Das Thema ist nicht neu und wurde auch schon in diversen Foren diskutiert, doch es rückt immer mehr in meinen Fokus, weil mittlerweile einigermaßen erfolgreiche Spiele wie Fate oder PTA ihren Spielern Verantwortung überlassen, den Plot nachhaltig zu beeinflussen.
Verantwortung im Rollenspiel wird langsam massenkompatibel.
Das Prinzip ist nicht neu, schon Theatrix hat 1993 mit solchen Mitteln gearbeitet, auch wenn es an anderen Stellen zum hemmungslosen Railroading auffordert und Spielerentscheidungen nicht viel Wert beimisst (vielleicht wird der Norbert mir jetzt vehement widersprechen, aber so wirkt das Regelwerk auf mich).
Doch was macht man als moderner SL, wenn die Spieler mit dem schönen neuen Stil nicht zurecht kommen und die Freiheit missbrauchen um den Geist des Spieles zu brechen?
Dazu hole ich mal ein bisschen aus.
In fast allen klassischen Rollenspielen gibt es einen starken SL, der die ausschließliche Kontrolle über die Story und die Regeln hat. Er kann alleine Entscheiden, was von dem kreativen Input seiner .Spieler er verwenden will und lässt den Spielern in der Regel nur wenig Freiraum sich kreativ einzubringen.
Das macht der SL in den klassischen Spielen nicht mal mit Absicht, wenn man sich die Regeln durchliest, dann steht es dort so verankert. Der Spielleiter hat auch fast immer den bestmöglichen Ausgang der Geschichte für die Gruppe im Auge und traut es den Spielern einfach nicht zu, sich gut einzubringen.
Nun ist es aber so, dass Rollenspieler in der Regel keine 14 mehr sind und gerade anfangen zu spielen. In der Regel haben die Leute, die ich kennen lerne 10-20 Jahre Erfahrung im Spiel und müssen nicht mehr alles bis ins kleinste Detail vorgebetet bekommen. Entgegen bestimmten Gerüchten sind fast alle Rollenspieler lernfähig.
Trotzdem lese ich immer wieder davon, das Spieler die von ihrem SL Freiheit erhalten (sei es durch verteilte Erzählrechte oder andere Mechanismen), mit dieser Macht überfordert sind. Sie warten entweder darauf, das der SL es für sie richtet, weil sie nicht mit der neuen Freiheit umgehen können, stehen der plötzlichen Verantwortung hilflos gegenüber oder missbrauchen die gewonnenen Freiheiten um einen fröhlichen Egotripp zu fahren. Fredi der Elch hat im Tanelorn mal geschrieben, dass so etwas Reaktanz ist, also eine recht komplexe Abwehrreaktion gegen die aufgebürdete Verantwortung.
Und da sind wir dann plötzlich bei der Grundlage für das vermeintlich destruktive Spiel der Spieler. Sie wehren sich dagegen etwas zu machen, was sie nicht kennen und können.
Sein wir doch mal ehrlich, grob geschätzte 90% der Rollenspieler sind äußerst konservative Zeitgenossen, wenn es um ihr Hobby geht. Veränderungen sind für sie (fast) nie gut. Warum spielen sonst noch so viele Leute Systeme von Anno Dazumal oder Versionen von Spielen, die von der Funktionalität her deutlich schlechter sind als neue Varianten?
Der Fehler mit einem schlechten Verhalten bei Verantwortung liegt aber nicht bei den SLs oder den Spielern, sondern bei den alten Regelwerken mit denen sie sozialisiert wurden. Wenn die Spieler dann auf einmal die große Keule der Verantwortung über den Kopf gezogen bekommen, dann reagieren sie wie jeder der etwas machen soll, was er nie gelernt hat.
Mit Unsicherheit oder Begeisterung, die oft daneben geht
Dieses daneben gehen ist für viele SL dann der Grund die Pläne mit solchen Spielen einzumotten und wie gewohnt weiter zu machen. „Die Spieler können es eh nicht, also lasse ich es lieber“
Der enttäuschte SL trifft auf eine enttäuschte Gruppe und die neuen Sachen werden ad Akta gelegt. Doch warum geht es so oft schief?
Weil die Spieler und der SL in der Regel keine Erfahrung mit so etwas haben und die neuen Spiele dann sofort bis aufs letzte Regelstück ausreizen. Dabei wäre ein langsames Herantasten an die Verantwortung nicht schlecht, denn wir lassen einen Autofahrer ja auch nicht sofort mit einem Motorrad auf die Welt los, sondern verlangen Fahrstunden, damit der Fahrer sich an die neuen Bedingungen im verkehr gewöhnen kann.
Unsere Eltern haben uns in der Regel auch langsam an Verantwortung herangeführt und nicht plötzlich gesagt, dass wir jetzt alleine in die Welt ziehen müssen und jetzt für uns selber verantwortlich sind.
