Das war „Romanik&Liebe“, der Karneval der Rollenspielblogs im Juli

Romantik & Liebe

Romantik & Liebe

Da ich den Karneval der Rollenspielblogs im Juli – Thema: „Romantik&Liebe“ – organisiert habe, gehört es sich auch, den Abschlussbeitrag zu schreiben. Setz dich hin, nimm dir einen Keks, das wird jetzt ein bisschen länger…

Zunächst möchte ich mich bei allen Teilnehmern bedanken. Ich bin begeistert von eurem Input. Quantitativ und qualitativ. Super! Vielen Dank, dass ihr den Karneval zu einem solchen Erfolg gemacht habt.

No Sex please

Eigentlich ist das Thema nicht einfach und ich habe auch gar nicht mit viel Beteiligung gerechnet. Denn es gibt die (vermutlich sehr große) Fraktion von Leuten, die Romantik & Liebe nicht in im Spiel haben wollen. Am lautesten vertreten hat diese Position Norbert „Misery Porn“ Matausch. Etwas differenzierter sieht das dann Belchion, der sich zwar eigentlich unwohl mit Romantik & Liebe als Thema im Rollenspiel fühlte, aber zumindest in einer abstrakten Form diese Themen vorstellen kann. Bei Belchion kommt dann aber auch eine Erweiterung des Themas zu Zuge, dass viele Autoren mit „Romantik & Liebe“ verbunden haben: Sex.

Das ist für mich nicht mehr Thema des Karnevals gewesen, aber hey: So ein Karneval ist (hoffentlich) eine Inspiration zu schreiben, und kein Korsett. Und das hat mich dann dazu inspiriert, das ganze mal auseinanderzuklamüsern: Die drei Stufen der Intensität differenziert von gefühlsfreiem Dungeoncrawl bis hin zum Erotikrollenspiel und stellt die These auf, dass man zwar Sex und Erotik besser weg lasse (orientiere dich am Mainstreamkino), ohne Romantik & Liebe aber alles irgendwie blass bleibt.

Die Gegenposition wird für mich besonders eloquent von Teylen vertreten, die wie Norbert das Thema im Rollenspiel überhaupt nicht braucht. Im Opener hatte ich noch recht flau vor mich hingewitzelt, dass „Romantik & Liebe“ ein Mädchenthema sei. Und Teylen ist nicht nur weiblich, sondern auch noch Vampire-Spielerin! Da muss doch was gehen, oder? Anne Rice! Twilight! Vampire Diaries! True Blood! Aber Teylen ist durch die harte Schule gegangen, die unser Milieu vor allem jugendlichen weiblichen Mitspielern so antut – und das scheint ihr das Thema nachhaltig verleidet zu haben:

Etwas das ich als dysfunktional erlebt habe war in freien Forenspielrunden einen weiblichen Charakter zu spielen. Das heißt man konnte keine weibliche Figur spielen ohne innerhalb kürzester Zeit mit Avancen konfrontiert zu werden. Ob man wollte oder nicht.

Kein Wunder. Kann ich dann auch verstehen, dass man den Spaß verliert.

Clawdeen hat anfangs ähnliche Erfahrungen gemacht, aber (später) dann auch positivere Beispiele erlebt. Immerhin. Aber Rollenspiel als schlecht kaschierte Anmache zu nutzen – das sollte Pfui! sein und uns alle auf den Plan rufen. Gleich die erste Lehre aus dem Karneval: Romantik und Liebe ist ein Thema, dass nur zu zweit geht. Also hol dir vorher die Zustimmung ab, dass dein Gegenüber (unabhängig vom Geschlecht und sexueller Ausrichtung) das auch zum Thema machen möchte.

Ein ganz anderes Problem hat schon wieder d6ideas gefunden: All characters are 18, even if otherwise specified, or 21 where required by law. Es geht um minderjährige Charaktere. Das wäre ja bei Sex ein (rechtliches und moralisches) Problem. Aber wir reden hier ja über Romantik & Liebe. Und wer dabei an dreckigen Sex statt an einen züchtigen Kuss denkt… der hat ein ferkeliges Gemüt. Kritik zurückgewiesen! Damit ist dann auch gleich Out of Love behandelt, in dem sich wieder d6ideas an meinem Themenvorschlag “Sex und der gute Geschmack – wo ist die Grenze zwischen Rollenspiel und Gruppenmasturbation?” stört und die prüde Herangehensweise kritisiert. Prüde hin oder her: Jedenfalls gibt es dann kein Problem mit Minderjährigen…

Gibt es in Kuslik schwule Hafenkneipen?

