Rezension: Malmsturm, Die Fundamente (1/X)

Ich sitze hier im Rollenspielzimmer des guten Carstens in Hamburg (also nicht meinem Eigenem) mit einem gemütlichen Rollenspielregal zur Rechten, einer gewaltigen Karte von „The Empire“ (ist das aus Warhammer Fantasy?) hinter mir und einem gewaltigen Spieltisch vor mir. Es ist hier nicht besonders hell, aber gemütlich. Und der gute Carsten hat – ganz wie sein Name schon sagt ist er in Abgrenzung zu mir ja der Gute  – tapfer der Versuchung widerstanden, mir das Paket des Uhrwerk-Verlages vorzuenthalten. Und was war im Paket? Das neue „Malmsturm – Die Fundamente“, dass mir freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde.

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Epische Schlachtszene
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Leider hat der gute Carsten – trotz eines sonst gut sortierten Rollenspielregals – kein Exemplar der ersten Ausgabe von Malmsturm, so dass ich das Buch nicht vergleichen kann, etwas was ich jetzt sonst gerne täte. Aber gefühlt ist es noch schöner geworden als die Vorauflage. Sehr, sehr wertig in der Hand, ein toller Buchdeckel, Goldschnitt natürlich, Lesebändchen. Von außen moderner und professioneller wirkend. Öffnet man das Buch, riecht es zunächst nach dem für die Bindung verwendeten Klebstoff, aber nur kurz – und man betrachtet ohnehin gerade eine epische Schlachtszene aus der Feder von Björn Lensig. Offenbar kämpfen gerade von einer barbusigen Ritterin geführte Menschen gegen untote Monster. Damit ist die Stimmung schon mal klar! Sword & Sorcery – my ass. Hier wird dein Lieblingscover von Manowar nachgespielt.

So stellt sich das der Verf. vor.

So stellt sich der Verf. ein zünftiges Cover vor, dass man als Plot für Malmsturm verwenden könnte. Er ist allerdings mit Bruce Springsteen aufgewachsen und hört nichts härteres als AC/DC. Man sollte ihn daher nicht als Experten für ein Heavy Metal inspiriertes Rollenspielsetting betrachten…

Schon beim Inhaltsverzeichnis sind wir dann aber an einem ersten Kritikpunkt angekommen: Malmsturms tolles Aussehen hängt damit zusammen, das wir hier eine in Buchform gegossene künstlerische Vision in den Händen halten. Malmsturm ist nicht nur ein Rollenspiel, sondern auch die verkörperte Vorstellung  davon, wie ein ideales Rollenspielbuch so sein sollte. Deshalb das tolle Papier. Der Goldschnitt. Das Layout. Und deshalb sieht das Inhaltsverzeichnis so toll aus – und ist leider im schlecht beleuchteten Rollenspielzimmer deshalb kaum zu entziffern, weil schwarzer Hintergrund zwar toll aussieht, aber nicht für gute Lesbarkeit. Für die Nutzung am Spieltisch nicht optimal. Es sei denn, ihr seid alle unter 30, esst regelmäßig Rohkost beim Rollenspiel und spielt nur in gut ausgeleuchteten Räumen. Also: Tolles Aussehen können wir schon mal festhalten.

Genug der Form – was steht denn drin?

Nach einer superkurzen Einführung in Fate kommt etwas, was ich beim ersten Versuch noch schmerzlich vermisst habe – eine Darstellung davon, was die Malmsturmer unter Sword & Sorcery (künftig kurz S&S) verstehen. Und das ist gut gelungen, richtig gut. Macht Spaß zu lesen und regt die Phantasie an. Der kleine SL in mir will gleich loslegen. Sehr schön (dazu hörenswert – der Auftritt des Malmsturmteams im Fatecast, wo es ebenfalls und noch ausführlicher um ihr Verständnis von S&S geht).

Im Eis gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Im Eis
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Dann folgt schon Kapitel 3: Der Charakter. Ups, das ging schnell: Liegt am großzügigen Layout, aber auch am dicken Papier. Man kommt schnell voran. Auf Dünndruckpapier und in kleiner Schrift wäre das ganze gefühlt nur ein schmales Reclam-Heftchen.

