Rezi: Geister, Gauner und Halunken

Geister, Gauner und Halunken: Ein Abenteuerband für 1w6 Freunde

Geister, Gauner und Halunken: Ein Abenteuerband für 1w6 Freunde

Wer in den 80ern aufgewachsen ist, ist mit TKKG und den drei Fragezeichen aufgewachsen. Die Älteren unter uns haben die Bücher gelesen, die Jüngeren die Hörspiele auf Cassette gehört – aber wir alle kennen diese Geschichten. Quasi ein Kanon unserer Generation, nicht von Reich-Ranickis Gnaden, aber dennoch verbindlich. Rolf Kalmuczak (unter dem Pseudonym Stefan Wolf) hat uns mit „Ein Fall für TKKG“ geprägt. Und mit uns meine ich dann wohl auch die Autoren sowohl des Grundregelwerkes als auch des Abenteuerbandes…

Die Regelmechanik (des hier nie besprochenen) Spiels 1w6 Freunde ist extrem simpel, enthält aber als erwähnenswertes besonderes Merkmal das „Fleißkärtchen“ – eigentlich ein kostenloser Vorteil (praktisch ein Fate-Stunt). Man liest es eigentlich für die liebevoll zusammengetragenen Informationen darüber, wie West-Deutschland in den 80ern so war.

Die Wüstenrotsonne brannte heiß
Über der ganzen Fußgängerzone
In den Eiscafés gab es Eiskaffees
Auf der Sahne war ne Kaffeebohne
– Rainald Grebe, Meine kleine Stadt

Für meine Zielgruppe: Alles unschwer mit Turbo-Fate bespielbar. Das GRW ist deshalb/trotzdem lesenswert, weil das GRW so viel gute Settinginformationen, den 80er Sprachduktus und Tipps zum Abenteueraufbau enthält. Aber zurück zum Abenteuerband:

Was erwartet einen?

Ein einfach gedrucktes Heft in brauchbarer POD-Qualität mit vier Abenteuern, die zum Teil auch kostenlos als PDF auf der DORP-Seite beziehbar sind. Zwei treffen nach meinem Gefühl die Stimmung von TKKG perfekt, das in den Süden der USA gelegte historische Abenteuer enthält zwar Tipps, wie man es nach Deutschland verlegt, aber bleibt irgendwie zu generisch – evtl. weil der Plot etwas komplexer ist als die übrigen Abenteuer und deshalb die Grenze zum „Erwachsenenrollenspiel“ tangiert. Das letzte Abenteuer ist schlichtweg grandios, da es sich um ein extra zum Gratisrollenspieltag erstelltes Abenteuer handelt, dass sich um Rollenspieler dreht und in vielen Punkten Rollenspieltrivia referenziert. Wer meinen GRT-Mitorganisator Moritz ein wenig kennt, kommt aus dem Lachen nicht wieder heraus. Damit verlässt es aber das Genre ganz deutlich.

Alle Abenteuer enthalten relativ simple Detektivabenteuer, deren übernatürlicher Anteil sich genre-treu als Täuschung erweist. Die Straftaten sind typisch für das Genre Jugendroman: Sexualdelikte, Menschenhandel und Drogenelend gehört hier nicht hin. Sehr gut gefällt mir, dass am Ende jeden Abenteuers alle NSCs noch mal aufgelistet werden; da das System keine Werte für NSCs braucht, reicht eine kurze Beschreibung im Fließtext. Gesichter gibt es für die NSCs leider nicht – da war das „Budget“ für Grafik bereits aufgebraucht, denn der Verleger, die DORP, ist eigentlich nur ein sympathischer Zusammenschluss von befreundeten Rollenspielern und hat keine Gewinnerzielungsabsicht – und deshalb natürlich kein eigenes Geld. Letzteres kann man ändern, wenn man ihr Patreon wird oder wenigsten durch Erwerb des hier besprochenen Büchleins seinen Teil beiträgt, denn zumindest das Cover wurde erworben und sehr stilgerecht von Jacob Müller gestaltet und der Druck war vermutlich auch nicht umsonst.

Gibt es auch Kritik?

Nur ganz leise: Leider ist die Struktur der Abenteuerpräsentation nicht immer identisch, deshalb sucht man manchmal länger, als es der eigentlich kurze Text erwarten lässt. Auch sonst ist die Darstellung nicht immer einheitlich: Das Südstaatenabenteuer legt nicht fest, wer der Täter ist – praktisch jeder NSC kommt in Frage und enthält Informationen für den Fall, dass der SL ihn auswählt – finde ich persönlich gut (auch wenn es bestimmt nicht jedem gefällt) – die anderen Abenteuer sind linearer. Es ist zudem nicht immer ganz klar, wie das Problem der Gewalt angegangen werden soll: Jugenddetektive greifen eigentlich nie zur Gewalt, um Fälle zu lösen. Auch wenn sich das Buch dazu äußert, lässt es das Problem letztlich manchmal ungelöst. Und der Meta-Humor (an einer Stellen kommt als Indiz Zigarettenstummel der Marke „Dromedar“ vor) ist auch Geschmackssache: Lasse ich mich auf das Genre ein, oder spiele ich es in der ironischen Brechung? Oder ist diese Form von Humor (die sich oft auch in NSC Namen niederschlägt) schon wieder Teil des Genres? Ich weiß es nicht mehr, ich bin so alt. (Keiner Nachtrag: Ja, diese Form von Humor gehört dazu.)

Am Ende des Bandes gibt es noch eine vorbereitete drei- und eine viereinhalbköpfige Musterjugenddetektivbande zum sofortigen lossspielen.

Fazit

Sehr gelungen! Vier Abenteuer dürften für die meisten „erwachsenen“ Runden mehr als genug sein, um sich im Genre zu versuchen; das GRT-Abenteuer erlaubt den Spieler dabei mehr ironische Distanz, andere Abenteuer sprechen eine Gruppe an, die sich auf das Abenteuer einlassen möchte. Ob man diese Abenteuer mit Kindern spielen könnte, kann ich mangels Erfahrung nicht beurteilen.

Wo gibt es das Buch?

Geister, Gauner und Halunken und hat eine ISBN und kann daher in jeder Buchhandlung bestellt werden. Der Sphärenmeister listet es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Rezension als „Auf Lager“. Es kostet 12 gut angelegte Euros.

 

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