Taschenlampenfallenlasser

Im Moment wird ja wieder viel über den Taschenlampenfallenlasser im Rollenspiel gesprochen, z.B. im Tanelorn oder im Ghoultunnel. Anlass für mich, meine einzige Begegnung mit einem echten – im wörtlichen Sinne (!) – Taschenlampenfallenlasser zu berichten.

Passiert ist es auf einem relativ kleinen Hamburger Horrorcon, der nur auf Einladung der Veranstalter besucht werden kann; eigentlich immer ein Garant für wirklich tolle Rollenspielrunden. In dem Jahr hatte ich aber ziemliches Pech schon bei der Auslosung der Runden und geriet in eine Runde „Monte Cooks World of Darkness“. Das System kannte ich nicht, aber der SL erklärte, es würde auf dem d20-System basieren, dass mir von D&D 3.5 wohl bekannt ist – was soll da schon schiefgehen? Die vom SL vorgefertigten Chars ließen vermuten, dass dieser kein langjähriger d20-Spieler war (die gewählten Feats waren extrem unoptimal gewählt, etwa +2 auf einen Skill den man nicht hat), aber das störte nicht und der SL ließ uns die Chars noch tunen. Die Runde verlief relativ normal, sehr wenig kampflastig für d20, bis wir endlich die Bösewichte, nämlich ein Rudel Werwölfe, in ihrer Höhle gestellt haben.

Da war es schon 4 Uhr morgens, wir hatten um 21 Uhr angefangen – alles schien auf den Endkampf hinauszulaufen. Wir waren nur so mittelgut ausgerüstet, Material, dass man so als amerikanischer Camper dabei hat und wussten nicht, was auf uns zukommen würde.

Der (zu diesem Zeitpunkt noch nicht enttarnte) Taschlampenfallenlasser (kurz TLFL) meinte: „Ich bin nicht so der Kampfcharakter, und hab nur einen Knüppel – ich bleibe hinten und leuchte euch.“ Wir wussten ja nicht was kommt und haben das so hingenommen – klar war nur, dass wir nur diese eine Lampe haben würden. Vielleicht ganz klug, sie nicht mit in die erste Reihe zu nehmen… wir haben jedenfalls noch einen Hinterhaltsplan geschmiedet und sind dann in die Höhle eingedrungen. Ich glaube sogar, aber da bin ich nicht mehr sicher, dass wir im Dunkeln losgegangen sind und die Taschenlampe dann plötzlich angeschaltet werden sollte, um unsere Gegner zu blenden.

Der SL versuchte nun durch eine passende Beschreibung gruselige Stimmung aufzubauen, erzählte von huschenden Schatten, sonderbaren Geräuschen, etc. Der erste Werwolf springt uns aus dem Dunkel an, der SL will gerade den Angriff würfeln:

TLFL: „Oh, gruselig! Ich würfel mal auf Willen, um zu sehen, ob ich Angst habe.“
SL: „Das musst du nicht, dass ist noch kein…“ (Ein d20 rollt im Dunkel)
TLFL: „Oh, ich hab Angst!“ (Kurze Pause) „Ich lasse die Taschenlampe fallen und renne schreiend aus der Höhle!!!“)

Wir übrigen hatten jetzt die Wahl, auch zu fliehen oder dem Gefährten, der sich schon im Nahkampf befand beizustehen – jetzt ohne Chance, unseren Plan zu verwirklichen, und ohne Licht.

Ich weiß nicht mehr so genau, warum das Licht jetzt weg war – entweder fanden wir die ausgeschaltete Taschenlampe im Kampf nicht wieder, oder sie war kaputt. Jedenfalls entschieden wir übrigen PCs uns, den schon angegriffenen Kameraden nicht im Stich zu lassen – und wir gingen alle im Kampf drauf. Passenderweise war der TLFL aber zu diesem Zeitpunkt längst aufgestanden und gegangen – er hatte sich ja selbst aus dem Spiel genommen und sein Ziel, den Abend für uns zu ruinieren, erreicht.

