Jörgs Gedanken zur Immersion

Vorwort:

Ich werde mich mit dem Thema Immersion in nächster Zeit etwas genauer befassen und lege hier mal meine ersten Gedanken nieder, die mir zu dem Thema gekommen sind. Ich würde Eure Sicht zu der Sache gerne etwas näher kennen lernen und bin für Gendankengänge und Hinweise dankbar.

Was ist denn nun die viel beschriebene Immersion?

Immer wieder in aller Munde und doch versteht fast jeder etwas anderes darunter. Alles was ich im Netz so finden konnte und das mich angesprochen hat beschäftigt sich mit der Immersion im Film oder im Computer-Spiel. Die Immersion in Computerspielen ist so eine Sache, aber ich denke sie kommt dem am nächsten, was ein Rollenspieler beim Pen&Paper so erreichen kann. Dabei ist der Hauptunterschied beim Rollenspiel das weitgehende Fehlen der optischen und akustischen Reize, welche den Spieler ins Spiel eintauchen lassen sollen.

Aber fangen wir mal an, meine Gedanken einigermaßen zu ordnen:

Immersion ist wohl ein Zustand, bei dem der Spieler im Rollenspiel in die Realität des Spieles eintaucht und dadurch weniger als Spieler am Tisch denkt sondern mit der fiktiven Welt interagiert. Es geht also um das Eintauchen in die Spielwelt und den damit verbundenen Spielspaß. Das Eintauchen wird bei den Spielern durch verschiedene Reize ermöglicht und ist deshalb wohl nicht mit Standard-Lösungen zu erreichen. Es gilt also ähnlich wie bei den Spielertypen zu erfahren, auf welche Art der Spieler am leichtesten etwas erreicht, was ihn in die Spielwelt zieht.

Ich nehme deshalb mal eine grobe Einteilung der Spielertypen vor, welche sich im Groben an dem Modell von Richard Bartle orientiert.
Bartel nennt dabei die Typen: Achiever, Explorer, Socialiser und Killer

Der Achiever möchte im Spiel etwas erreichen, Erfahrungspunkte oder Gegenstände sammeln und Anerkennung erhalten.

Ich würde diesen Spielertyp im P&P als Figurenspieler bezeichnen
Es geht ihm beim P&P um die messbare Anerkennung, er mag Statussymbole, weil sie für ihn den Erfolg seines Charakters symbolisieren. Diesem Spieler geht es um die Figur, die er spielt. Er sieht das Rollenspiel als Spiel und die Belohnung für das Spiel gibt es in Erfahrung, Crunch und anderen messbaren Größen. Die Rolle muss dabei nicht unwichtig sein, aber er taucht nicht direkt in Wagog den Wanderer, sondern spielt Ser Wargok, Klasse Wanderer, Stufe X, Werte, Bla bla bla, Ausrüstung xyz und Ruf in der Welt (beliebiges eintragen)

Der Explorer erkundet die Welt und genießt das unbekannte. Questen geben ihm die Gelegenheit die Welt und ihre Mechaniken zu erleben.

Ich würde diesen Spielertypen im P&P als Entdecker bezeichnen, was ja perfekt zur Bezeichnung von Bartel passt. Der Entdecker ist im Rollenspiel oft auch ein Regelfuchser, er probiert gerne neue Sachen aus, baut sich ständig irgendwelche Charaktere oder sucht nach Möglichkeiten um etwas über die Geheimnisse des Spieles zu erfahren. Ihm geht es darum die Welt zu erleben, sie in seiner Fantasie lebendig werden zu lassen. Er setzt sich intensiv mit der Welt auseinander und freut sich, sie immer wieder neu zu erleben. Dabei kann er das mit der Figur oder einem Charakter machen, denn beide sind in der Lage die Welt zu erkunden. Für den Entdecker ist die Figur das Werkzeug um die Welt zu entdecken und der Charakter das Werkzeug um sie zu interpretieren.

Der Socialiser strebt Kontakte und Interaktion mit anderen Spielern an.

Bei diesem Spielertypen bricht meiner Meinung nach das System von Bartel, wenn man es auf P&P übertragen will, weil Rollenspiel ein soziales Ereignis ist. Man trifft sich mit anderen Spielern und interagiert mit ihnen. Deshalb ersetze ich den Socialiser durch den Schauspieler.

Dem Schauspieler ist das Verkörpern seiner Rolle wichtig es geht ihm um das Spielen und die Interaktion mit den SLC und den anderen Charakteren der Gruppe. Er ist das was ich meistens sehe, wenn die Leute von Immersion reden. Der Schauspieler spielt seine Rolle im Spiel und das oft sehr gut. Er erreicht seine Immersion, indem er die Spielwelt wie im Theater oder Film beschrieben durch eine Tür betritt und die Außenwelt ausblendet.

