Nach dem Ende meiner AD&D2 Schattental Kampagne wollten die Spieler ein neues System spielen und ich sollte mein Leiten mehr auf die Story als auf die Kämpfe konzentrieren. Ich habe ein wenig gegrübelt, wie ich nach dem nicht unbedingt guten Verlauf der letzten Kampagne weiter mache.
Das Ergebnis war eine konsequente Verwendung meines Leitfadens zum Leiten und Erstellen von Kampagnen, den ich seit geraumer Zeit entwickle um ihn irgendwann mal als Buch auf den Markt bringen zu können. Ich hatte schon viele der Konzepte in dem Leitfaden ausprobiert, doch es noch nie so ganz konsequent durchgezogen, weil in meinen Runden sonst immer eine „SL mach Du das mal“ Mentalität vorherrschte oder ich für spezielle Runden, die ich spielen wollte einfach passende Spieler eingeladen habe.
Da ich jetzt mit einer bestehenden Gruppe ohne Veränderungen arbeiten will, habe ich also mal beschlossen zu sehen, wie gut meine Ideen im Verbund funktionieren.
Was wollt ihr überhaupt spielen?
Es fing also damit an, dass ich meine Spieler erst einmal fragte, was sie denn jetzt spielen wollten. Es stellte sich raus, das die Gruppe gerne wieder Fantasy spielen würde und meine Mitspielerin drückte mächtig in Richtung Artesia, weil sie sich meine Comics dazu ausgeliehen hatte. Ihre Begeisterung steckte die andren Spieler an und wir waren uns schnell einig.
Welches System wollt ihr denn Spielen?
Danach ging es dazu über, das wir uns überlegten, mit welchem System wir die Welt denn bespielen wollten. Ich bot an, das wir die Welt mit dem Original Regelwerk von Mark Smylie spielen könnten, aber das Fuzion System sagte meinen Spielern nicht so zu. Dann kam natürlich Reign von mir auf den Tisch, denn ich habe in meiner Ritter von Warwark Kampagne ja zusammen mit meinen Spieler eine hervorragende Adaption des Regelwerkes für Reign geschaffen und bin ja sowieso ein kleiner Reign Fanboy. Das System kennt die Gruppe von einem One Shot und mag es auch ganz gerne. Als nächstes kam noch Fate2 oder das Solar System auf den Tisch, welches man relativ leicht über Artesia packen könnte.
Das Solar System kannte die Gruppe auch, von Fate waren sie sogar begeistert. Leider nur solange, bis ich denn fragte, wer was für die Konvertierung machen würde. Ruhe im Zimmer und keiner hatte irgendwie Lust dazu. Mir wurde noch halbherzig eine gute Flasche Whisky angeboten, doch ich ging nicht auf den Deal ein. Wenn die Gruppe mit mir Artesia auf Fate spielen will, dann sollen sie mir bei der Umarbeitung helfen.
Damit war Fate also Geschichte und wir hatten uns auf Reign geeinigt.
Wie (Art und Setting) wollen wir es denn spielen?
Als nächstes fragte ich in die Runde wie wir die Kampagne denn spielen wollten. Die Gruppe einigte sich darauf, dass sie sich erst einmal alle die Grafik Novellen (aka Comic) zum Thema durchlesen und einen Blick auf die Welt zu werfen, wofür ich das Artesia Regelwerk als PDF an meine Gruppe verteilte und die Comics als CBR gleich mit auf die CD warf, die ich allen brannte. Mehr wollten wir bereden, wenn die Spieler sich alle die Sachen mal durchgelesen hatten.
In der folgenden Woche hatte ich eigentlich jeden Abend Besuch von einem der Spieler und die ersten Spieler fingen an, im Internet nach Informationen zum Spiel zu suchen. Einer fand ein paar Diarys zu meiner alten Kampagne im Tanelorn und war vom Inhalt recht begeistert. Er wolle gerne etwas Spielen, was so in Richtung der Ritter von Warwark Kampagne geht, sich aber erst einmal der Erkundung der Welt widmen.
Auf unserer eingerichteten Homepage zur Kampagne machte Er also ordentlich Werbung für die Ideen und gewann mit unserer Mitspielerin auch einen zweiten Fürsprecher. Die beiden anderen Spieler hatten auch noch ein paar Wünsche, aber die grobe Ausrichtung der Kampagne war klar.
Gemeinsame Ideenfindung
Jetzt machte ich Nägel mit Köpfen und verwendete eine abegwandelte Version der 635 Methode als Kreativinstrument.
Das ging wie folgt:
Die Spieler einigten auf 3 grobe Kampagnenideen, die sie vielleicht spielen wollten. Diese 3 Kampagnen wurden von mir in die erste Zeile einer Tabelle eingetragen. Für jeden Mitspieler der Runde trug ich eine zusätzliche Spalte in die Tabelle ein.
