Rezension: Das Lied von Eis und Feuer

LvEuF-coverDer Mantikore-Verlag hat mir freundlicherweise ein Exemplar seiner Übersetzung des aktuellen GoT-Rollenspiels zukommen lassen. Zum ebenfalls hier rezensierten Schnellstarter geht es hier. Diese Besprechung befasst sich  mit dem Grundregelwerk, das die vollständigen Regeln enthält.

Buch

In der Hand hält man ein schön aufgemachtes Hardcover, das sehr angenehm wuchtig in der Hand liegt. Fester Einband, glänzendes Papier, vollfarbig, Lesebändchen – Mantikore spart nicht. 340 Seiten in dieser sehr hochwertigen Aufmachung kosten dann aber auch ordentliche 49,95 € – nicht direkt günstig, aber wie schon der Schnellstarter erhält man eine höchst ordentliche Gegenleistung fürs sauer verdiente Geld. Das Artwork ist nicht immer meine Sache, vor allem die Darstellung von einzelnen Personen überzeugt nicht jedes Mal. Dennoch enthält das Buch viele brauchbare Bilder, die die Stimmung des Settings schön übertragen.

Setting

Das Setting kennt der geneigte Spieler vermutlich schon aus den Büchern von Georg R. R. Martin, oder aus der TV-Serie, die zur Zeit gerade von RTL II ausgestrahlt wird. Natürlich wird die Spielwelt trotzdem ausführlich dargestellt, wobei manche Informationen sich im Spielleiterteil finden, andere in Kapitel 1. Das Buch hält sich an die Begriffsübersetzungen der Romane – aus Kings Landing wird Königsmund. Auch wenn ich dabei manchmal etwas unglücklich bin (warum wird (sehr gelungen) Königsmund gewählt, dann aber anderswo von „Lord Eggens Stadt“ gesprochen, also die Adelstitel nicht eingedeutscht?) stimme ich der Grundentscheidung, das Spiel in der deutschen Übersetzung auch vollständig einzudeutschen, zu. Es sollte spielbar sein, ohne das jemand am Tisch auch nur ein Wort Englisch spricht. Das ist gut gelungen.

Würfelsystem

Das Würfelsystem kommt erfrischenderweise ohne Sonderwürfel aus – einige W6 reichen aus. Im Grunde würfelt man eine Anzahl an w6, die dem Attribut entspricht, sie werden addiert. Allerdings kann man sich mit Fähigkeiten spezialisieren, dann erhält man „Bonuswürfel“, die man mitwürfeln darf. Gewertet werden dann nur eine dem Grundwert entsprechende Zahl von Würfeln, aber man kann die besten auswählen. Das ist übersichtlich und gibt einem eine angenehme Form, leicht besser zu werden, ohne sofort das Balancing zu ruinieren. Allerdings habe ich keine intuitive Möglichkeit zu erkennen, wie wahrscheinlich ein Wurf von mindestens 12 (Hoch) mit 4w6 oder 3w6 mit zwei Bonuswürfeln ist.

Charaktererschaffung

Ein Charakter kann dann noch Talente, Vor- und Nachteile haben, man kann Motivationen und Ziele auswürfeln und mit Tugend und Laster ethische Dimensionen bestimmen. Die „Rollen“ sind Anführer, Experte, Intrigant, Kämpfer und Schuft, wobei die Rolle nur eine Empfehlung ist: Solche Typen passen zum Spiel, und sie haben bestenfalls ihren Schwerpunkt in den angegebenen Kernfähigkeiten. Anders als man nach der Lektüre der Bücher erwarten würde, werden hier keine schnell ersetzbaren „Wegwerfcharaktere“ erzeugt, sondern aufwändige und mechanische detaillierte Protagonisten. Es gibt als Zugeständnis an moderne Spielgewohnheiten „Schicksalspunkte“ , mittels derer man Würfelwürfe verbessern, aber auch in geringem Umfang die Geschichte verändern kann, grundsätzlich ist aber die Charaktergenerierung ziemlich klassisch und sehr zeitaufwändig

