Magie im Rollenspiel (Ein Kommentar zum Dorpcast 74)

Dorpcast

Dieser Beitrag wurde von dem Dorp-Cast zum Thema Magie inspiriert, in dem sich Thomas Michalski und Scorpio über Magie unterhalten. Man merkt ihnen an, dass es der 74ste Podcast ist, den sie zusammen machen: Sehr routiniert, sehr eloquent und gut vorbereitet.

Aber in mir reift die Erkenntnis, dass die beiden vom Spielertypus (oder auch Spielleitertypus) meinem nicht entsprechen. Deshalb fehlt in der Betrachtung das ein oder andere, dass ich eingebracht hätte, hätte man mich eingeladen – was dem Podcast bestimmt gut getan hätte :) (Den Fehler, mich einzuladen, haben schon die Teilzeithelden, und Ausgespielt gemacht; vermutlich hat sich jetzt rumgesprochen, was dabei rauskommt, und ich werde nie wieder eingeladen…)

1. Regelmechanik

Der Antagonismus zwischen Regeln für Magie und Magie als Storyelement wird von den Dorplern an den Perspektiven von Thomas Römer und Hadmar Wieser dargestellt. Das ist naturgemäß ein schwieriges Thema für jemanden, der sowohl mit Hadmar als auch mit Thomas befreundet ist und den ganzen alten DSA-Kram nicht kennt :) Aber Hadmar, den ich erst kennenlernte, als er schon lange nichts mehr mit DSA zu tun hatte, ist (genau wie Thomas auch) sehr an innovativen Regelelementen interessiert. Wir haben Fiasko[1. Ja, in einer Runde haben die DSA-Altvorderen Hadmar Wieser, Lena Falkenhagen, Thomas Römer und Tom Finn mit mir Fiasko gespielt. Und es hat gerockt :)], Hollowpoint und einige PbtA-Sachen zusammen gespielt, und er hat eine eigene Fate-Runde aufgezogen. Thomas mischt noch immer aktiv an Rollenspielen mit, u.a. an Splittermond. Wir reden also bei den beiden nicht über Dinosaurier aus einer dunklen Zeit des Rollenspiels, die heute nur noch in Museen bewundert werden können, sondern um Leute mit absurd weitem Erfahrungshorizont und bewundernswerter Tiefe. Beide sind sich im Klaren darüber, welche Folgen ihre jeweiligen Präferenzen auf das Spiel haben.

Das vorweg: Als Spieler und Spielleiter bin ich ein schlimmer Regelfanatiker. Um es mit den Begrifflichkeiten des Podcasts zu sagen: Ja, die Regeln sind die Physikengine des Spiels. Sie stecken aber – und das ist für mich wichtiger – auch das Herrschaftsgebiet des Spielers ab, in dem dieser frei von der sonst üblichen Macht des SLs, die Wirklichkeit zu definieren, handeln kann. Wenn mir die Regeln sagen, was ich würfeln muss, damit ich eine Schlucht von 3m Breite überspringen kann, dann bestimme ich (zusammen mit den Würfeln), ob es mir gelingt. Ein Eingreifen des SL in die Regelanwendung ist in meinen Augen unzulässig – er kann mich nicht hindern, die Regel und ihre Folgen zur Anwendung zu bringen. In Rollenspielen mit einer Herausforderungskomponente (z.B. D&D und seinen Abkömmlingen) ist das für mich entscheidend wichtig. Da will ich mir auch nicht reinreden lassen. Das Magiesystem aus „Buffy“, bei dem Zauber nur dann zur Verfügung stehen, wenn der SL sie gerade zulässt, wäre für mich als Spieler nichts.