Dieser Spielertypus hat bei wirklich ernsthaften Eintauchen in die Spielwelt oft das Problem, wieder aus der Rolle zu kommen, wenn die Runde zu ende ist. Ich kenne eine Spielerin die mir berichtet hat, das sie auf der Bühne beim Schauspiel mit dem Applaus und dem Vorhang aus der Rolle ist, aber beim Rollenspiel oft schlecht rauskommt. Ich versuche dieses Problem mit Ritualen und einer gemeinsamen Runde Smaltalk nach der Runde zu verhindern, was aber nicht immer wirklich gut klappt. Aber das ist ein anderes Thema.

Der Killer strebt nach Wettbewerb, Wettkampf und Konflikt mit anderen Spielern.

Beim Killer bin ich mir auch nicht so sicher, ob es ihn so ausgeprägt gibt wie bei den Computerspielen. Hauptsächlich, weil er im Konflikt mit den Gruppenmitgliedern bei Übertreibungen oft nicht lange in der Gruppe ist. Durch den direkten sozialen Kontakt mit seinen Mitspielern werden grobe Auswüchse meist recht schnell sanktioniert. Trotzdem ist der Wettbewerbs-Gedanke auf vielen P&P Spielern nicht fremd.
Deshalb bevorzuge ich den Begriff Wettbewerbs-Spieler.
Diesem Spieler ist der Wettbewerb mit seinen Mitspielern oder dem SL wichtig. Es geht ihm um Herausforderungen, Abenteuer und Problembewältigung. Ein Sieg ist diesem Spieler ohne vorausgegangenen Konflikt oder eine bewältigte Herausforderung nichts wert.
Dabei ist er nicht alleine auf das Spiel im Sinne der Regeln bedacht, sondern nimmt ach gerne den Kampf um die führende Persönlichkeit der Gruppe auf. Diese Spieler denken oft nicht nur taktisch, sondern haben auch erhebliche strategische Talente, was sie ihre Charaktere und deren Entwicklung im sozialen und regelbezogenen Bereich langfristig planen lässt.

Was ich an dem Modell von Bartle so toll finde ist die Einteilung in % Faktoren. Es gibt einen Test, der ein Ergebnis von 200% beinhaltet und bei dem eine der 4 Einteilungen maximal 100% erhalten kann. Zum Anfang habe ich immer gedacht, dass 100% nun einmal voll ist, doch die Verschiebung der Prozentzahlen steht meiner heutigen Meinung nach für das sich ständig verändernde Wesen des Spieles. Wie man als Spieler agiert hängt immer von der jeweiligen Tagesform und den äußeren Einflüssen durch die Gruppe ab. Die % Zahlen sagen in meinen Augen nur aus, wo das theoretische Maximum der jeweiligen Orientierung ist. Auf einen Tag gesehen wird man immer bei 100% nach der Einteilung landen, doch es ist halt selten ein Tag wie ein anderer und so sagen dem geneigten SL die Maximalwerte, bis zu welchem Anteil er den Spieler maximal in einer Spielrichtung drängen darf, bevor dessen Spielspaß kippt.

Leider ist es recht schwierig einen solchen Test zu bauen, aber ich würde mich wirklich mal dafür interessieren, was bei meinen Spielern so rauskommt, wenn ich so etwas entwerfen und auf sie loslassen würde.

So bleibt einem in der Praxis immer nur die Wahrnehmung und die Aussagen der Spieler. Das Problem an der Sache ist bloß, das diese Sachen immer sehr subjektiv geprägt sind und ein Test viele Sachen von Deutungen oder falschen Eigenansichten befreit.

Dazu werde ich mich aber in einem anderen Eintrag äußern.

Mein Fazit: Immersion oder das Eintauchen in die Spielwelt führt deshalb so oft zu Problemen in Diskussionen, weil unterschiedliche Geschmäcker aufeinander treffen und man versucht mit einem Wort unter einen Hut zu bekommen. Dabei tauchen die verschiedenen Spielertypen komplett unterschiedlich in die Welt ein.

7 Gedanken zu „Jörgs Gedanken zur Immersion

  1. Glaube nicht der Metagedanke, was man im Rollenspiel sucht, wirklich hilft zu verstehen wie man an seine Immersion kommt. Glaube das Immersion tatsächlich davon unabhängig ist. Immersion entsteht meist dann wenn es Spannend wird (wenn man ihn Filmen mitfiebert, wenn man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann). Die Immersion ist dabei umso höher desto mehr sie wirklich einschneidende Konsequenzen haben kann. Wenn die Entscheidungen die getroffen werden den Charakter verändern können und möglichst auch einen Einfluß auf den künftigen Verlauf des Abenteuers haben dann ist man wesentlich involvierter als wenn es egal ist wie man sich entscheidet und der Spielleiter immer einfach sein Ding macht.

  2. Diese 4 Ausprägungen als Spielertypen zu bezeichnen, finde ich ganz schön übertrieben. Es sind (vermutlich neben vielen anderen Kategorien) Aspekte des Spiels, von denen jeder Spieler viele in sich vereint. Ich persönlich finde mich in allen 4 „Typen“ zu ziemlich gleichen Teilen wieder. Also sind es vielleicht auch nur völlig beliebige Kategorien ohne Aussagekraft? Definitiv aber kann ich nicht wirklich erkennen, ob und wie das ganze beim Spiel weiterhelfen kann.