Apropos sexuelle Ausrichtung: Und dann war da noch mein Themenvorschlag: „Sind wir reif für schwule Charaktere und NSCs?“ Das war gleichzeitig bereichernd und ein Fehler. Mir wurde vorgeworfen, mit der Frage auszugrenzen. Ob ich jetzt damit Schwule, schwule Rollenspieler oder wen auch immer ausgegrenzt habe, ist mir noch nicht ganz klar – aber natürlich (und diese Teil der Kritik muss ich akzeptieren) habe ich „in Frage gestellt“, das Schwulsein völlig normal und überall völlig akzeptiert ist. Dafür habe ich ordentlich Kritik eingesteckt, die eine Zeitlang den Karneval überschattet hat. Natürlich war meine Intention nicht, Schwulsein als unnormal darzustellen, sondern das Ob und Wie unseres Umgangs mit dem Thema im Rollenspiel bzw. durch uns Rollenspieler zu beleuchten. Aber gut gemeint ist eben nicht immer auch gut gemacht.

Aber auf der Plusseite hat mich das dazu gebracht, einen lieben Freund um einen Beitrag zu bitten, der sich mit dem Thema auskennt. Das ist etwas, was ich sonst vielleicht nicht gemacht hätte (also aktiv um Beiträge bitten), aber ich fand dass es nicht sinnvoll ist, über das Thema nur in der Form zu reden, dass überhaupt darüber zu reden irgendwie ausgrenzend ist. Sein Beitrag und die Kommentare dazu haben mir dann gezeigt, dass wir offenbar auch in diesem Bereich sinnvoll diskutieren können und wir wohl doch noch ziemlich unterschiedliche Formen des Umgangs gefunden haben – von „findet bei uns nicht statt“ bis „bei uns ganz normal und regelmäßig ein Thema“ war bei den Kommentaren alles dabei.

Ich fand nicht nur den Beitrag selbst, sondern auch die anschließende Debatte ausgesprochen bereichernd – aber auch schwer zu verfolgen, weil sie sich auf so viele Standorte verlagerte. Und wenn ich als SL mal einen schwulen NSC brauche, dann finde ich im Beitrag auch gleich ein paar Tipps dazu. (Zweite Lehre des Karnevals: Schwulsein ist nicht abendfüllend.)

Aventurien ist als ungewöhnlich tolerantes Pflaster bekannt, deshalb spielt sich viel der Diskussion auch in diesem Kontext ab. Graues Auge weist auch genau darauf hin, dass DSA bunt ist.

Warum ich jetzt gerade über schwule NSCs im Einladungsbeitrag nachgedacht habe, ohne über lesbische Figuren zu reden: Ich weiß es nicht. Dank blut_und_glas bleiben sie nicht unerwähnt. Und er (der als erster die Kritik an meiner Frage im Bezug auf schwule NSCs formuliert hat) kommt kritikfrei damit durch, das Thema „lesbische Liebe“ mit einem Beitrag zu behandeln, der unter dem Titel „We Are Lesbian Strippers“ steht. Life can be so unfair.

Liebe machen: Oder wie ich über Gefühle reden wollte, aber Frauen denken ja nur an Sex

Gloria, da gucke ich dich an! Aber gelungen ist er, Glorias erschreckender Bordell-Baukasten, und dann hat sie ihren Liebsten mit Würfeln an den Text gesetzt, und den Selbstversuch aufs Blog gebracht. Den Ghoultunnel (obwohl IIRC männlich) hat das zu seinem ersten Artikel seit einem Jahr inspiriert. Aber dann kann ich wohl eher Gloria als mir auf die Schulter klopfen, denn auch er sieht die erotische Seite mit dem fantastischen Freudenhaus.

Drama, Baby!

Das dramatische Potenzial von Romantik & Liebe hat zuerst JollyOrc aufgegriffen. Klar, Christian ist aber auch meine erste Wahl, wenn ich was dramatisches im Rollenspiel ausprobieren will – als ich zum ersten Mal Monsterhearts geleitet habe, war er mein Rettungsanker, weil ich wusste: Mit ihm hab ich jemand in der Runde, mit dem ich so etwas spielen kann und der den anderen Spielern zur Not vormacht, wie das geht. Und mein Gott, das war eine grandiose Runde! So geflashte Spieler hatte ich schon lange nicht mehr…

Das dramatische Potenzial erkennt auch die Papierheldin. Sie zeigt an einem Beispiel, wie unglaublich bereichernd romantische Gefühle sein können, gerade in Actionszenen.

Neue Abenteuer macht die dramatische Bedeutung von Romantik & Liebe am Beispiel von Wraith deutlich. Da kann man nur sagen: Ja. Geister gehen ohne nicht, denn die brauchen ja nun mal übermäßig intensive Erinnerungen, um überhaupt als Geist zu existieren. Und Liebe ist das intensivste Gefühl überhaupt und zumeist Basis für die ebenfalls bei Geistern gerne gewählten Gefühle „Rache“ und „Verlust“.