Haus und Ländereien

Zu dem Highlight des Spiels gehört definitiv die Generierung von Haus und Ländereien in Kapitel 6. Obwohl zeitaufwändig, hat es allen Gruppen Spaß gemacht, mit denen ich es als SL oder Spieler ausprobiert habe. Abhängig von der Gegend, in der das Haus liegen soll, sind die Startresourcen unterschiedlich. Die Werte der eigenen Ländereien (Bevölkerung, Einfluss, Land, Macht, Recht, Vermögen und Verteidigung) unterscheiden sich abhängig davon, ob man z.B. zu Königsmund gehört oder Mondberge. Nachdem die genannten Werte mit Zahlen bestimmt wurden, wird die Haushistorie ausgewürfelt – Gefälligkeiten können erworben werden, das Haus kann auf- oder absteigen oder gar in einen Verrat verwickelt worden sein – die Geschichten erzählen sich dabei fast von selbst. Ein großartiger Spaß, der im Spiel regelmäßig fortgesetzt wird. Anschließend können (und sollten) noch Details bestimmt werden – von den Truppenteilen bis hin zu den Landbesitztümern, die z.B. Berge, Hügel, Ebene oder Feuchtgebiete sein können und mit Merkmalen wie Straße, Wald, Ruine oder Gemeinde  verbessert werden können. Auch Bergwerke, Gilden oder Marktplätze können (als Konkretisierung des Vermögens) gewählt werden, während Punkte in Macht und Recht sich im Hausglück wiederfinden, auf das man jährlich würfelt. Die Konkretisierung spielt auch mechanisch eine Rolle – Burgen helfen bei der Verteidigung, Ritter sind im Wald schlechter als Infantrie, aber auf der Ebene überlegen, etc.
Auch für Wappen und Motto gibt es umfangreiche Tabellen, auf die man würfeln kann, dabei erhält man gleich einen Schnellkurs in Heraldik. Sehr gelungen. Im letzten Schritt verteilt man die wichtigen Akteure des Hauses (der Herr des Hauses heißt komischerweise wieder Lord) auf die Spielercharaktere und füllt mit NSC auf. Das ist schon ein Abenteuergenerator, der alleine rockt.

Intrigen

Eine von mir im Rahmen des Schnellstarters gelobte Besonderheit des Spiels sind die ausführlichen Regeln zu Intrigen. Beim Testspiel haben sie sich aber nicht bewährt. Sie sind zum einen sehr umfangreich und machen (was ich persönlich gut finde) eine Intrige ähnlich aufwändig wie einen Kampf, können dabei aber weitaus mehr Ausgänge haben als nur gewonnen/verloren, denn es kann auch sein, dass man die Meinung einer anderen Person nur verändert, aber damit das eigentliche Ziel nicht erreicht. Aber in den verschiedenen Testspielen wurden die Regeln nicht angenommen. Es gab dabei SLs, die „sowas ausspielen wollen“, anderen war die Lektüre zu aufwändig oder die Spieler fanden es schwierig, Würfelergebnis und „schauspielerische Leistung“ in Einklang zu bringen. Die Regeln funktionieren aber gut, wenn der SL sie einsetzt – für mich persönlich, der soziale Konfliktsysteme mag, haben sie nur einen echten Nachteil: Sie betreffen regelmäßig nur einen PC, kosten aber recht viel Zeit, und sind daher für den Rest der Spieler nicht besonders interessant. Teamplay ist nur sehr begrenzt in der Intrige möglich. Im PvP-Szenario wollten meine Spieler den Erfolg der Intrige sogar eher nach „dramatischen“ Erwägungen entscheiden („es wäre cooler, wenn ich mich hier täuschen lasse, weil…“). Mein Lob muss ich also einschränken; die Regeln sind okay, aber am Tisch zur Zufriedenheit aller Spieler funktioniert oder sehr coole Szenen erzeugt haben sie nicht.

Gefechtsregeln

Eine weitere Ergänzung zum Schnellstarter sind die Gefechtsregeln. Sie greifen die Ergebnisse der Hauserzeugung auf, weil die dort bestimmten Truppenteile jetzt eine Rolle spielen. So kann man sehr detailliert eine Feldschlacht oder die Belagerung einer Burg ausspielen, wo die verschiedenen Truppenteile ihre Stärken und Schwächen haben. Sehr brettspielig, sehr detailliert. Funktioniert, war mir aber im Ergebnis zu aufwändig für das erzielte Ergebnis, aber die Taktiker unter meinen Spielern mochten das System, da sie es sehr realistisch und damit nachvollziehbar gefunden haben.

Abenteuer

Am Ende des Buches befinden sich dann noch zwei Abenteuer. Die „Reise nach Königsmund“ ist eine eher einfache Sache, die in jeder Fantasywelt stattfinden könnte – und dem Abenteuer im Schnellstarter entspricht. Aber das zweite, darauf aufbauende Abenteuer, „Gefahr in Königsmund“ ist da schon ganz anders. Ein großartiges Szenario mit Turnieren, dem König, Intrigen, Anschuldigungen, Balz und Minne, Mord und Duell, Göttern und schwangeren Mägden. Es bietet dem SL eine Gelegenheit, praktisch alle Regelelemente (bis auf die Gefechte zwischen Einheiten) zu verwenden und die PCs in die Welt einzubinden. Dazu wird Königsmund so gut beschrieben, dass man auch so seinen Spaß dort haben kann ohne seine Spieler auf den vorgegebenen Pfad zwingen zu müssen; mir hat das sehr gut gefallen.