In diesem Kapitel finden wir die ersten Anpassungen von Fate Core an die S&S-Vision von Malmsturm. Während Fate Core den Charakter in den Mittelpunkt stellt, ist es bei Malmsturm die Gruppe der Fokus. Sie hat ein eigenes Konzept und ein Dilemma. Sehr schön, denn die meisten S&S-Geschichten sind ja um einzelne Charaktere (Conan) oder höchstens mal ein Duo (Fafhrd & der graue Mauser) gestrickt. Um das Spiel auf eine Gruppe zu fokussieren ist also eine regelseitige Justage nötig, die hier clever angegangen wurde.

Aspektschablonen

Die Charaktere werden dann anhand eines Beziehungsgeflechts, das schon die ersten NSCs erzeugt, gebaut – sehr gut, weil man jetzt die Aspekte nicht mehr so formenstreng wie in Core (Phasentrio) nutzen muss. Und hier kommt was ganz feines: Aspektschablonen. Aspektschablonen geben vor, was man mit den Charakteraspekten machen darf: Beziehungen, Artefakte, Motivationen. Eine Schablone könnte also vorsehen: 1x Beziehung, 2x Motivation, 2x Artefakt. Mittels der Wahl der Schablone (für alle Charaktere gleich!) kann der Tisch das Feeling des Spiels ändern: Viel Beziehungen? Das wird wohl Beziehungsdrama. Viele Artefakte: Eher D&D. Malmsturm gibt hier Schablonen für zahllose Spieltypen vor. Das gefällt mir sehr gut – ganz im Gegensatz zu dem Versuch in Ausgabe 1, wo noch vorgeschlagen wurde, Epic durch lange Stressbalken zu erzeugen. Fein! Malmsturm möchte übrigens kein Charakter-Dilemma – S&S-Helden brauchen so etwas nicht; das Dilemma ist eines der Gruppe.

Hexegezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Hexe
gezeichnet von Björn Lensig, mit freundlicher Genehmigung

Die Aspektschablonen sind eine so gute Idee, dass ich sie gerne in Fate Core gesehen hätte. Respekt an die Malmsturmer – das ist Rollenspieldesign auf höchstem Niveau.

Weiter im Text: Die Fertigkeiten entsprechen im Wesentlichen Fate Core, heißen aber manchmal etwas anders, zudem ist Überleben als Wildnisfähigkeit hinzugekommen. Unspektakulär, aber eine gute Wahl.

Belohnungssystem

Ebenfalls neu ist das Belohnungssystem. Hier ist man von dem auf mich immer etwas bemüht wirkenden Erfahrungspunktesystem der Vorauflage abgegangen. Statt dessen hat man auf das Vanilla-Meilensteinsystem von Core ein weiteres Element geflanscht, dass das von mir an anderer Stelle angesprochene Problem von Fate mit Schätzen angeht: Jeder erhält fünf Slots, in die er seine Belohnungen „parken“ kann. Dabei ist es egal, ob die Belohnung ein „guter Ruf“, ein „Heiltrank“ oder ein „magisches Schwert“ ist. Jede Belohnung kann einmal wie ein frei nutzbarer Aspekt eingesetzt werden und „verschwindet“ dann. Nicht im Narrativ, aber mechanisch. Das finde ich elegant. 5 Schübe sind zwar viel, aber ein „magisches Schwert“ ist eben auch nicht in jeder Situation hilfreich – das ist eine schöne ausbalancierte Lösung, die mich überzeugt.

Es folgen eine Menge „Archetypen“. Das sind (leider) keine fertigen Charaktere (das ginge wohl auch nicht wirklich), aber eben klassische, mehr oder weniger abenteuertaugliche Positionen in der Welt, die man als Basis für seinen Charakter nehmen kann, wenn man ihn enger mit der Welt von Malmsturm verknüpfen will. Die Entscheidung für diese Archetypen erscheint mir nicht unbedingt als gelungen – sie sind nichts Halbes und nicht Ganzes, aber eben im schlimmsten Fall auch nur verbrauchtes Papier.

Dann geht es – ohne Kapitelumbruch oder sonstigen Trennmarker – auf S. 102 zu den Konflikten über. Aber ich gehe jetzt ins Bett – es wird eine Fortsetzung geben, oder auch zwei, denn das Buch hat knapp 400 Seiten.

Aber so als Zwischenfazit: Gelungen. Ein gereiftes Werk, das nicht mehr vor allem gut aussieht. Ich bin jetzt vor allem gespannt auf das Magiesystem – da ist noch mal eine Sollbruchstelle. Ist das ebenfalls so gut gelungen, dann will Malmsturm gespielt werden.

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