Blade Runner Filmposter

Blade Runner
warnerbros.com

Romance is also part of living on the edge: Bei Cyberpunk denken viele Leute an Waffen, die etwas beleseneren an Dystopie. Aber schon die Referenzwerke (der Roman „Neuromancer“ von William Gibson und der Film „Blade Runner“ von Ridley Scott) gehen natürlich nicht ohne Romantik. Deckards Liebe zu einer mechanischen Puppe, einem Androiden, der/die/das von sich denkt, sie sei eine Frau. Romantik? Klar. Liebe? Klar. Und Cyberpunk 2020 hat nicht nur Attraktivität als Attribut, sondern auch noch die fantastische Lifepath-Generierung, die einem mit zahlreichen Ex-Liebhabern als Abenteueraufhängern ins Spiel entlässt. Hatte ich fast vergessen… Aber der Beitrag ruft es zurück.

Sind Rollenspieler nicht schrecklich schüchtern?

Einige schon. Ich zum Beispiel. Und wenn der Spieler schüchtern ist, dann ist es schwer, seinen PC davon zu lösen. Mir wurde der Zugang zum Thema durch Niniane, aka Dr Hoo, auf den Tanelorn-Treffen möglich gemacht. Und weil das so viel Spaß macht, mit ihr zu spielen, haben wir uns gegenseitig Fragen zum Thema Romantik & Liebe gestellt – und einige davon öffentlich beantwortet:

Meine Antworten auf die Fragen der Dr. Hoo: Frage 1, Frage 2, Frage 3, Frage 4Frage 5, Frage 6, Frage 7 und Frage 8

Und ihre Antworten auf meine Fragen: Frage EinsZwei, Drei, Vier, Fünf und Sechs.

Und wenn es schief geht?

Dann geht die Welt nicht unter. Sal hat ein paar unterhaltsame Anekdoten beigesteuert, die das beweisen. Ein bisschen schwieriger einzuordnen ist diese Aussage: Romantik ist das Minenfeld des Rollenspiels. Ob das jetzt (wie offenbar in den Kommentaren angenommen) eine Absage an das Thema ist, oder nur eine Überlegung zum richtigen Umgang mit den – von den Medien unrealistisch verformten – Vorstellungswelten der Mitspieler, ist mir nicht so ganz klar geworden.

Mr. Misfit hat auch durchwachsene Erfahrungen am Spieltisch gemacht – bis hin zu einer Trennungsszene, die eine Spielerin in Tränen zurückließ. Hätte ich jetzt vielleicht toll gefunden – aber nur wenn die tränenvergießende Spielerin auf sowas auch steht. Er ruft zur Mäßigung auf – Romantik ja, aber nicht zu sehr im Fokus. Weitaus positiver schildert es uns Gareth Brennt, der sich Romantik und Liebe als Dramakatalysator kaum noch aus seinen Runden wegdenken kann.

Abenteuer, Rezis und andere Nutzanwendungen

Es soll ja Rollenspielblogger geben, die auf spielbares Material wert legen und nicht nur theoretische Gedanken zu Papier bringen…

Abenteuer, bei denen es um Romantik & Liebe geht: Gleich fünf davon gibts bei Greifenklaue. Das davon eines für Pendragon geschrieben wurde (wo Romantik, Liebe und Minne schon immer ein Thema war), verwundert nicht. System Matters hebt deshalb auch noch ein paar Schätze aus dem eigenen (bereits anderweitig veröffentlichten Material).

Eine Martial Class für D&D5 steuert d6ideas bei – der Charakter kriegt Boni durch feine Minne. Top, Thema getroffen!

Von Clawdeen gibt es eine Videorezi zum Quellenbuch „Strange, dead love“ für nWoD.

d6ideas hat noch ein paar andere systemspezifische Sachen im Angebot: Die New Commanding Officer Personality für Warhammer 40k, eine Zuordnung des Aussehens nach Attribut/Charakterklasse für D&D5 (aber sehen dann nicht immer alle toll aus?), eine mörderische Manchine, die von dem Wunsch getrieben wird, begehrenswert auszusehen für SLA Ind., Talente für Red Star und eine Regel für Beutelschneider, bei der Liebende einen Bonus erhalten können. Trotz Punktabzug wegen mangelnder Begeisterung bezüglich meines Eingangstextes kann man die Produktivität dieses Blogs nicht genug loben. Rock on!