An sich ist ein völliges Auslöschen einer Gruppe (TPK) für mich kein Beinbruch (schon gar nicht in einem so taktischen und kampflastigen System wie d20), und einen vorgefertigen Charakter für einen Oneshot zu verlieren, tut erst recht nicht weh. Dennoch hat der TLFL mir den Abend gründlich versaut.

  • Er hat dem SL in dessen Finale, dem spannenden Endkampf, der gleichzeitig die Auflösung des Rätsels sein sollte, das wir den ganzen Abend untersucht hatten, die Dramaturgie kaputt gemacht, indem er seine Handlung in den Vordergrund gedrängt hat und dem SL mit dem Licht auch jede Chance nahm, seine Monster zu beschreiben.
  • Er hat mir und den anderen Spielern, die alle mit der Erwartung eines taktischen Kampfes (wir spielen hier ja eine Variante von D&D 3.5!) in das Spiel gestartet waren, einen entscheidenden und unnötigen Nachteil gegeben und den Plan der Gruppe, an dessen Aufstellung er sogar maßgeblich beteiligt war, bewusst sabotiert.
  • Er hat mitten im Finale, mitten im Spannungshöhepunkt, die Spannung zerstört, in dem er extrem provokant gehandelt hat, wodurch er sich selbst (als Spieler, nicht PC) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. Die Spieler haben nicht mehr an die gruselige Situation gedacht, sondern in Regeln („Du darfst an der Stelle keinen Will-Save machen“, „Ich will sehen, was du gewürfelt hast, dahinten im Dunkeln“), oder persönlichen Vorwürfen („Feigling“, „Du kannst uns doch nicht das ganze Spiel kaputt machen!“) – Jeder von uns war auf der Meta-Ebene gelandet, die Stimmung im Eimer.

Ich halte das Verhalten des TLFL für bewusste Sabotage und kann daher die Haltung des Ghouls nicht teilen, dass solche Spieler in schlechten Runden „gute Spieler“ seien. Ich sehe zwar die Logik dahinter (wenn nichts spannendes passiert, muss ich die Spannung selbst erzeugen – siehe dazu meinen Beitrag über Charakterplots), aber teilen kann ich die Einschätzung nicht. Dramaturgie des SL bewusst zu sabotieren ist nie gut – auch wenn der SL schlecht darin sein mag – dann soll man doch lieber selber den SL geben. Und wenn dann niemand mitspielen mag, vielleicht noch mal in sich gehen und sich fragen, ob man als Dramaturg wirklich so eine Leuchte ist.

Um noch mal auf die Verteidiger des TLFL einzugehen: Nein, in d20 gibt es keine „freiwilligen Willsaves“, sondern man würfelt auf diesen Wert, um sich gegen (zumeist übernatürliche) Angriffe zu verteidigen. Zudem würfelt man w20+Bonus gegen eine vom SL festgelegte Schwierigkeit – den unser TLFL gar nicht vom SL erhalten hatte. Die Regeln gaben sein Verhalten also nicht her. Und nein, es hat auch die Spannung für uns verbleibende Spieler nicht gesteigert, in den sicheren Tod geschickt zu werden… ganz im Gegenteil. Ich hab den Kampf eigentlich nur noch aus Trotz ausgespielt, weil ich dem TLFL nicht den Triumph gönnen wollte, die Runde total zu sprengen. Verloren hatten wir den Kampf da erkennbar schon.

Fazit: Ein Spieler, der nicht darauf achtet, dass die anderen Spieler am Tisch (auch) Spaß an seinen Handlungen haben (sondern wie hier das Gegenteil erreicht) ist in JEDER DENKBAREN Rollenspielrunde ein schlechter Spieler.

Zur Diskussion

23 Gedanken zu „Taschenlampenfallenlasser

  1. Das ist ja echt ein ungewöhnlich schlimmer Fall. War es Zornhau INKOGNITO, um seine radikalen Thesen zu stützen? War es ein Serientäter, etwa der Ur-Taschenlampenfallenlasser, über den Settembrini und ich berichteten? Oder ist Karstens böser Zwilling aus der Klinik ausgebrochen, hat seine Identität übernommen und verbreitet nun Geschichten, die wahnsinnig machen (deswegen gibt es keine Zeugen – „kleine ominöse Einladungscon“)?

