Ich war – wie eigentlich jedes Jahr – auf dem Nordcon, und meine Güte – was für eine großartige Con ist das. Ich war fast eine Woche kaputt, ohne Stimme und geflashed. Der Termin fürs nächste Mal steht schon im Kalender: 13. – 15. Juni 2025.
Unser Hauptevent ist die Zombiecalypse, ein seit inzwischen über einem Jahrzehnt ein (sehr populäres) Spiel auf dem Nordcon anbietet, wo man mit Nerfs rumballern kann und von Zombies gejagt wird – oder als Zombie Menschen jagt. Irgendwas haben wir da richtig gemacht, das Spiel ist extrem beliebt und die Leute rennen uns die Bude ein. 2024 war die Spielfläche so voll wie nie und wir haben (zum ersten Mal, soweit ich mich erinnern kann) Leute abweisen müssen, weil es einfach zu eng wurde. In den vielen Jahren sind einige der begeisterten Dauerspieler in die Orga rekrutiert worden, so dass ich inzwischen auch mal für einen Bummel über den Nordcon weggehen kann – und das gibt mir die Gelegenheit, hier mal meine Eindrücke zu schildern:
Das „neue“ Con-Gelände ist sehr gut geeignet. Eine tolle Schule (mit Ponys!), die Aula, Sporthallen und viele Räume zum spielen bietet, eine Küche für das Catering, ein großzügiges Außengelände – toll. Leider ist die U-Bahnstation ein bisschen weit weg und Parkplätze sind knapp, aber das scheint mir ein geringer Preis zu sein. Hervorheben möchte ich, dass der Nordcon – ein bisschen wie das Tanelorn – erkennbar von begeisterten Rollenspielern gemacht wird, die damit kein Geld verdienen wollen, sondern im Gegenteil ein unglaubliches Maß an Zeit und Arbeit in die Con stecken. Das merkt man überall und ist ein großartiger Unterschied zu … eigentlich allem im „normalen Leben“. Kleiner Eintrittspreis, günstiges Essen, unglaublich tolle Orga (die uns als Programmpunkt das Gefühl gibt, wir wären das Wichtigste der Welt), nette Menschen und folglich ein tolle, entspannte und richtig großartige Stimmung, die auch der gelegentliche hanseatische Regenschauer nicht trüben konnte.
Das Programmheft zeigt eine geradezu erschlagende Menge an Programmpunkten, die zusätzlich zu zahlreichen Rollenspielrunden stattfinden. Vor der Zombiehalle sind z.B. die Püppi-Schubser und Miniaturenbemaler sehr aktiv gewesen; im Schulhof gab es viele Zelte für die Brettspieler. Fast alle Rollenspielverlage waren mit Ständen da, dazu Händler und am Sonntag ein Flohmarkt. Künstler mit eigenen Ständen habe ich gesehen, und draußen gab es eine Bühne für Bands, Barden und sonstige Darbietungen. Natürlich draußen die harten Jugger-Spieler und eine Larp-Wiese.
Die Jugger-Spieler sind die härteste Konkurrenz der Zombiecalypse (in beiden Bedeutungen des Wortes)… Respekt, denn Hamburg hat sich beim Wetter nicht sehr großzügig gezeigt und die Spielwiese immer wieder matschig geregnet, was aber offenbar niemanden gestört hat. Nochmal danke an die Orga, dass WIR eine Halle haben durften :D.
Es gab auch wieder üppig den Star-Trek-artigen Artemis-Brückensimualtor zum Spielen, die hatten noch mehr Platzbedarf als letztes Mal (IIRC) – scheint auch super zu laufen, und ich hätte echt gerne mal mitgespielt. Ich traf auch noch Mháire und Nico von Orkenspalter, die ein Patreontreffen veranstaltet haben – ich würde es mal unter „Puzzeln mit Patreons“ zusammenfassen.
