Eure verklemmten Moralvorstellungen sind mir Schnuppe

Einer der größten Faktoren, der mich beim Diskutieren in Foren  nervt ist das Übertragen von persönlichen Moralvorstellungen oder Vorlieben auf andere User. Komischer Weise hat kaum ein Rollenspieler Probleme damit diverse Gegner in Dutzend zu erschlagen, aber wenn andere moralische Themen aufkommen, dann wird nach der Rollenspielpolizei gerufen oder den anders denkenden Spielern Perversität vorgeworfen.

Oh, was nerven solche Spinner!

Dabei kommt dann immer die gleiche Leier von Totschlag Argumenten zur Anwendung: Eine meiner Spielerinnen hat da schlechter Erfahrungen mit, einer meiner Spieler ist psychisch labil, wer so etwas spielt ist geistig nicht zurechenbar u.s.w.

Langweilig und unglaubwürdig. Da werden vermeintliche Dramen benutzt um Werbung für die eigenen Moralvorstellung zu machen und das wahre Unglück von Leuten mit echten Problemen mit Füßen getreten.

Das ist wahres Arschloch-Verhalten.

Nun ja, Themen wie sexueller Missbrauch, Gewalt gegen Kinder, Sex als Waffe oder Folter mögen nicht jedermanns Sache sein. Aber ich frage mich warum das Sendungsbewusstsein der Leute so weit geht, anderen Spieler jegliche Kompetenz im sozialen Bereich abzusprechen und zu verlangen, dass nach ihren eigenen Maßstäben gespielt wird.

Warum kommt kein souveränes: „Nicht mein Geschmack, aber wenn die Gruppe es will, dann ist es OK.“

Frage: Bringt Arnold Schwarzenegger jeden Tag im Minutentakt Leute um, schändet Götz George kleine Kinder oder Ißt Anthony Hopkins Menschen?

Nein!

Also kann man getrost davon ausgehen, dass eine Rolle die man Spielt den Spieler genau so wenig beeinflusst unmoralisch zu handeln, wie Killerspiele ihre Spieler zum Mörder machen oder das fiktive Anbeten einer Gottheit einem zum Kultisten macht. Beim Rollenspiel geht es um Fiktion und eine Rolle.

Wenn jemand also einen Serienvergewaltiger spielt und die Mitspieler da genau so wenig Probleme mit hat, wie mit dem konsequenten Ausrotten der Humanoiden im näheren Umfeld der Charaktere, dann geht es niemand anderen etwas an, was die Gruppe macht.

Es ist in solchen Fällen sogar ungebührlich, den Spielern Perversität oder Unreife vor zu werfen, wie es häufig vorkommt. Ein gutes Beispiel für die Verklemmtheit und mangelnde Toleranz so vieler Rollenspieler lässt sich in der Diskussion zu der Plünderer Klasse aus dem AC Kompendium nachvollziehen. Dor schwappt so viel sexuelle Frustration und Willen zu Verbesserung der Welt über die Macher von AC, dass ich mir die Diskussion immer durchlese, wenn ich mal wieder herzlich lachen will. Eigentlich wird das nur noch von den Rezensionen des Hetzers zu DDD und Perry Guard geschlagen.

Doch warum ist mir das alles Schnuppe?

Ich bin der Meinung das Moralvorstellungen im wesentlichen vom Kulturkreis geprägt worden sind, in dem man aufwächst. Wenn ich mit asiatischen Wertvorstellungen aufgewachsen bin oder aus dem arabischen Raum stamme, dann sehe ich Sachen komplett anders als ein Europäer. Teufel, schon zwischen Katholiken und Protestanten gibt es teilweise gehörige Unterschiede. Wenn man dann Sachen wie die Aztekische Kultur oder die Mayas nimmt, dann geht die Moral ganz andere Bahnen.

Wenn also irgend ein verklemmter Spinner im Internet meint, ich dürfte keine Sexszenen, Folterungen oder Gewaltorgien irgend einer Art ausspielen, dann ist es mir total egal.

Der einzige moralische Kompass, der für mich wichtig ist wird von meiner jeweiligen Gruppe bestimmt und das ist auch gut so, denn sonst hätte ich diverse geniale Runden nie gespielt.