  3. Die Kategorien werden von Spieleentwicklern benutzt um Online Rollenspiel zu entwickeln und diese gängigen Spielertypen anzusprechen.

    Nur ein Spiel, das alle Typen anspricht hat Chancen auf Erfolg.

  4. Immersion an sich existiert unabhängig von Spielertypen, die in der Tat prozentual unterschiedlich sind und von verschiedenen Faktoren beeinflusst in jedem von uns vorkommen. Der individuelle und aktuelle „Spielertypenmix“ beschreibt lediglich die aktuellen Vorlieben, Motivationen und Herangehensweisen des jeweiligen Spielerindividuums. Die Immersion beschreibt dagegen ( zumindest nach meinem Verständnis ) den Grad dessen, wie tief der Spieler „drin“ ist, ins „Wasser“ der Spielwelt eingetaucht ist, um es bildlich darzustellen. Je nach aktuellem Typenmix und Stimmung im Spiel ( und am Spieltisch ) kann das gut oder schlecht funktionieren. Rein intuitiv und um das nach meiner Erfahrung mal in hypothetische Zahlen zu fassen empfinde ich einen prozentual mittleren bis hohen ( 75% +/- 10 ) „Schauspieleranteil“ gepaart mit einer Portion Routine und Lässigkeit ( von Spielerseite her ) als recht hilfreich. Das reicht aus, um andere Spieler anzustecken und ist nicht zu hoch, um Raum für andere Dinge zu lassen, die aber routinemässig meist im Background laufen. Dazu kommt dann die Arbeit des SLs. Wenn alle Teilnehmer des Gruppennetzwerks harmonisch laufen, sind die Chancen auf Kopfkino und Immersion am höchsten, welche Dissonanzen dann stöhren können, ist von Gruppe zu Gruppe verschieden.

  5. Jörg, das ist mir bekannt (habe ja auch schon an Bartle-Tests im Internet Teilgenommen). Doch zum einen scheint mir das fürs Pen & Paper Rollenspiel nicht richtig zu passen und zum anderen nicht zur Findung von Immersion beizutragen. Da sollte der Spielleiter nicht schauen was für ein Spielertyp es ist, sondern was den Spieler mit seinem Charakter verbindet, also quasi die Flaggen, und diese dann gezielt anspielen und in neuen Kontext setzen (also die Momente öffnen in denen Charakterentwicklung am Tisch passiert).

  6. Ich widerspreche Dir gar nicht Drudenfusz, in Situationen sollte sich ein SL entsprechend der Situation verhalten.

    Doch wenn es wie bei mir um die Entwicklung von Spielen geht, dann ist es wichtig zu wissen, was die Spieler so für Vorlieben haben. Ähnlich ist es, wenn man eine Kampagne oder auch nur ein Abenteuer plant. Man sollte im Auge haben, was für Spielertypen man hat und welche Herausforderungen oder Gelegenheiten sie ins Spiel eintauchen lassen.

    Es ist zwar oft so, dass so ein Plan nicht den Kontakt mit dem Spiel überlebt, aber schaden wird es nicht, wenn man es sich überlegt.

    Ichhabe einmal ein Spotlight Abenteuer für einen meiner Spieler geleitet und seinen Hintergrund darin aufgerollt. Es ist ein guter Spieler, der viel Spaß am Taktik hat, die Welt gerne erkundet und immer bereit ist andere Spieler zu supporten. Leider habe ich auf die Drama Drüse gedrückt und ihn in eine Situation gebracht, in der er mit seinen Vater über die Gefühle und die Sehnsucht nach dem Geliebten (er hat eine Frau gespielt) reden sollte. Für einen Charakterspieler wäre das die Kröhnung gewesen, aber ich habe den Spieler überfordert.

    Er konnte in dieser Szene trotz all des Dramas nicht auftrumpfen und ich habe sein Spotlight dadurch völlig entwertet. Ich war sogar sauer, das mein Plan nicht geklappt hat.

    Hätte ich dem Spieler etwas geboten, was ihn ins Spiel zieht, hätte das ganz großes Kino werden können.

    Habe ich aber nicht.

  7. Kenne solche Situationen, aber genau deshalb ist es mir dann auch wichtig wirklich mit dem Spieler über seine Interesse am Charakter zu sprechen als über grobe Spieler-Kategorien die es dann doch nie in Reinform gibt und die einem nur sehr vage was über die interessen der Spieler sagen. Wir reden hier über Immersion, die kann man (zumindest meiner Meinung nach) nicht verallgemeinern. Werde dennoch deinen Blog im Auge behalten (und auch den Thread im Tanelorn), vielleicht überraschst du mich ja doch noch und verhilfst mir zu neuen Einschichten.

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