    • Ich kann gerne (1:1) sagen, welcher Con das war – auch wenn ich das Jahr nicht mehr festlegen kann. Aber dieser Con ist eigentlich großartig und hat die schlechte Presse nicht verdient. Deshalb habe ich ihn nicht beim Namen genannt.

  2. Wahnsinn, ja, so wie sich das liest würde ich dahinter auch bewusste Sabotage vermuten – da wär ich auch sickig geworden. So einen Fall hatte ich zum Glück noch nie. Wenn nichts Spannendes passiert, dann kenne ich es schonmal, dass man selber nach interessanten Dingen Ausschau hält, aber sowas?! Zumal es bei euch ja gut zur Sache ging, da ist so eine künstliche Dramatik überhaupt nicht zielführend.

    • Faierweise muss man sagen, dass es nicht die beste Runde meines Lebens war. Aber es war auch keinesfalls erbärmlich. Eher solide Hausmannskost, Geschmacksrichtung: Horror.

    • Genau, dieses „selbst nach interessanten Dingen Ausschau halten“ ist es doch auch, was den aktiven Spieler vom passiven (let-me-be-entertained) Spieler wohltuend abhebt.
      Denn ein solcher ruft sich in Erinnerung, daß er sich in einer großen, virtuellen Welt befindet, in der viele Wege und Möglichkeiten offen stehen – und nicht am Set eines Films, wo jeder auf die nächste Regieanweisung wartet.

  3. Hier nochmal für diejenigen, die zu unkommunikativ sind im RSP-Blogs-Forum mitzuschreiben, meine Sicht dazu:

    Was im Blog-Artikel dargestellt wird, ist ein sehr TYPISCHER Taschenlampenfallenlasser: Ein EGOISTISCHES SCHWEIN, das sich selbst über alle Mitspieler stellt und durch seine SPIELSTÖRUNGEN eine Art „Machtgefühl“ auskostet. Einfach widerlich solche Leute.

    An Taschenlampenfallenlassern ist NICHTS Positives oder auch nur Tolerierbares zu finden.

  4. Ich als besonders unkommunikativer Mensch kann ich Karstens Meinung voll anschließen. Ich denke, aber dass ghoul etwas andere Spieler (primär) meinte. Nämlich solche, die in unspannenden Runden Spannung durch das Fallenlassen zu erzeugen. Was in der hier geschilderten Runde anscheinend eindeutig überflüssig war. Aber solche Egodeppen findet man immer wieder. Das kann man dann auch nicht mehr vernünftig retten, höchstens der SL kann die Auswirkungen minimieren („Die Lampe schaltet sich beim runterfallen ein. Initiative!“ 😉 ).

  5. Sorry, dass ich das so sage aber:

    DER SL IST SCHULD!!

    Ganz im Ernst wenn die Situation keinen Wurf gegen Angst vorsieht oder es mir nicht in den Plan passt, dann wird kein Wurf gemacht.

    BASTA!!

    Ich habe in der alten Villa auf dem NordCon mal als SL einen ähnlichen Spieler gehabt und der hat von mir so einen Einlauf bekommen, dass er noch 3 Jahre später am Nerfgunstand nach einem Blick das Weite gesucht hat.

    Bei mir gibt es so einen SCHEISS nicht und wenn der Spieler meint er soll die Regeln für mich als SL auslegen und dem Rest der Gruppe damit reinreißen, dann gibt nicht nur ein Veto von mir als SL, sondern noch eine echte Föhnfrisur.

    Im Extremfall werfe ich den Spieler aus der Runde und geben den Charakter an einen meiner Bekannten die zugucken oder einen anderen Spieler der dann für 2 würfeln muss.

