Rezension: Fate Adversary Toolkit

Warum braucht man für Fate (noch) ein Toolkit? Ich muss schon sagen, dass ich mir diese Frage durchaus gestellt habe, während der Fate-Fanboy in mir vollständig automatisch und willenlos auf „Bestellen“ geklickt hat.

Eigentlich ist Fate Core regeltechnisch vollständig. Und dann gibt es ja schon ein Toolkit (von Uhrwerk als Fate Handbuch ins Deutsche übertragen), in dem einem schön aufgeschlüsselt wird, was wohl passiert, wenn man an verschieden Stellschrauben des Systems dreht. Oder sie komplett ausbaut, in Brand setzt und dann falschrum wieder einbaut… mehr kann man doch eigentlich gar nicht brauchen können, oder?

Jetzt geht es also um einen eigenen Werkzeugkasten für Gegner. Und tatsächlich enthält das gesamte Büchlein eigentlich regeltechnisch nichts Neues. Und trotzdem war ich sehr positiv überrascht! Was das Buch leistet, ist eine Kategorisierung von Widerständen, an denen sich die Spieler abarbeiten können. Das sind einerseits die NSC, aber eben auch Hindernisse und Widerstände, die nicht ein NSC sind. Untergliedert in eher passive Widerstände (wie einem Zaun) und aktiven Problemen wie einem Feuer in dem Gebäude, in dem man sich befindet, werden diese Schwierigkeiten mit den klassischen Fate-Mechaniken dargestellt. Nichts Neues, aber noch mal sehr plastisch klar gemacht: Welche Erzählung wird mit welcher Mechanik am besten dargestellt – oder andersherum gedacht: Mit welcher Mechanik erreiche ich welche Erzählung?

Auch die Gegner-NSCs sind in Boss, Hitter, Mooks, etc. aufgeteilt. Wenn einem das vorgestellt wird, erinnert es zunächst an die abgeklärte Art, in der manche Computerspieler über die Inhalte der Computerspiele reden („Wir brauchen noch einen Tank!“), es wird aber schnell deutlich, dass die Autoren damit vor allem Begriffe schaffen wollen, mit denen eine bestimmte Erzählung erreicht werden kann. Wie soll sich die Gefahr anfühlen? Sehr tödlich, aber schnell vorbei? Oder langsam, aber unaufhaltsam? Das erfordert unterschiedliche Gegnertypen, die hier vorgestellt und benannt werden.

Nach dieser eher trockenen Lektüre, die vor allem eine Definitionsleistung ist und Begrifflichkeiten etabliert, kommen die sog. „Spreads“. Das sind immer ein paar Doppelseiten, in denen ein genretypisches Abenteuer vorgestellt wird. Mit Plot, NSCs, Hindernissen und Beschränkungen – wie definiert. Dazu ein paar Hinweise (Oneshot, Kampagne, Optionen).

Diese Spreads sind toll. Aus den in diesem Buch etablierten Begriffen und Werkzeugen wird kunstvoll gewählt, um die Stimmung des Genres zu treffen. Als Leser sieht man, welche Variante gewählt wurde, damit sich ein Hindernis nach Cyberpunk anfühlt – oder nach Pulp. Das die gleiche Mechanik anwendbar sein kann, um statt mit einem cybernetischen Geschützturm einen Eingang zu bewachen, zu verhindern, dass an einem Jane-Austen-Teetisch über einen Skandal geplaudert wird. Überhaupt, der Jane-Austen-Spread (Ziel ist es, ein Pärchen zusammenzubringen) ist fantastisch – es zeigt, dass die gleichen Mechaniken, die bis dahin Fallen, Piranha gefüllte Gräben und Orbitale Laserkanonen abgebildet haben, soziale Restriktionen abbilden können. It is a truth universally acknowledged, dass alleine für den Jane-Austen-Spread das Buch zu kaufen ist. (Ich bin gespannt, wie sie Spread übersetzen; und ich hoffe, Uhrwerk bringt das Buch auf deutsch!)

Ein weiteres, aber längst nicht so stringent verfolgtes Thema sind die Zonen. Zonen sind die Methode, mittels derer Fate räumliche (und manchmal taktische) Tiefe erzeugt. Statt abzumessen, wieviel Zoll eine Figur von der anderen entfernt steht (wie es Tabletops und eher vom Wargaming beeinflusste Spiele tun), Hexfelder zu zählen oder ähnlichen „realistischen“ Vereinfachungen kategorisiert Fate die Szene in Zonen (an der Bar, auf der Tanzfläche, in der Herrentoilette) – wer sich in der gleichen Zone befindet, kann miteinander agieren – oder in den Nahkampf gehen. Fernkampf in die Nachbarzone(n), oder eben Bewegungsaktionen um in die Nachbarzone zu wechseln. Das Toolkit erwähnt sich bewegende Zonen (um eine Verfolgungsjagd abzubilden) und soziale Zonen (für ein Verhör). Hier fehlt aber die Tiefe der Ausführungen, die an anderer Stelle erreicht wurde.

