommen, die dafür sorgen, dass keine Logikbrüche zum heutigen Aventurien vorhanden sind.

Inhalt

Was hab ich also jetzt, nach vollständiger Lektüre dieses Werkes, erfahren?

  • Wie komme ich nach Tharun? Knapp gehalten, voller Abenteuerideen.
  • Blick auf Tharun: Obwohl nur 4 Seiten verwendet werden, ist der Abschitt zu lang für meinen Geschmack, zu viel Fülltext – zudem wird alles später wiederholt. Wenn mich das neugierig machen sollte, hat es nicht geklappt.
  • Geschichte & Mythologie: Gelungene Anpassung, tolle Ideen.
  • Giganten: Eigentlich wirklich wichtig für Tharun, ließ mich aber völlig im Unklaren, wie die Autoren sich die Giganten vorstellen und wie die Spieler mit ihnen interagieren können.
  • Gesellschaft: Stolze 64 Seiten sind zu viel Text. Vor allem da es sich um Generalisierungen handelt, die dann später für die einzelnen Reiche wieder angepasst werden müssen.
  • Götter: noch mal 38 Seiten… hier wurde ich jetzt echt ungeduldig. Für DSA-gewöhnte Leser mag das alles gehen, aber meine Lesegewohnheiten befriedigt das nicht. Außerdem hab ich seit ca. 100 Seiten keine Abenteueridee mehr gesehen, dafür habe ich eine ganze Tüte M&Ms als Stärkung benötigt.
  • Die neun Reiche: 114 Seiten stellen den Schwerpunkt da. Hier bin ich deutlich am zerrissensten, wie ich das finden soll. Einerseits ist wirklich viel Tolles in den Texten enthalten, die unterschiedlichen Reiche machen Spaß zu spielen, Abenteuerideen kommen hier in 3er Reihen im Stechschritt vorbeiparadiert. Trotzdem… ich habs nicht so richtig gerne gelesen. Ein Beispiel:

    Athyaka ist wie Thessara ein einzelnes Eiland, dessen Inselherrscher Jurst Hamos den Rang eines Samakai innehat. […] die Laichgründe einiger der mächtigsten Diener Numinorus gelten und der Schiffsverkehr hier ohne die Azarai des Unergründlichen kaum vonstattengehen könnte. (S. 182)

    Echt jetzt? Die Insel ist also von fiesen Seemonstern umgeben und wird von einem Runenmagier namens Jurst Hamos beherrscht. Eigentlich geil. Aber in diesem Stil schwer zu lesen. Überhaupt wirkt das Buch da etwas gewollt. Manchmal wird als Fluff ein in-game Text in Kursiv vorangestellt, der die Haltung und Wahrnehmung der Tharuner oder Aventurier beschreibt. Das ist nichts neues und auch gut so. Aber warum muss dann der eigentliche Text auch noch so gestelzt wirken? Kann man nicht Seemonster sagen? „Diener Numinorus“ (des Meergottes) ist doch eigentlich in-game Sprachduktus – was hat der hier zu suchen? Auch sonst wird gerne mal von „leblosen Wüsteneien“ gesprochen, um abgeholzte Insel zu beschreiben. Das wurde mit jeder Seite anstrengender zu lesen. Und dieser langatmige, ausschweifende und mit vielen inhaltslosen Füllwortern gefüllte Text macht genau das Gegenteil von dem, was das Setting ausmachen sollte – er lähmt, statt laut, grell und schnell zu sein.

  • Tiefere Mysterien Tharuns: Praktisch ein SL-Teil, aus dem ich nicht spoilern will. Alles was hier steht ist Kampagnengold. Einziger Kritikpunkt sind die Erklärung der „Schatten“, die mysteriösen Assassinen Tharuns, wo die (eigentlich motivierende) Frauenfeindlichkeit des Settings dann doch etwas widerliche Blüten treibt.
  • Appendix N: Es folgt noch eine lange Liste von Büchern, Comics und Filmen, die als Inspirationen herhalten können. So was mag ich.

Spielbarkeit

Das Buch kommt ohne Regeln daher. Das ist einerseits gut, andererseits aber auch etwas sonderbar. Wer Tharun nicht schon kennt, wird in vielen Punkten völlig im Stich gelassen. So werden etwa die Waffenbezeichnungen „Langholz“, „Spälter“, „Schwinge“ aus den Tharunboxen verwendet, ohne diese zu erläutern oder zu bebildern. Wer nicht weiß, dass eine Schwinge eine Art Katana ist, der steht dann doof da. Gleiches gilt natürlich auch für Rüstungen. Auch Monster werden nur benannt. Das kann selbsterklärend sein, wie z.B. ein Riesenskorpion, auf dem man reiten kann, aber was ein Lykhora oder ein Diwen-Rudel ist, kann man sich nicht so einfach herleiten (allerdings hilft bei Problemen mit Flora und Fauna ein Blick ins oft hilfreiche, aber kaum bebilderte Raksharzar-Wiki) – oder eben die alten Schwertmeisterboxen, wo natürlich auch die Waffen und Rüstungen erklärt werden.

Fazit:

Ein krasses, dreckiges Sword&Sorcery-Setting mit kranken Details, extra-fiesen Monstern und Gefahren an allen Ecken und Enden. Voller Sex (wenn man im richtigen Archipel ist), Schätzen, Geheimnissen, Intrigen, Ruhm und plötzlichem Tod. Allerdings hätten dem Text zwei brutale Kürzungsdurchläufe gut getan, und dazu ein sehr viel pointierterer, lauterer und bunterer Schreibstil. Das ganze Setting schreit so laut „Attacke!“, so sehr nach Conan, da kann man nicht mit aventurischer Beschaulichkeit beim Schreibstil kommen. Umgekehrt hätte ich mir beim (meist großartigen) Artwork (quantitativ) mehr gewünscht.

Trotzdem gibt es hier eine uneingeschränkte Kaufempfehlung, denn ihr müsst es ja anders als ich nicht von vorne nach hinten lesen, sondern könnt euch rauspicken, was ihr zum spielen braucht. Und als Ideenquelle kann das so richtig was.

Tharun: Die Welt der Schwertmeister

Stefan Küppers, Arne Gniech
Uhrwerk Verlag, Köln
ISBN: 978-3-942012-55-3
Hardcover, € 40,00