Diskussion hier oder im RSP-Blogs Forum

14 Gedanken zu „Eure verklemmten Moralvorstellungen sind mir Schnuppe

  1. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, allerdings sehe ich das von dir zuletzt angesprochene Problem als viel gravierender als Spinner und Pseudoapostel im Netz: unterschiedliche Moralvorstellungen innerhalb der Gruppe. Vor allem zwischen Spieler und Meister sind die Vorstellungen da mitunter recht unterschiedlich, was noch „angemessenes“ Verhalten in kritischen Situationen ist – das Paradebeispiel ist Folter.
    Besonders unangenehm sind mir dann Situationen, wo ich als Spielleiter zwar rational sehe, dass der Charakter für solche Aktionen vielleicht wirklich gute Gründe hat (und der Spieler dann auch noch entsprechend in der Rolle ist, wirklich vom Charakterstandpunkt aus zu denken), ich aber trotzdem als Mensch sagen muss, dass es mir lieber wäre, die Helden würden das Problem anders lösen – schließlich sollen die SCs auch für mich als SL Sympathieträger sein und bleiben.
    Das ist durchaus ein Zwiespalt, den man nicht einfach lösen kann – wer will schon vorher in der Gruppe besprechen „hört mal, Folter, sinnlosen Totschlag und sexuelle Gewalt will ich nicht sehen, wer sowas spielt, fliegt raus“?

    • Ich frage nach den does und donts der Gruppe, wenn es heftiger werden soll oder beschreibe, was ich vorhabe und lasse den Spielern die Wahl.

  2. Dafür, dass es Dir herzlich egal ist schreibst du aber verdammt viel Text *g* Von der Aussage her, kann ich Dir aber auf jeden Fall zustimmen. Ich frage mich allerdings mittlerweile, warum Du soviel in Foren unterwegs bist, wo Du so oft darüber schimpfst und so selten etwas positives über sie schreibst.

    • Ich bin inzwischen gar nicht mehr so viel in Foren unterwegs. Meistens Regele ich dort Treffen zum Spielen und andere Sachen. Als Spielerbörse sind Foren nicht zu übertreffen, wer sich dort rumtreibt ist meistens erheblich besser als der 08/15 Rollenspieler.

  3. Wenn ich solche Einwände lese, geht es fast(!) immer um die Sorge, die Grenzen der Spieler richtig einschätzen zu können – insbesondere bei der Thematisierung sexueller Gewalt. Das mag in manchen Fällen überzogen sein und das „Sendungsbewusstsein“ derer, die ihr Problem zum Sozialkundeunterricht für alle machen, geht mir auch oft auf ziemlich auf den Geist.

    Es hat aber mit „Verklemmtheit“ und „Moralvorstellungen“ nun gar nichts zu tun, wenn jemand Angst hat, einen wunden Punkt mit seiner vielleicht zu harten Geschichten zu treffen. Den „moralischen Kompass“ muss man erstmal lesen können und das ist manchmal nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Naja.

    • Ich kann keinen moralischen Kompass lesen, wenn ich die Spieler nicht gut kenne. Deshalb muss ich das Thema vorher ansprechen.

  4. Ok, alles nicht so ganz ernst gemeint:
    Moral und Ethik sind schon so zwei Sachen… da wird’s ein bißchen schwieriger mit deiner „Ich bin der Nabel der Welt!“ Moralkompaßnadelfixierung… :D
    Eine weitere Möglichkeit, deinen Beitrag zu dekonstruieren, wäre es, deine Wut über das Internet genauer zu hinterfragen, die du da im Internet von dir gibst… Ô_o

    Und wo siehst du bei der verlinkten Diskussion da Moralvorstellungen, die irgendjemand aufgezwungen werden? Der eine sagt, er würde so was nicht wollen, der andere das sollte bitte nicht so ohne Bemerkungen zur Relativierung drinstehen bzw. mit „Vorsicht! Für Erwachsene!“? Geschmacklose Regel oder Regle mit Geschmäckle, hin oder her, ich seh die Diskussion da nicht als schlimm contra. Sondern eher produktiv. Oder kommt das nach Seite 3? Denn vor allem fand ich die Diskussion über Systeme die ich weder schätze noch wirklich kenne langweilig.
    Was ich allerdings nicht ganz nachvollziehen kann warum du so eine Abneigung dagegen hast, die Themen, die offensichtlich so sehr schätzt (hehe, ;) ), hinterfragt zu wissen? Und macht es nicht einen ziemlichen Unterschied, das der Text in einem Regelbuch hinterfragt wird, mehr noch die Regeln, statt der Umgang einer Hausgruppe mit „erwachsenen“ Themen? Oder dürfen die das nicht, das nicht mögen?

    Ganz Ernst gemeint: Sicher kannst du alles tun und lassen in deiner Gruppe, was ihr wollt (;)), aber wenn du es veröffentlichst, dann darfst du dich nicht über abweichende Meinungen wundern.
    Natürlich darfst du dich ärgern, aber das ist oder wäre (^_^) genau die fehlende Souveränität, die du deinen „Gegnern“ vorwirfst.