Andererseits bin ich der Ansicht, dass Magie als Wissenschaft langweilig und traurig ist (und viel zu sehr wie mein Bürojob). Magie ist dann toll, wenn sie fantastisch ist – und je berechenbarer sie ist, desto weniger fantastisch ist sie in meinen Augen. Andererseits will der Powergamer in mir natürlich, dass mein Magier auch rockt. Ich will die Pforten zur Hölle eintreten und die Dämonen herausreißen und dazu zwingen, meine Feinde zu bekämpfen und nicht at-will 1w6+2 Schaden machen. Und trotzdem muss Magie so stattfinden, dass dein Krieger ebenso cool ist wie mein Magier!

Das ist schwierig in Einklang zu bringen. Ein paar spannende Ansätze gibt es bei John H. Kim[2. Den Link verdanke ich einem Kommentar zum o.g. Podcast].

Aufgelöst habe ich das Dilemma für mich mit dem Magiesystem von Fate, insbesondere der Ausprägung, die es in dem Dresden Files Rollenspiel erfahren hat. Wichtig ist aber, dass Fate ein kooperatives Spiel ist – also Storytelling statt herausforderungsorientiertem Dungeoncrawl. Bestimmte Aspekte des oben gesagten gelten hier also nicht, weil die Herausforderungskomponente (Spieler GEGEN den Dungeon) wegfallen.

Bei Fate fällt jede Anwendung der Regelmechanik unter eine der vier Aktionen „Überwinden, einen Vorteil erschaffen, Angreifen oder Verteidigen“[3. http://srd.faterpg.de/index.php/fate-core/aktionen-und-ergebnisse/vier-verschiedene-aktionen/]. Folglich kann auch das Anwenden von Magie nur unter eine der vier Aktionen fallen [4. Es kommt also mehr auf das Ziel des Spielers an, als auf die Handlung. Ein Feuerball kann ein Angriff sein, oder auch ein „Vorteil erschaffen“, je nachdem um was es dem Magier geht: Will er Schaden machen (dann Angriff) oder mit dem Feuerball etwas in Brand setzen oder verhindern, dass jemand durch die Tür kommt (dann Vorteil erschaffen). Will er die Eiswand des Gegners negieren, ist es Überwinden, den gegnerischen Feuerball kontern, dann verteidigen.] Das lässt es weitgehend offen, wie man konkret das Vorgehen beschreibt und macht Magier insoweit (wenn der Spieler es will und kann) interessanter und spannender. Ich kann also den Konkretisierungsgrad der Regeln noch weiter reduzieren als der im Podcast erwähnte „Magische Angriff“ bei Savage Worlds, der durch Trappings modifiert werden kann. Denn dieser Zauber bleibt ein Angriffszauber mit „Skin“ – mein Fate-Feuerball ist interessanter, weil ich alles damit abbilden kann und deshalb auf der Ebene der Erzählung mehr Spielraum habe. Ich beschreibe also frei, weil die Regeln erst einsetzen, wenn es um eine der vier oben genannten Aktionen geht. Das macht einen erheblichen Unterschied zur Spruchmagie nach Art von DSA oder D&D, wo die Effekte eines fest definierten Spruches genau festgelegt sind – hier bestimmt die Wahl des Spruches das Narrativ.

Allerdings will ich nicht verschweigen, das mit dieser Freiheit einige Spieler auch Probleme haben, die lieber zwischen festen Sprüchen (Stichwort: „Problemlösungscoupon“) wählen oder einen gewissen creative constraint brauchen – sei es, sich besonders clevere Anwendungen für eigentlich nicht so gemeinte Sprüche auszudenken (D&D) oder eben durch Beschränkungen (auch freier Systeme wie Ars Magica) in ihrer Kreativität angeregt zu werden. Letztlich gibt es Spieler, die ein System wie Fate (aber auch Savage Worlds) als störend empfinden, weil die Erkennbarkeit der Mechanik (auch Meta-Anteil geschimpft) sie in ihrem Spiel stört. Wir reden hier also über meine Präferenz, nicht über eine Wunderwaffe.