Ich bin durch 7te See an die neuen Regeln und Verantwortung in Spielerhand herangeführt worden, was klassisch genug war, um einen starken SL zu haben aber in den SL Tipps gute Sachen zum Leiten und Übertragen von Verantwortung an Spieler gab. Es hat mir geholfen viele meiner Spieler an neue Konzepte zu gewöhnen und mit ihnen gemeinsam zu lernen, wie man mit so etwas umgeht.
Heute will ich das Werkzeug der Verantwortung in Spielerhänden nicht mehr missen, doch ich habe halt auch langsam gelernt und bin nicht einfach ins kalte Wasser geschmissen worden.
Wie ich in vergangenen Zeiten auf PTA reagiert hätte, ist für mich deshalb immer eine gute Frage, die sich aber nie aufklären lassen wird.
Also lieber SL, der von seiner Gruppe mehr Verantwortung verlangt.
Geh es geduldig an und überfordere deine Spieler nicht, dann haben sie früher oder Später auch viel Spaß mit so etwas. Ich kann es aus diversen Western City und Fate Runden bezeugen, das es funktioniert.
Verflixt, du bist schnell. Als Folge und Ergebnis der Diskussion u.a. mit Georgios im „Betrug ist es nur…“ Faden wollte ich dazu eigentlich auch was schreiben. Aber du bist einfach schnell!
Hattest Du dich da nicht schon mal vor Ewigkeiten mit dem Elch drüber gefetzt?
Ich weiss bei deinem Text leider nicht genau von welcher Art Verantwortung du redest.
Geht es tatsächlich darum, den Spielern die Möglichkeit zu geben, am Grundplot zu drehen, wie es ganz krass bei Inspectres der Fall ist, oder meinst du Mechanismen, die den Spielern durch Ausspielen von Chips die Möglichkeit geben, die Szene zu ändern. Oder meinst du das bloße Abweichen vom Railroading, indem man den Spielern die Möglichkeit gibt, frei zu entscheiden was sie wann machen wollen anstatt sie einfach nur am roten Faden entlangzuschicken?
Ich rede von der Verantwortung im Allgemeinen.
Also nicht nur so, wie du sie von Inspectres kennst und wie sie in Fate, PTA, Universalis, Western City. WuShu und einigen anderen Spielen vorkommt, sondern auch im Sinne des von dir genannten Beeinflussen von Szenen mit Chips oder anderen Währungen wie Plotpunkten.
In allen Fällen wird den Spielern Verantwortung übertragen, ob nun im Großen oder im Kleinen.
Abweichen vom Railroading und ein offener Plot können natürlich auch eine Art Verantwortung für die Spieler darstellen, aber ich sehe das eher als normales Spiel. Sie bleiben ja in der Regel innerhalb der Parameter des SL und lassen ihn regeln, was nach ihren freien Handlungen passiert.
Ich habe mit „richtig freien“ Systemen wie Fate oder Western City keine Erfahrung, aber meiner Erfahrung nach nehmen auch „frische“ Spieler (Ergebnis-/Plot-)Offenheit viel viel schneller an als erfahrene Spieler, die sie nicht gewohnt sind. Trotz des neuen Mediums Rollenspiel sind sie da absolut gemessen schneller. also die ungewohnte „Keule Freiheit“ hat wirklich einen sehr großen Effekt.
Es herrscht bei den frischen Spielern halt keine Erziehung in eine bestimmte Richtung vor, die man erst vergessen muss um selbstständig zu spielen.
Oldschool RPG kann auch sehr gut mit offenem Plot gespielt werden – auch bei einem „starken SL“, wie du es ausdrückst. Schon D&D hat in der Ausbau Box das Domain Management für Spieler als Ziel ausgegeben und das Regelwerk dazu präsentiert. Viel offener gehts kaum…
Womit ich ein Problem habe sind Regeln wie bei „Hot War“, wo die Spieler den Plot durch Charakter-Optionen verändern können. Wenn ihre Handlungen meinen Plot verändern; prima. Aber wenn sie Regeln nutzen können, um Handlungsflüsse umzuleiten – das geht mit zu weit.
Cyric, falls es so klang, als wenn ich der Meinung wäre, dass man Oldscool nicht ergebnisoffen spielen kann, dann entschuldige ich mich. Denn es stimmt nicht.
Ich kenne Oldsool aus der Zeit meiner Sozialisierung (MERS, Spacemaster, Rolemaster und AD&D) eigentlich nur mit offenen Plot und habe auch immer so geleitet, bist ich auf DSA und die „tollen“ Abenteuerbände traf.
Ob es dir aber als SL zu weit geht ist mir solange egal, bis ich bei dir so ein System spielen soll und du mir die Handlungsmöglichkeiten verweigerst, die mir die Regeln bieten.
Dann würde ich stunk machen.
Klar, wenn das System die Regeln vorsieht, dann kann ich als SL das ganze nicht einschränken. Also können schon… aber ein System wie Hot War definiert sich ja auch durch diese Regeln. Da geb ich dir Recht.