    • Das Thema MNoral schätze ich nicht wirklich im Rollenspiel. Ich will einfach spielen, was mir Spaß macht und mich da nicht für entschuldigen müssen.

      • Spielen kannst Du doch sicher ohne Entschuldigungen. Aber wenn Du es im Internet veröffentlichst, entsteht nunmal eine Diskussion, die auch nicht immer besonders klug oder höflich ist. Das worüber Du Dich beschwerst entsteht doch nicht beim Spielen sondern beim darüber schreiben und da schlägt halt das „Web 2.0“ zu.

  5. Hey Jörg!

    Schon mal in Noctum reingelesen? Ich verlinke mal ausnahmsweise auf meinen Blog: , ist sonst nicht meine Art. Aber dies ist ein Rollenspiel, das vielen aus moralischen Gründen nicht zusagen wird…

  6. Na endlich bin ich mal einer etwas anderen Meinung als der Jörg :D

    Erstmal sehe ich im Internet kaum jemanden, der seine Moralvorstellungen anderen aufzwängen will. In der Regel wird nur deutlich gesagt, dass man persönlich soetwas im Spiel nicht haben möchte (und eventuell, dass man glaubt, andere Leute würden so etwas auch nicht haben wollen). Die paar Hanseln, die tatsächlich in der von dir angedeuteten Form über die Stränge schlagen, sind bemitleidenswerte Bekloppte, quasi die Quoten-Deppen, ohne die ein Forum einfach irreal wirken würde. Dass gerade die sich in entsprechend angreifbaren Themen zusammenrotten und endlich mal eine gemeinsame Basis für ihr heuchlerisch-arrogantes Gehetze finden, überrascht mich keine Spur, weswegen ich dazu tendiere, entsprechende Themen weiträumig zu umfahren und mit meiner Meinung diesbezüglich auch hinter dem Berg zu halten um kein Öl ins Feuer zu gießen und auch – wohl aus Feigheit oder Diskussionsmüdigkeit – selbst nicht angreifbar zu werden.

    Du selbst sprichst zwar an, dass du Ablehnung diesbezüglich für verklemmte Ausreden hälst, bist aber dafür, die Themen vorher abzuklären, um keine moralischen Konflikte in der Gruppe zu generieren – Spaß mit Maß sozusagen und daher in meinen Augen absolut unkritisch. Auch wenn deine Ausholungen teilweise so klingen, als würdest du dich mit Blut beschmieren und fremde Runden mit amoralischen Spielarten des Rollenspiels zwangsbeglücken (wie ja schon im Tanelorn geunkt) wirken deine Erläuterungen dann solide und keineswegs leichtsinnig.

    In einer jüngsten Diskussion im Tanelorn zu diesem Thema (die dich eventuell zu diesem Post hier inspiriert haben mag, ich weiß es nicht) kam indirekt die Frage auf, ob ein Spieler das Handeln seines Charakters stets für moralisch richtig halten muss, ob der Charakter also stets nach unseren Werten und Moralvorstellungen handeln muss – Gott bewahre! Als könnte beim Rollenspiel niemand mehr unterscheiden, was real ist und was nicht. Und erst recht der Spielleiter, der ja immerhin bei klassisch aufgestellten Runden öfter mal die Runde des Bösen übernehmen soll – wie ist es da mit dem Realitätsverlust? Problematisch wird es imho erst, wenn die Spieler sich in RL für das Verhalten des Charakters rechtfertigen, indem sie behaupten, er wäre nur pragmatisch oder von den Umständen gezwungen statt amoralisch und böse. HEY – es ist nicht schlimm, jemanden zu spielen, der böse ist. Aber Moment mal – zu meinen, so jemand sei ganz normal oder irgendwie toll? Ich sehe da zwei Dinge: Erstens die Gruppe, die warum auch immer eine Rechtfertigung für quasi böses Verhalten im Rollenspiel überhaupt fordert oder dem Spieler das Gefühl gibt, sich rechtfertigen zu müssen und zweitens den Spieler, der dann nicht klipp und klar sagt: Leckt mich am Arsch, es ist ein Spiel und nix weiter.

    Insofern kann ich deinen Rant dann doch wieder verstehen. Verdammt. Wieder einer Meinung mit dem Jörg.

    • Hey, wenn ich mich mit Rinderblut beschmiere und die Wasserbomben damit in Aktion bringe um den Realismus (Euch fliegen gerade Blut und Gedärme um die Ohren) zu verdeutlichen, dann sind einige Spieler oft echt erschrocken.

      „Merken, genügend Plane mit zum Ein mitnehmen, sonst leider der Teppich.“

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