Dies ist der dritte Teil meiner Rezension von Malmsturm. Es gibt schon zwei weitere Teile: Teil 1, Teil 2
Magie in Malmsturm
Eine der großen Kritiken an der ersten Auflage von Malmsturm war es, dass kein Magiesystem mitgeliefert wurde. Das ist zwar eine Kritik, die ich nicht unbedingt teile, aber das liegt sicherlich auch an der Perspektive. Ich kannte Fate bei der Lektüre der ersten Auflage von Malmsturm schon länger, aber viele Leser erwarben damals mit Malmsturm ihr erstes Fate-Regelwerk. Dann ist der Anspruch an die Leser, sich ein passendes Magiesystem selbst zu entwickeln, natürlich sehr hoch.
Die hier besprochene zweite Auflage von Malmsturm verfügt über ein ausführliches Magiesystem, dass sich an die Ideen und Vorschlägen in Core orientiert und dies stets auch klar kommuniziert – das gefällt mir. Wer Fate Core gelesen hat, kann jederzeit nachvollziehen, wie die Malmsturm-Macher bei ihrem Design vorgegangen sind. Und das ist auch wichtig, weil das Magiesystem letztlich fragmentarisch bleibt: Es gibt zwar Zaubersprüche, aber keine abschließende Liste – jeder kann und darf seine Magie an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
Wie schon im letzten Teil erwartet, wird Magie über Extras gelöst. Es werden zwei Zugänge zur Magie unterschieden:
Die kleinen Traditionen
Um Magie zu wirken ist ein passender Aspekt (der eine der Spielwelttraditionen von Magie aufgreift) nötig. Zudem wird ein Zauberspruch als Stunt abgebildet, wobei immer dabeisteht, welche Stuntregel aus Core verwendet wird, um diese Magie abzubilden. Offen ist für mich nur geblieben, warum gelegentlich ein Bonus von +3 gewährt wird – üblich sind eigentlich +2. Statt eines Zauberspruches kann ein solcher Stunt auch eine Mutation oder ein „magisches“ Gerät sein.
Die großen Traditionen
Ich war zunächst irritiert, weil hier nicht sofort die Schulen vorgestellt werden. Das hätte ich nach der Vorstellung der kleinen Traditionen erwartet. Statt dessen wird erst sehr abstrakt erklärt, wie man zaubert, dann auf das Einsetzen von arkanem Stress zum Boosten des Zaubers, und dann sehr ausführlich auf die Möglichkeit eingegangen, arkanen wieder Stress loszuwerden. Außerdem erfahren wir, dass es mehr Kästchen auf der arkanen Stressleiste gibt, wenn man eine große Tradition wählt. Das ist auch für mich etwas verwirrend aufgebaut und nicht sehr intuitiv. Zudem scheint mir zumindest das unkontrollierte Ablassen von arkanem Stress in die Umwelt etwas zu sein, was auch kleinen Traditionen offensteht – man findet es aber im Kapitel „Große Traditionen“. Hm.
Wenn man den Aufbau hinnimmt, kann man aber inhaltlich nicht meckern. Sehr schön finde ich die stete Verlockung, seine Würfe mit arkanem Stress zu boosten und dann die zahlreichen Möglichkeiten verwenden zu müssen, diesen Stress wieder abzubauen. Und alle Möglichkeiten sind storyorientiert – nichts davon führt nicht gleich wieder zu einem kleinen Abenteuer oder einem interessanten Twist in der Geschichte. Das ist alles großes Kino und gefällt mir gut.
So, jetzt kommen die Galder als erste große Tradition – 10 Seiten nach Beginn des Kapitels geht es jetzt also los. Also, der Aufbau überzeugt mich bisher nicht. Aber man darf nicht vergessen, dass dies der erste Durchlauf ist; evtl. ergibt es ex-post Sinn. Allerdings kommt es mir bisher nicht so vor…
Okay, Galder und Co., die großen Traditionen. Hier reden wir von heavy-duty Magie, und da wird dann auch die Regelengine von Core ausgereizt. Normalerweise empfehle ich ja Neueinsteigern, das „Extras“-Kapitel von Fate Core nicht zu lesen – wer einfach nur Fate spielen will, sollte die Extras weglassen, da sich in diesem Kapitel die geballte Verführungskraft simulationistischer Gedanken verbirgt. Und simulieren wollen wir mit Fate ja nun wirklich nicht, da gibt es geeignetere Systeme. Malmsturm macht diesen Fehler definitiv nicht. Merkte man der ersten Auflage noch an, dass einige Autoren aus der Gurps-Ecke stammen, so haben wir es hier mit strahlend weißem Fate zu tun: So sollen Extras funktionieren!
Die großen Traditionen sind alle ziemlich cool, ihre Magie durch Stunts aber auch eher angezeichnet als durchdesigned. Es ist ganz offenbar gewünscht (und wird durch die stringente Offenlegung des Designprozesses auch „leicht“ möglich gemacht), sich eigene Zauber zu überlegen. Mir wird jetzt auch klar, warum die Arten, arkanen Stress „vor die Klammer zu ziehen“ gewählt wurde. Es gibt mehr große Traditionen als Arten, arkanen Stress zu übertragen. So kann also nach oben verwiesen werden, statt sich bei den Traditionen zu wiederholen. Damit wäre das erklärt, aber erstleserfreundlich ist es nicht.
Die großen Traditionen sind allesamt nützlich, ohne übermäßig mächtig zu sein. Es wird von Feuerball werfenden, fliegenden und unsichtbaren D&D-Magiern Abstand genommen, statt dessen geht es um Dämonen, Geisterbeschwörung, Alchemie und Hexerei. Das gefällt mir sehr gut, weil es für mich bestens zu einem S&S-Setting passt und vor allem dem ikonischen Barbar oder Krieger seine Rolle als Damagedealer nicht streitig macht. Auffällig ist auch, dass Teleportation und andere Reisevermeidungs-Magie nicht vorhanden, sondern sogar ausgeschlossen wird. Es ist okay, schneller zu reisen – aber die Reise ist Teil des Genres und muss daher stattfinden. Ob man sie dann zum Thema des Narrativs macht, bleibt der Gruppe ja freigestellt.
Fazit
Die Magie ist sehr schön ein Ausdruck des am Anfang des Buches erklärten Verständnisses von S&S. Mechanisch solide auf dem Fundament von Fate Core stellen diese Magieregeln kein innovatives Tasten in Richtung Neues, sondern eine höchst solide und sehr gelungene Anwendung von Core auf S&S dar. Ich finde mich hier wieder – komplex genug, aber immer mit dem Blick aus Narrativ. Daumen hoch.
Im nächsten Teil geht es dann um Kapitel 6: Szenario und Kampagne. Da freue ich mich schon drauf, denn ich bin sehr gespannt, wie hier die Besonderheiten von Fate auf die üblichen SL-Hinweise übertragen werden. Und natürlich auch, was dort anders gemacht wird, als ich es mache…