Schwer in einen Abschlusstext einzuordnen (weil es keinen anderen vergleichbaren Beitrag gibt) ist Teylens zweiter Text, ein Bericht über Gender Patches, die in einem Larp verwendet wurden, um die korrekte Anrede der Spielfiguren (er/sie/es) zu garantieren. Wie man Romantik und Liebe im LARP behandelt wäre sicherlich sehr spannend für diesen Karneval, weil man bestimmt etwas daraus lernen könnte.

Romantik & Liebe – mal anders.

Romantik – die einen denken an Herzchenketten und kitschige Sonnenuntergangsposter, die anderen an Friedrich Schlegel oder Grimms Märchen. Herr Littelmann ist eher einer der letztgenannten und ordnet das Rollenspiel als Ganzes in die Romantik ein. Und wortgewaltig ist er auch noch. Sein Blog ist jetzt bei rsp-blogs.de gelistet und ich hoffe dort kommen bald die nächsten Artikel. Um euch anzufüttern:

Ich fürchte, das war so nicht gemeint, aber ich muss es trotzdem loswerden, denn es betrifft den innersten Kern dessen, was ich liebe und weswegen ich rollenspiele: Romantik.

Jawohl. Und zwar nicht die Romantik mit Geigenregen und André Rieu, der auf einem Rosenblatt spielt, sondern die andere, die aus dem Deutschunterricht. Die Romantik, die Heine so liebte, C. D. Friedrich, Novalis. Später Tolkien, Ende und all die anderen Fantasten, die Weltflucht, die Märchen, Drachen, Ritter und verwunschene Seen. Der traurig-hoffnungsvolle Traum von einer Zeit, in der möglicherweise noch alles gut war, in der die Wälder noch standen und in ihnen unglaubliche Schrecken und Schönheiten lauerten. Die vage Vorstellung, dass es noch etwas anderes geben könnte als unsere dreckige, hässliche und desillusionierte Welt. Romantik.

Engor betreibt eigentlich ein DSA-Blog. Und statt mit Herrn Littelmann Aventurien auf Einflüsse der Romantik (und die gibt es!) zu untersuchen, liebt er ganz einfach das Spiel selbst… und ist das nicht das wichtigste?

Fazit

Auch wenn ich ohne die (selbstverschuldete) Kontroverse hätten leben können (und das gilt wohl auch für blut_und_glas, der sich auf d6ideas ganz schön an meinem Einladungsbeitrag abgearbeitet hat und wohl (vielleicht deshalb) auch zeitweise die Lust am Karneval verloren hatte) war der Karneval für mich ein großer Erfolg. Viele Beiträge aus vielen Blickwinkeln, gute und schlechte Erfahrungen mit dem Thema, vehemente Befürworter und solche, die einfach nur mit ’nem Bier in der Hand zusammen mit ein paar Kumpels in Ruhe 1w6 Orks den Kopp abhauen wollen während die werte Gattin beim Pilates ist – es gab sie alle. Es ist eben doch ein emotionales Thema.

Und was habe ich gelernt?

  1. Es ist kein Thema für jeden. Also frag vorher nach. Das ist vielleicht für deinen Geschmack zu meta, aber die beste Immersion hilft dir nichts, wenn du deinem Gegenüber die Spielrunde ruinierst: „Mein Charakter liebt Deinen – da kann man nichts machen, der ist halt so“ geht gar nicht.
  2. Keusche Minne geht eher, wenn ihr das Thema Liebe mal ausprobieren möchtet.
  3. Tu nix, was im Kino eine Altersfreigabe auslösen würde. Selbst wenn du ziemlich sicher bist, dass die anderen das auch wollen – tu es nicht, bis du absolut 101% sicher bist.
  4. Wie vielen Leuten macht es Spaß, wenn du eine romantische Szene hast? Und wie viele sitzen am Tisch? Wenn die beiden Zahlen nicht identisch sind, sollte es dir was sagen. Wenn es um Gefühle geht, gibt es keine Initiativreihenfolge. Du monopolisierst also das Spotlight für dich. Das müssen die anderen am Tisch mittragen. Das geht am ehesten, wenn sie auch Spaß an solchen Szenen haben und ihr eine kleine Gruppe seid.
  5. Probier es aus: Selbst wenn du „Romantik und Liebe“ nur am Rande einbringst bereichert es das Spiel.

Nach dem Karneval ist während des Karnevals. Der neue wird von Greifenklaue organisiert und steht unter dem Thema „Liebe (zu glitzernden Gegenständen)

2 Gedanken zu „Das war „Romanik&Liebe“, der Karneval der Rollenspielblogs im Juli

  1. Ich hatte ja zu beginn den Eindruck, es würde hauptsächlich nur negatives geschrieben werden, aber ich muss erfreut feststellen das mein Eindruck täuschte. Ein sehr schöner, inspirativer Karneval – mit sehr vielen sehr interessanten Beiträgen, hut ab an die Teilnehmer.

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