Fazit

Ein sehr gelungenes Rollenspiel, das sehr genau das bietet, was man bei einem Westeros-Spiel auch erwarten würde. Die Anbindung an das Setting ist sehr gelungen, die Regeln sind komplex aber funktionsfähig. Wer gerne simuliert, findet hier viel Material, um die Spielwelt ansprechend zu gestalten. Wem es auf das Drama ankommt, das Martin so meisterhaft beherrscht – ist hier falsch. Das System ist klassisch und hat keine Mechanismen, um die abrupten Plotwendungen, brutalen Protagonistentode und kaputten Antagonisten abzubilden.

Bei sehr mächtigen Kämpen wird das Kampfsystem irgendwann etwas undynamisch – ein Problem, das sich bei Spielen mit hoher Regeldichte kaum umgehen lässt, wie D&D3 und Pathfinder zeigen – die vielen Optionen und Möglichkeiten brauchen Zeit. In meinem Rollenspielumfeld – und soweit ich hörte, auch auf dem Tanelorn-Treffen – wird auf Basis des Settings unerhört viel „Freeforming“ betrieben, also einfach unter Auslassung aller Regeln gespielt. Das verträgt das System aber offenbar ganz gut, wenn man die Intrigenregeln nicht beachtet. Aufgrund der Popularität der Romane und TV-Serie sind reichlich andere Handreichungen erhältlich (z.B. Karten), die das Spielen erleichtern. Das Buch ist eine gute Wahl, wenn man in Westeros „klassisch“ spielen möchte, aber dennoch (z.B. mittels der Schicksalspunkte, Hausgenerierung, etc) einen moderaten Einfluss der Spieler auf Welt und Plot zulassen möchte.

Rezension: Das Lied von Eis und Feuer Schnellstartregeln

51Nre2I0hlLAlle reden vom Splittermond-Schnellstarter – ich nicht. Ich habe nämlich den Song of Ice and Fire Schnellstarter (oder sollte ich Lied von Eis und Feuer sagen? Ist ja der deutsche Text) von Mantikore zur Rezension bekommen. Und hey, auch wenn der letzte Roman der Lied von Eis und Feuer-Reihe, „A Dance of Dragons“, ein ziemlicher Langweiler war, so ist die gesamte Romanreihe doch so ziemlich das feinste, was die Fantasy zur Zeit hergibt. Es geht also um eine Fantasywelt, in der man auch spielen möchte!

Etwas verblüfft hat mich erstmal die Entscheidung von Mantikore, die Schnellstartregeln zu verkaufen. Knapp 10 Euro wollen sie dafür, während Splittermond und Shadowrun, aber auch DSA, ihre Schnellstart- bzw. Lightregeln verschenken. Vermutlich geht man davon aus, dass die Romanreihe, die ja auch in Deutschland extrem erfolgreich ist, anziehend genug ist. Oder ein kleiner Verlag kann sich das Verschenken nicht leisten.

Aber Mantikore kann nicht viel Gewinn an dem Schnellstarter machen (wenn überhaupt!), denn wenn man dann den Schnellstarter kauft, wartet noch eine sehr angenehme Überraschung auf einen – ein großes Poster, dass auf der einen Seite das Coverbild und – noch viel toller – auf der anderen Seite eine Karte von Westeros zeigt. Das rockt!

Zum Schnellstarter selbst: 48 Seiten, DIN A4, mit einem Umschlag aus nicht übermäßig stabilen Karton. Vollfarbig, und die nicht gerade reichlich eingesetzten Bilder schwanken zwischen toll und nicht-so-großartig. Gerade die Gesichter der Innenillus gefallen mir nicht, und der Künster scheint nicht derjenige zu sein, der das Titelbild gestaltet hat. Auf den Innenseiten sind Karten für das Einführungsabenteuer abgedruckt.