Danach wurde jeder der Spieler aufgefordert, in der ersten Reihe hinter den Kampagnenideen drei Ideen für die Kampagne zu formulieren. Jedes PDF-Blatt wurde nach einem Tag von einem Spieler an den nächsten Spieler (im Uhrzeigersinn der Sitzpositionen) per Mail weiter geleitet. Die Leute die einen neuen Zettel bekamen, sahen sich die Ideen ihres Vorgängers an und haben versucht, die Ideen aufzugreifen, zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Das Ganze ging solange, bis alle Spieler die Ideen jedes anderen Spielers gesehen und ergänzt hatten. Anschließend wurden von mir die Ideen zu den jeweiligen Kampagnen vorgestellt und wir stimmten ab, welche es in die Endrunde schaffen sollten. Die Endversionen der 3 Kampagnen wurden dann noch einmal einzeln betrachtet und die Gruppe stimmte ab, welche der 3 Ideen es denn sein sollte.
————- Erste Idee — Zweite Idee — Dritte Idee — Vierte Idee — Fünfte Idee —
Vorschlag 1
Vorschlag 2
Vorschlag 3
Aus den Ideen die bei der gemeinsamen Entwicklung rausgekommen sind, habe ich als SL dann ein größeres Kampagnenkonzept erstellt und einen Teaser für die Gruppe geschrieben um ihr zu vermitteln, wie ich die Kampagne zu leiten gedenke.
Der Teaser wurde gut aufgenommen und am nächsten Freitag machten wir unsere Charaktere fertig, Ich hatte mit jedem Spieler einen Life Path im original Regelwerk gewürfelt und ihnen dann zusammen mit den Spielern passende Charaktere nach den Reign Regeln gebaut.
Der Life Path aus Artesia regelt eigentlich die klassischen 21 Fragen zum Charakterbau aus dem Creativ Writing, doch ich habe den Spielern zusätzlich noch einmal etwas aus dem Regelwerk gegeben, um mir ein besseres Bild zu dem Charakter machen zu können.
Das sah so aus:
Name Wie er heißt und was für eine Bedeutung der Name für Dich hat.
Konzept Wer ist der Charakter und was soll er für Dich im Spiel bewirken?
Motivation Was ihn antreibt mit der Gruppe ins Abenteuer zu ziehen.
Beschreibung Größe, Gewicht, Kleidung, Marotten und Sprachweise des Charakters.
Spaß Warum es Dir Spaß machen wird, diesen Charakter zu spielen.
Charakteristika:
Verhalten bei Verlust und Misserfolg?
Was möchte er in seinem Leben unbedingt erreichen?
Wofür wäre er zum Sterben bereit?
Seine Ängste und der Umgang mit ihnen.Wo zieht er seine moralischen Grenzen?
Wie kann der Charakter sich in die Gruppe einbringen und warum macht er es?
Wie sieht sich der Charakter in der Gruppe und was für Ziele hat er in ihr?
Welchen Prinzipien folgt der Charakter und wie nachhaltig?
Worauf müssen die Spieler beim Charakter achten (does und donts).
Wichtigkeit materieller Anerkennung durch die Gruppe oder Fremde.
Beziehungen Familie, Freunde, Feinde und was der Charakter sonst so für Beziehungen hat.
Sprüche Ein typischer Spruch des Charakters ist:
Das kam einigen Leuten doppelt gemoppelt vor und mein Problemspieler (Ranger- Ranger- Magier) fing an zu monieren, das er gar nicht wissen könne, was er will und wie er spielt, solange er den Charakter nicht spielt. Er würde den Charakter erst in der Runde finden und die Fragen nicht beantworten.
Ich habe echt lange überlegt, ob ich die Antwort akzeptiere und mich dann für ein Nein entschieden. Entweder er gibt mir die Antworten auf die Fragen oder ich leite nicht für ihn. Er reichte die Informationen unter lautem Protest ein und sie waren überraschend gut.
Ich hatte also zu allen Spielern Namen, ihre Familienverhältnisse und ihre sozialen Verwicklungen. Die Spieler hatten sich untereinander gut vernetzt und kannten sich flüchtig oder waren sogar befreundet. Schon ihre Eltern sind befreundet und gemeinsam bei den Rittern gewesen. Die Kinder sollten jetzt als Knappen zu den Rittern um zu potentiellen Anführern oder Beschützern des Landes zu werden. Sie alle hatten als kleine Kinder die Wirren des Krieges mitgemacht und kamen jetzt unter die Obhut von Ser Pellus of Warwark und seiner Frau Freja Urfortias.
Damit wusste ich, wie ich mein Netz aus SLC Spinnen musste und baute mir einen Grundstock von 18 Major SLC mit Motivationen und Zielen, die meine Geschichte voran bringen würden.
Anschließend erstellte ich mir meine dreigeteilte Timeline, welche die Trigger Elemente für die Spieler bieten soll und spannte mein Handlungs- Netz auf. Das bedeutet, ich versuchte eine Art Handlungsmaschine zu etablieren, die meine Spieler mit Ereignissen versorgt und auf Trab hält.
Zusammen mit den Spielern entwarf ich dann die R-Map zur aktuellen Situation um ihnen die Beziehungen noch einmal näher zu bringen und legte mit dem ersten Abenteuer los.
Dies ist das Diary zu unser ersten Runde nach dem Schrecken im Schattental. Sie folgte nach der gemeinsamen Erstellung der Charaktere und der Kampagnen Abschnitte. Ich habe die Spieler vor dem Spiel noch einmal ihre Verbindungen miteinander besprechen