Sind wir reif für Gefühle im Rollenspiel?

Romantik & Liebe

Romantik & Liebe

In meinem Eröffnungsbeitrag zum aktuellen Karneval der Rollenspielblogs „Romantik&Liebe“ fragte ich (unter anderem) „Sind wir reif für schwule Charaktere und NSCs?“ Das war eine unbedachte Frage, wie mir d6ideas schnell deutlich gemacht hat – denn die Frage hat ganz offenbar etwas exkludierendes. Was ärgerlich ist, denn ihre Intention war inkludierend. Dafür entschuldige ich mich.

An der Überschrift (die ja ähnlich aufgebaut ist) erkennt man ganz gut, wie die Frage gemeint war (das hat auch b_u_g natürlich so verstanden); es geht ja immer auch darum, was man – ungewollt – auch ausdrückt, und hier liegt mein Fehler.

Kommen wir zur Titelfrage zurück. Norbert, der auf meine Bitte hin etwas zum Thema gebloggt hat, ist der Ansicht, dass Romantik & Liebe in seinen Rollenspielrunden nichts zu suchen hat. Es hält das als Thema für Misery Porn – dem widerspricht Jiba vehement (das ich als Organsiator nicht Norberts Meinung sein kann, ist wohl klar – dann hätte ich das Thema nicht vorgeschlagen).

Ich frage mich jetzt gerade, wieso Action Porn (so nennt Norbert seine an Actionfilmen aus Hong Kong, Korea und Bollywood orientierten Runden) eine Bereicherung seines Lebens sind, aber (obwohl kaum einer dieser Filme ohne Love Interest auskommt) Romantik & Liebe als Themen hinter der Realität nur verblassen können. Ich hab schon mit Berufssoldaten Rollenspiele gespielt, und die waren scharf auf Action – obwohl genau diese Sorte Action, die wir dort bespielt haben, auch ihr Beruf war. Weil auch Profis da noch Luft nach oben sehen… oder von den Zwängen der Realität befreit sein möchten.

Und dann denke ich, dass auch wer sehr glücklich in einer monogamen Beziehung lebt, mit etwas Fantasie noch Dinge entdecken kann, die seine Beziehungsrealität nicht bietet oder bieten können kann. Aber: Ist das vielleicht Untreue? Ich habe im Eröffnungsbeitrag eine Begebenheit angerissen, die mir in Erinnerung blieb. Eine Spielerin aus einer extrem intensiven Monsterhearts-Runde – in der es nun ganz definitiv um Sex, Gewalt und sexuelle Machtausübung ging – sagte hinterher, dass sie so nicht hätte spielen können, wäre ihr (ebenfalls rollenspielender) Ehemann dabei gewesen. Empfindet der (oder die) Lebenspartner/in es als Untreue, wenn ich im Spiel den Avancen einer fiktiven Person nachgebe? Einer des gleichen (oder gerade nicht) Geschlechts wie der Partner / die Partnerin? Oder fange ich mir an zu überlegen, was meine Lebensgefährtin mir (das folgende ist natürlich fiktiv) damit sagen will, wenn sie im Spiel zwei Männer / eine Frau / viele Kinder / exotische Sexualpraktiken hat?

Warum können wir besser damit umgehen, unsere liebsten als blutverschmierte Murderhobos zu sehen, als in den Armen eines fiktiven Liebsten? Ist es ein Reifeproblem?

7 Gedanken zu „Sind wir reif für Gefühle im Rollenspiel?

  1. Ich glaube eher, dass es ein „menschliches“ Problem ist. Da kann Reife mit hineinspielen – muss aber nicht.

    „Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
    Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
    Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
    Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
    Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.“
    – aus dem Talmud

    … Denken und Handeln – genauso wie Spielen und Leben – stehen in einem Zusammenhang. Das sind einfach nur psychologische Grundmechanismen.

    „Warum können wir besser damit umgehen, unsere Liebsten als blutverschmierte Murderhobos zu sehen, als in den Armen eines fiktiven Liebsten?“
    Weil es die Beziehungsebene der Liebsten zueinander in Schwingung bringt, würde ich sagen. „Murderhobos“ kämpfen ja in der Regel nicht gegen den SC (oder dessen Familie), der vom Partner geführt wird. Auch das würde mMn im Spiel Schwierigkeiten machen.

    Allgemeiner gesprochen: SC-Aktionen, welche die Beziehung der Spielenden zueinander tangieren, sind schwierig. Neben Player vs. Player gehört da für mich auch „der SC des Liebsten stützt sich in Liebesabenteuer“.

    … es wäre interessant zu wissen, ob Spielerpärchen/-gatten, die im „echten Leben“ eine funktionierende „offene Beziehung“ führen, am Spieltisch zu Aktionen und anderen Bewertungen kommen.

  2. Hmm. Sexuelle Bedürfnisse sind zuallerstmal etwas sehr intimes, introvertiertes, während Gewalt etwas in der Gesellschaft akzeptiertes ist, also in Form von Medien. Ich persönlich flechte ungern Intimitäten in mein rollenspielerisches Dasein, das betrifft nicht nur Liebe & Romantik, sondern auch Krankheiten, Beziehung zu Mitmenschen, Probleme von der Arbeit etc.

    • Das finde ich gerade nicht. Die Medien sind doch von Sex, Beziehungen und Liebesdingen voll. Kein Film, kein Roman ohne. Selbst Computerspiele wir der Witcher haben das zum wichtigen Thema erkoren.

  3. Ich sehe es ganz ähnlich wie Ingo. Intimes gehört meiner Meinung nach nicht an den Spieltisch, das geht dort niemanden was an.

    Und ich verstehe Karstens Bemerkung über die Berufssoldaten gut. Ich bin zwar keiner, arbeite aber als Trainer für realitätsbasierten Selbstschutz und Gewaltprävention mit Soldaten und Polizisten zusammen, und bin im Nebenberuf an der Bundeswehruniversität tätig. Mir geht es tatsächlich genauso: Action finde ich, ums banal auszudrücken, richtig cool — obwohl es Gewalt ist und ich im tägliche Job genügend Gewalt erlebe. Aber es ist eben virtuelle, gespielte Gewalt, und das ist einfach was anderes.

  4. Die Frage ist, ob gespielte Beziehung überhaupt möglich ist.
    Also in dem Sinn, dass Beziehung komplett auf der fiktionalen Ebene bleibt.

    Ich würde behaupten: Sie tut es nicht. Auch nicht bei Schauspielern, die im Film Liebespaare verkörpern.

    Anders gesagt: Wenn man Beziehungen zum Thema von SC macht, dann hat man das Thema automatisch auch in der Spielrunde. Wie man damit umgeht und was davon erwünscht ist, oder nicht – dafür muss sich die Runde was überlegen.

    Ich hab Beziehungen (oder auch Verpflichtungen) ganz gern im Spiel. Ausgewachsene Romanzen müssen es dann aber auch nicht sein.
    (Mal schauen. Vielleicht schaffe ich noch einen Blog-Artikel zu „sozialen Nachteilen“ in L5R, die genau auf sowas abziehen. „Fürsorgepflicht für eine Person“, „Wahre Liebe“, „Gebrochenes Herz“, …)

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