Yay!:Die Regeln sind keine Light-Regeln, sondern die aus dem Grundregelwerk übernommenen vollständigen Regeln. Es fehlen lediglich die Charaktergenerierung, viele Vor- und Nachteile und Kampfstile, die für Charaktergenerierung und Aufstieg nötig sind, die gesamten Regeln für das Abwickeln von Feldschlachten, etc. Wer die vorgegebenen Charaktere verwendet, hat wirklich alles, was er braucht, im Schnellstarter – das ist toll. Sogar Waffenlisten und Ausrüstung sind unerwartet umfangreich. Eine Umstellung der Charaktere, wenn das Grundregelwerk verwendet wird, ist nicht nötig. Gut gefallen hat mir auch die Zusammenfassung der Geschichte und der Geographie von Westeros auf den ersten Seiten – schön knackig und das Interesse weckend.

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Gar nicht meh: Die tolle Karte von Westeros!

Auf der „Meh„-Seite finden sich die (leider logische) Verwendung der deutschen Begriffe von Eigennamen aus der Romanübersetzung: Aus Kings Landing wird eben Königsmund, etc. Das ist für den Leser der deutschen Übersetzung der Romane vermutlich sinnvoll (und die sind sicherlich auch die Zielgruppe), aber für mich abgehalfterten Rollo-Hipster (O-Ton: „Ich hab schon auf Westeros gespielt, als ich dafür FATE konvertieren musste“), der die Romane auf englisch gelesen hat, etwas ulkig.

Außerdem meh: Das Einführungsabenteuer. Gerade mal drei Szenen, die zwar in Sachen Lösungsweg recht offen sind, aber dann doch chronologisch ablaufen. Zudem kann man das Abenteuer auf absolut jeder Fantasywelt spielen, da fehlt es mir an Kreativität und Bezug zur Spielwelt. Selbst wenn man unterstellt, dass der Leser ein absoluter Neueinsteiger ins Rollenspiel ist, hätte man ihm (oder ihr) wohl etwas mehr zutrauen können. Wer von den Romanen kommt, denkt vielleicht eher in Intrigen und überhaupt etwas größer: Burgherr statt reisender Ritter. Mein Wunsch wäre eine Hochzeit auf einer Burg gewesen, wo Leute ein Fest feiern, die sich spinnefeind sind… allerdings ist mir unbekannt, ob Mantikore hier nur übersetzen durfte oder selbst hätte ändern können. Vielleicht blutet denen ja das Herz auch?

„Und? Können die Regeln was?“, höre ich euch fragen. Sowas ist natürlich stark Geschmackssache. Aber ihr lest hier ja, weil ihr mich kennt und meine Meinung schätzt, nicht wahr? (Nicht lachen, ich bin leicht zu kränken). Das verwendete Roll&Keep-System ist okay. Ich mag die ausführlichen Regeln für Intrigen (die im Beispielabenteuer für Flirten und Feilschen missbraucht werden, wofür sie nun wirklich zu kompliziert sind. Aber für eine Intrige am Hof erscheinen sie brauchbar) – das kann schon was. Die Kampfregeln finde ich arg kleinteilig und habe selbst erlebt, dass sie zäh werden, wenn wirklich kompetente Recken aufeinander stoßen. Aber angesichts der Tatsache, dass ich bisher – mit einem Ausreißer – nur großartige GoT Runden hatte, gebe ich hier ein Plus: Kann man spielen, ohne das die Regeln stören würden. Leider gibt es bis auf die Intrigen aber kaum etwas an den Regeln, was speziell an Westeros angepasst ist, wem das System gefällt, der kann damit jede Welt bespielen, auf der Magie in Spielerhänden nicht vorkommt.

Übersetzung und Lektorat sind gut (@Thomas Michalski, der hier ja offenbar mitliest, einen schönen Gruß). Der Satz ist gefällig, gut lesbar und lenkt nicht vom eigentlichen Inhalt ab, sondern gibt ihm einen Rahmen, der das Gefühl von ASoIaF schön heraufbeschwört. Ein Werk von Karl-Heinz „Schnutenbach“ Zapf. Offenbar hat Mantikore eine direkte Pipeline in die Szene gebaut, um Talent abzusaugen; sehr clever.

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Mein Fazit.

Fazit: Schon für die Karte hätte ich den 10er auf den Tisch gelegt! Wer schon weiß, dass er lange auf Westeros spielt, braucht wohl das Grundregelwerk, weil sonst die Charaktererschaffung fehlt. Aber wer seine Gruppe erstmal anfixen will, kann das mit dem Schnellstarter hervorragend tun – und dank der Waffen- und Ausrüstungslisten noch eine ganze Weile weiterspielen, auch wenn Regeln für Erfahrungspunkte fehlen. Irgendwann muss der geneigte SL aber improvisieren, denn die Grundregeln kommen (wenn ich die Website des Mantikore Verlages richtig verstehe) erst im Oktober.

Eine Rezension des Blechpiraten.