Was neu war – und deshalb von mir jetzt noch etwas ausführlicher angesprochen werden soll, war das wissenschaftliche Symposium am Sonntag. Der VDRV hatte das Bonn Lab for Analog Games and Imaginative Play und damit Prof. Dr. Adrian Hermann von der Uni Bonn als Mitveranstalter gewonnen. Ich habe mir nicht alle Programmpunkte ansehen können, aber es gab eine Vorstellung von Forschungsvorhaben in Form von Postern (Abrufbar unter https://t1p.de/nordcon2024), die dann sehr kurz von den handelnden Personen vorgestellt wurden. Anschließend standen sie für Gespräche zur Verfügung – dazu gehörte auch Lichtbringer, der einen spannenden Ansatz hatte. Die Schwerpunkte der Forschungen waren vor allem aus pädagogischen und psychologischen Perspektiven gewählt, es ging also um die Verwendbarkeit im Rahmen von Therapien und Unterstützung von Schülern. Spannend war, dass eine Arbeit sich der Frage widmete, ob man eine Verbesserung der sozialen Fähigkeiten messen könne, die durch das Rollenspiel hervorgerufen würden (These: Ja), eine andere einen Vergleich mit Schachspielern wählte und keine Unterschiede messen konnte.
Ludologische Fragen oder das was wir im Tanelorn unter „Rollenspiel-Theorie“ verstehen, waren kein Thema – jedenfalls nicht unmittelbar. Beim Abschluss des Symposiums, einer Gesprächsrunde zwischen Prof. Hermann als Theoretiker, Lena Falkenhagen als Rollenspiel-Entwicklerin, die jetzt Computerspiele macht, Ulrike von der Redaktion Phantastik als Verlagsperspektive, Kathrin Fischer (Abenteuer im Märchenwald) als Autorin eines ausdrücklich im Rahmen ihrer Forschungen entwickelten Spiels und einigen (wechselnden) Anderen wurde klar, dass die u.a. in diesem Blog diskutierten Probleme auf die behandelten Fragen durchschlagen – aber z.T. in Ermangelung eines Vokabulars nicht erkannt werden oder benannt werden können.
Die Beteiligung des Publikums war – als ich zuhörte – überschaubar. Da mögen gut 50 Leute im Raum gewesen sein. Ich hoffe trotzdem sehr, dass dieses Format fortgeführt wird; es ist sehr deutlich eine Bereicherung. Ich hoffe sehr, dass ich nächstes Mal den „Call for Papers“ früher mitkriege… nicht weil ich selbst was schlaues hätte, dafür haben wir den Lichtbringer. Aber vielleicht ergibt die Diskussion neue Ansätze, und es finden sich auch Beiträge, die sich mit dem Wie? des Rollenspiels befassen.
Ein kleines PS: Es gibt inzwischen eine Kinderbetreuung, und das hat offenbar meiner Nemesis die Zähne gezogen – früher hatten wir oft Eltern, die irgendwie davon gekränkt waren, dass wir mit Nerfs (ALSO KINDERSPIELZEUG) Spaß hatten, und ihre kleinen Kinder nicht mitmachen dürfen. Bis hin zur außerordentlich energisch und lautstark (und sehr ausdauernd) vorgetragenen Forderung, wir sollten doch mal für ’ne Stunde die Spieler vom Feld jagen, damit ihre Kleinkinder spielen können. Das ist die letzten zwei Jahre nicht mehr vorgekommen – sehr schön.
Außerdem haben wir den Coverposing-Wettbewerb wieder durchgeführt. Der war zwar einst als Werbemaßnahme für den DRP von mir erfunden worden, (aber ich habe den Arsch nach Corona noch nicht hochbekommen, den Preis zu rebooten), ist aber immer eine Riesengaudi. Wer das Format nicht kennt: Conbesucher suchen sich ein Rollenspielcover aus und stellen es dann nach. Woody macht ein Foto, wir bewerten die „Interpretation“ und vergeben Preise. Auf der Abschlussveranstaltung zeigen wir die schönsten Darstellungen… ich finde das immer noch eine großartige Sache! Hier gibt es Bilder von 2019 – die von ’24 lade ich bestimmt auch demnächst hoch. JollyOrc ist ein großartiger Moderator für die Vorstellung der Ergebnisse.
Dieser Beitrag ist eine Überarbeitung meiner Ersteindrücke, die ich im Tanelorn geschildert habe.