Fazit

Insgesamt überraschend viel besser als erwartet. Man munkelt, das nächste Toolkit betreffe das Genre Horror… da bin ich schon sehr gespannt drauf!




Evil Hat Productions
978-1-61317-139-4

#RPGaDAY2015 Frage 25: Favorite Revolutionary Game Mechanic

#RPGaDAY2015 Frage 25: Höchstgeschätzte Revolution in der Regelmechanik?

Puh, was für eine verkrampfte Übersetzung, aber hey… ihr versteht was ich meine.

Ich habe zwei davon. Das eine ist das, was bei Fate „Aspekte“ heißt, aber was es auch in anderen Spielen (inzwischen?) gibt – die Möglichkeit, harte Regeln und freie Beschreibungen miteinander zu verknüpfen. Während man früher (und in so manchem System noch heute) Dinge findet wie „Auf einem Auge blind: -2 auf Wahrnehmen und Fernkampf, dafür 5 Charaktergenerierungspunkte zusätzlich“, die dann – schon weil sie nie perfekt ausbalanciert sind – zu lauter geldgierigen (hey, das ist ja fast kein Nachteil für einen Murderhobo) Wespenphobikern mit Erzfeind führen, ist das bei dieser Weiterentwicklung unnötig. Und da diese Nachteile (statt starrer Einbindung in die Mechanik (-2 auf Fernkampf) einen Bonus bringen, wenn sie vorkommen, geht es auch nicht mehr darum, Nachteile zu finden, die möglichst keine Nachteile sind. Derartiges findet man in nicht nur bei Fate, sondern auch bei Cortex+ und Savage World.

Die andere „revolutionäre“ Regelmechanik ist die Lösung vom binären Erfolg. Ein klassisches System kennt nach dem ablegen einer Fertigkeits- / Rettungswurfs- / Attributs- / usw.-probe nur den Zustand „Erfolg“ oder „Gescheitert“, gelegentlich ergänzt um „Kritischer Erfolg“ und „Patzer“. Das ist m.E. langweilig, passt aber zu der „Gamistischen Taktik“, über die ich neulich mal schrieb. Besser ist eine feinere Aufgliederung. Und damit meine ich nicht die Erfolgsstufen von Splittermond (und jetzt auch DSA5), bei der gemessen wird, WIE erfolgreich man denn nun war, sondern Zwischenstufen.

Bei Fate Core sieht das so aus:

Fehlschlag

Wenn dein Würfelergebnis geringer ist als der Widerstand, ist das ein Fehlschlag.
Das kann verschiedene Dinge bedeuten: Du erreichst dein Ziel nicht; du erreichst dein Ziel, aber der Erfolg hat einen großen Haken; oder es gibt andere negative regelmechanische Auswirkungen. Wenn du entscheidest, dass der Erfolg einen Haken hat, legt die SL einen angemessenen Haken fest.

Gleichstand

Wenn dein Würfelergebnis genauso hoch ist wie der Widerstand, ist das ein Gleichstand.
Das kann verschiedene Dinge bedeuten: Du erreichst dein Ziel, aber der Erfolg hat einen kleinen Haken; oder du erreichst eine verminderte Variante deines Ziels.

Erfolg

Wenn dein Würfelergebnis eine oder zwei Erfolgsstufen höher ist als der Widerstand, ist das ein Erfolg.
Das bedeutet: Du erreichst dein Ziel, ohne dass der Erfolg einen Haken hat.

Volltreffer

Wenn dein Würfelergebnis drei oder mehr Erfolgsstufen höher ist als der Widerstand, ist das ein voller Erfolg.
Das bedeutet: Du erreichst nicht nur dein Ziel, sondern du bekommst noch einen anderen Vorteil dazu.

Kurz gesagt: Man kann Scheitern. Man kann Erfolg mit einem kleinen Haken oder mit einem großen Haken haben, oder einfach nur Erfolg, oder Erfolg mit zusätzlichem Vorteil.

Oder, mal als Beispiel, einen Move (Unleash an Attack) aus Urban Shadows

1-6: Kein Erfolg (aber oft einen Erfahrungspunkt)
Ansonsten:
Mache brutalen Schaden und
Nimm ihnen irgendetwas weg

bei 7-9: Wähle zusätzlich eines der beiden Ergebnisse:
Sie machen bei dir Schaden
Du kommst in eine schwierige Situation

Im Sweetspot (7-9 kommt bei dem 2w6-Wurf besonders oft vor) passieren also Dinge, die das Ergebnis interessanter machen. Schaden bei den PCs oder eine „schwierige Situation“ (bad spot im Original) – da wird der Kampf gleich dynamischer.