    Es ist meine AUFGABE als SL so etwas zu verhindern und ich nehme sie wahr. Ich bestimme, wann gewürfelt wird und wenn es das System nicht vorsieht, was beim jeweiligen Wurf passiert, dann bestimme ich auch die Reaktion bei einem verpatzten Angstwurf.

  6. Ich kann da nur Jörg zustimmen: Der SL hat immer ein Vetorecht. In diesem Falle ist das auch keine Bevormundung, das ist genau die Aufgabe des SL, nämlich ein faires und gemeinschaftliches Spielerlebnis zu ermöglichen. Der TLFL hat ja offenkundig mit seinem unzulässigen Willsave nur versucht, seine Entscheidung, den Kampf zu sabotieren, als IT-Zwang und „gutes Charakterspiel“ zu legitimieren.

    Die Frage, die ich mir stelle, ist nur, warum der TLFL eigentlich so handelt, wie er es tut – ist das wirklich nur ein In-Den-Vordergrund-Drängen, oder steckt da mehr dahinter?

  7. Ich stehe da ganz bei Jörg. Wenn der SL so eine Tröte ist dass er nicht in einem solchen Fall die Handlung des Spielers einfach ignorieren kann – selber schuld. Selbst wenn er die Handlung bewusst nicht ignorieren will (Uhuhuuu, bloß nicht die Immersion brechen), hätte er ja einfach die fallen gelassene Taschenlampe heile bleibe lassen können. Das hätte sogar etwas Atmosphäre in den Endkampf gebracht.

  8. Meine Reaktion in dem Fall wäre:
    1.
    Ansage:Du machst keinen Wurf, weil der nicht nötig ist.

    (Spieler ignoriert mich, weil er seinen Charakter zum Nachteil der Gruppe ausleben möchte)

    2.
    Festlegung:
    OK, wenn du ein Arschlochspieler bist und einfach beschließt, dass dein Charakter Angst hat obwohl der SL das nicht vorsieht, dann friert dein Charakter ein und die Hand in der er die Taschenlampe hält zittert so, dass sie immer im richtigen Moment einen der Gegner blendet.

    3.
    Bonus:
    Ihr anderen Spieler bekommt einen +2 Bonus, weil die vor Angst schlotternde Hand des Charakters vom Arschlochspieler hier eure Gegner immer im richtigen Moment blendet.

    4.
    Rauswurf:
    (Zum Arschlochspieler)
    Du darfst jetzt deine Sachen packen und gehen und lass dich bitte nie wieder in einer meiner Runden blicken.

    5.
    Ersatz:
    Möchte einer der Zuschauer einspringen oder kann einer der anderen Spieler den Charakter mitführen?

  9. Wie auch anderswo gesagt, sind TLFL imho nicht viel anderes wie Saboteure – du hast da leider ein Paradebeispiel erlebt.

    Warum jemand sich genötigt sieht, die Runde zu sabotieren kann verschiedene Gründe haben. Das es sich bei so einem Saboteur um einen Arschlochspieler handelt, wie Jörg es treffend nennt, ist aber klar. Egal, ob der Arschlochspieler jetzt durch vorgeschobene Feigheit die Runde sabotiert, absichtlich mit dem Feind kollaboriert oder hinterrücks andere SC’s aus heiterem Himmel ablegt – Arschloch bleibt Arschloch.

      • Der Grund dürfte in so Fällen wohl ziemlich subjektiv sein, tut mir leid. Settembrini hatte ja mal einen ähnlichen Fall in seinem Blog geschildert, wo der Spieler vielleicht „not amused“ war, das seine vermeintliche Regelkenntnis nicht gewürdigt wurde. Dein Fall… war vielleicht nur müde und wollte ins Bett?

  10. Wieso hast Du Ihn nicht einfach abgeschlachtet, wenn er schon alleine wegrennt, ins Dunkle, ohne Lampe, auf heilloser Flucht? Problem gelöst 😉

    • Die passen schon immer auf, dass sie hinten stehen. Und am besten als letzte in der Kampfrunde handeln, damit sie beim Wegrennen auch noch Vorsprung haben…

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