Für mich aber auch ein klares „no go“. Das ist die Steigerung des koop Brettspiels und schon das wird mir persönlich schnell langweilig. Aber das liegt ja Gott sein dank allein im Auge des Betrachters (aka Spielers).
Ja, es läuft immer darauf hinnaus, dass man sich ein Spiel mit Regeln aussucht, an denen der SL und die Spieler Spaß haben.
Doch wenn alle die Regel X ignorieren wollen ist es genau so OK, wie das dazufügen einer neuen Regel um das Spiel zu verbessern.
Ich sehe da Spieler und SL als gleichgberechtigte Partnerm, wenn es vor oder nach dem Spiel um die Wahl der Regeln oder ihre Auslegung geht.
Wenn ich leite und einen guten Tag habe, habe ich eine Einstiegsszene, und ein Problem das gelöst werden soll. Dann lasse ich die Spieler drauf los und schaue was passiert.
Allerdings mache ich mir schon Gedanken darüber, wie das Problem gelöst werden könnte. Wenn die Spieler auf eine andere Möglichkeit kommen, die mir logisch erscheint, um so besser. Aber diese Veränderungsmöglichkeiten mit Plotpunkten / Chips etc finde ich nicht so schön. Auf diese Art und Weise können die Begebenheiten und Voraussetzungen einer Szene vollkommen verändert werden und zwar auf eine WarSchonImmerSo Art und Weise. Blöderweise wären einige Dinge anders gelaufen, wenn die Gegebenheit wirklich schon immer so gewesen wäre, wie der Spieler es gerade bestimmt.
Eine noch freiere Spielweise wie bei Inspectres, wo es eigentlich nur einen Abenteueranfang gibt, und der Rest selbst erfunden wird, halte ich für ganz witzig, wenn das System nur hin und wieder mal spontan gespielt wird. Regelmäßig könnte ich mich damit nicht anfreunden, weil ich als Spieler wirklich gerne ein vorgegebenes Problem oder Rätsel lösen will, weil ich forschen und entdecken will. Ich möchte nicht die Erklärung der seltsamen Ereignisse selbst erfinden müssen. Das wäre nicht spannend.
Ich sehe kein Problem da drinne wenn du mit Veränderungsmöglichkeiten wie Plotpunkten / Chips etc nicht umgehen möchtest, weil dir der Abenteueranteil oder Spielaspekt des Rollenspieles wichtig ist.
Bei so einem Stil ist es sicher eher kontaproduktiv, wenn Spieler Probleme wegkaufen können.
Aber ich sehe das ganze als SL eher aus der dramaturgischen Sicht, dass die Spieler damit die Geschichte beeinflussen können und sie damit in eine Richtung treiben, die ich als SL nicht vorausberechnen kann. Dadurch habe ich mehr Spaß, weil ich am Anfang des Abends noch nicht weiß, was genau ih mit der Gruppe erleben werde.
Es ist und bleibt Geschmackssache ob man mit so etwas arbeitet, aber als Autor von Western City kann man wohl kaum sagen, dass man diese Art zu spielen nicht mag.
Hast Du dir schon mal Fate durchgelesen? Das könnte dir vielleicht eher zusagen, als so radikale Versionen von Players Empowerment wie in Universalis, Inspetres oder Western City.
Jörgs Link zeigt auf FATE 2, aber es gibt auch ein FATE 3 Übersetzungsprojekt. Das Englische SRD ist dort vollständig, das deutsche zum Teil vorgehalten.
Ich wollte damit vor allem sagen, dass es nicht eine Unfähigkeit Verantwortung zu Übernehmen sein muss, wenn solche Experimente nicht funktionieren. Es kann einfach ein anderer Geschmack sein.
Meiner Runde kann ich kein Inspectres vorwerfen. Western City kenne ich nicht. Für kurze Runden würde mich das alles interessieren. Inspectres hat mir, als ich es vor Jahren auf einer Con spielte, sehr viel Spaß gemacht. Aber wie gesagt – ich könnte das nicht immer spielen.
Fate sieht interessant aus. Aber ich denke ich habe mein System gefunden. Cthulhu bietet eine schnelle Charaktererschaffung und ein Regelsystem, dessen Grundzüge in 5 Minuten erklärt werden können. Was will ich mehr? :)
Pichen, du diskutierst völlig am Thema vorbei.
Es geht darum, dass man seine Runde nicht mit den neuen Mechanismen überfordern soll, sondern sie langsam an die Neuerungen und damit verbundene Verantwortung heranführen sollte um keine Enttäuschungen zu erleben.
Es soll und darf jeder sein System leiten mit dem er Spaß hat. Aber wenn ein SL für seine Gruppe etwas will, wo die Spieler Verantwortung für den Plot übernehmen um ihn die Arbeit zu erleichtern, dann muss er es in der Regel einfach vorsichtig angehen.
Nicht mehr und nicht weniger.
Entschuldige bitte. Dann hab ich den Beitrag wohl nicht ganz so verstanden wie er gemeint war.