2. Geschmack

In dem „Matthew Swift“-Zyklus von Kate Griffin (Der erste Band heißt „A Madness of Angels“[5. Kein Meisterwerk der Urban Fantasy, aber sehr lesenswert.]) beherrscht der Protagonist eine bestimmte Sorte Magie, die ihre Quelle in der Urbanität seiner Umgebung findet, ist aber auch auf diese Form der Magie beschränkt. Ein Beispiel ist eine Szene, als Matthew von einem Monster verfolgt wird. Er schützt sich, indem er den Bereich des U-Bahnhofes betritt, den man nur mit einer Fahrkarte betreten darf. Die soziale Konvention (also das Verbot des Schwarzfahrens) hindert in seinem Fall (magisch verstärkt) das Monster (auch ohne „offensichtliche“ Anwendung von Magie) ihm zu folgen, weil es ja keinen Fahrschein vorweisen kann. Er kann auch mit Tieren kommunizieren, aber nur solchen, die in der Stadt leben, und bestimmte Traditionen der Stadt erzeugen magische Einflüsse. Die Karnevalsumzüge in Köln z.B. wären sicherlich mächtige Magie in diesem Universum. Extrem schwer abzubilden und sehr anspruchsvoll für die Spieler, wenn man nicht eine abschließende Liste erzeugen möchte, aber toll und sehr stimmungsvoll. So z.B. wünsche ich mir mein Magiesystem – und sollte ich mal jemanden finden, der Dresden Files für mich leitet (Susi?), dann wird mein Charakter so ein Stadtmagier.

3. Magie und Storytelling

Die große Auslassung des Podcasts für mich war der Einfluss von Magie auf die erzählte Geschichte. Eingegangen wurde nur auf die Schwierigkeit für den SL bestimmte Abenteuerformen anzubieten, wenn es für die Spieler einen Zauber gibt, der quasi das Abenteuer löst. Im konkreten Fall ging es um Ermittlungsabenteuer in einem Rollenspiel, dass Zauber wie „Zone der Wahrheit“ kennt, innerhalb derer die Betroffenen nicht die Unwahrheit sagen können.

Ich will mehr drauf hinaus, dass ein Regelwerk, dass vor allem Kampfzauber kennt, natürlich vor allem Kämpfe produziert; eines, dass mir erlaubt in die Höllendimensionen zu reisen hingegen es zu etwas „normalen“ macht, die Hölle zu bereisen. Ist der Besuch der Hölle quasi vorgesehen, gibt es kein Abenteuer mehr, in dem die Suche nach dem Zugang zur Hölle eine Queste wäre; das kann gut oder schlecht sein, es macht jedenfalls einen Unterschied in der Art der mit den Regeln erzählten Geschichten aus.

Auch der Zugang zur Magie ist für mich für das Spielgefühl wichtig: Kann jeder Bauer einen Regenzauber, oder ist Magie auf eine bestimmte Klasse beschränkt (überspitzt Splittermond vs DSA)? Ist Magie normal (Greyhawk) oder wird man als Hexer verfolgt (Ars Magica)? Da definiert die Magie enorm die Art der Charaktere, die ich spielen kann, aber auch ihre Besonderheit und Macht.

4. Fazit

In der Magie ist noch eine Menge Musik. Und aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit den Geschichten, die durch sie ermöglicht oder ausgeschlossen werden und ihrer oft engen Verknüpfung mit einem Setting bleibt Magie auch spannend, wenn man für sich die Frage nach dem perfekten Regelwerk geklärt hat.

Ein Gedanke zu „Magie im Rollenspiel (Ein Kommentar zum Dorpcast 74)

  1. Ich glaube, wir kämen von Stil her sehr gut miteinander aus. Mit Fate Magie bin ich sehr glücklich gewesen. Die Trappings von Savage Worlds sind mir da zu offensichtlich nur Beiwerk zu hartem Taktik Kern. Und mit der DSA4 aufwärts Magie kann man gerade mal gut Bücherwurm Magier abbilden, die dafür umso besser. Jedenfalls für meine Spielbedürfnisse wohlgemerkt.

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