Wird Jörg.D etwa ein Erzählonkel?

Die Frage kommt nach meinen letzten Runden immer prominenter auf mich zu und sie macht mir ein wenig Angst. Ich habe in letzter Zeit darauf geachtet mehr zu spielen um über die Spielleiter zu sehen, wo ich denn mit meinem Leiten stehe und was sie denn besser machen als ich.  Dabei sind mir glücklicherweise große Enttäuschungen erspart geblieben und ich habe einen Haufen netten Kram kennengelernt.

Vor allem aber habe ich  mal auf die Besonderheiten der Spielleiter geachtet und versucht daraus Verbesserungen für mich selber abzuleiten und vor allem zu sehen wie ich mein Spiel bei ihnen verbessern kann.

Da ist Zum Beispiel ein SL,  der seine Szenarios sehr liebevoll vorbereitet und dann langsam aber sicher in Fahrt kommt. Das mit dem in Fahrt kommen ist unglaublich gut, wenn man die Zeit hat, aber was wenn es ein wenig knapp wird? Ich muss mir merken, für seine Runden einfach mehr Zeit einzuplanen und ihn auf gar keinen Fall mehr nach anderen Spielleitern oder in einem begrenzten Zeitrahmen zu buchen.

Ich habe mir überlegt, was für einen Vorteil ich aus so einem langsamen Aufbau der Stimmung ziehen könnte und festgestellt, dass ein langsamer Spannungsaufbau zu erheblichen Vorteilen bei der Atmosphäre führt. Das Spiel wird intensiver und der Höhepunkt am Ende kann wie ein Orkan über die Spieler fegen. Trotzdem bemerke ich beim langsamen Aufbau einer Geschichte immer wieder wie dieses Prinzip mich dazu verleitet in Bahnen zu denken und weniger auf die Freiheit meiner Spieler zu achten. Ich nehme ihre Ideen und Anregungen via Plotpunkten und erschaffenen Fakten im Aufbau auf um sie in meinen Plot zu bringen und fange am Ende an, mich zu ärgern wenn die Spieler beim Aufbau des Finales kreativ werden.

Verrückt oder?

Das muss ich mir immer wieder reinziehen,  bring dich bitte am Anfang ein lieber Spieler aber wenn Jörg zum Finale ansetzt, dann halt doch bitte deine Fresse?

Fange ich demnächst auch noch mit Railroading an?

Ganz im Ernst ich verstoße hier gegen eine der grundsätzlichsten Sachen die ich an meinem Leiten immer als Fixstern gesehen habe. Ich will keine Geschichte erzählen, sondern die Spieler eine Geschichte gestalten lassen und selber Spaß dabei haben sie zu erleben. Wenn ich meine neuen Anwandlungen als SL sehe, dann werde ich zu dem, was ich immer verachtet habe einem SL, der seine Spieler nur als Darsteller nutzt und die Geschichte sonst rigoros steuert und manipuliert.

Dabei ist es doch so einfach.

Der Höhepunkt einer Story im Rollenspiel war bei mir bis jetzt meistens am Ende, wenn der Kampf gegen den Endgegner zusammen mit  dem Erlebten einen optimalen Höhepunkt ergibt. Die Spannung in dem Endkampf kam aus dem persönlichen Drama der Spieler/Charaktere welches sich mit der jeweiligen Handlung des Tages und dem spannenden Kampf zum Höhepunkt steigerte. Diese Kombination hatte für mich immer den Vorteil, dass man beim Ausfall von einem der Elemente immer noch mindestens zwei Spannungsträger hat. Wenn der Kampf durch Würfelglück zu schnell zu Ende ist, dann bleiben immer noch zwei Sachen um einen würdigen Abschluss zu erzeugen und andersrum.

Aber warum will ich das nicht mehr?

Ich pflege immer zu sagen, wenn einer eine Geschichte erzählen will, dann soll er bitte ein Buch schreiben und nicht ein Rollenspiel leiten. Die Stärke des Mediums Rollenspiel kommt für mich aus der Kombination von Rolle, Spiel und Geschichte. Wobei ich bis jetzt immer der Meinung war, dass eine Geschichte beim Rollenspiel erst im Nachhinein als solche erkannt wird. Quasi der Grundsatz, dass sich aus den Handlungen der Charaktere und NSC nach dem Spiel eine Geschichte ergibt. Doch eben dieser Grundsatz geht bei mir immer mehr flöten und ich weiß nicht ob das wirklich gut für mein Leiten ist.

Pervertiert der Fokus auf die Geschichte mein Leiten?

Ich habe keine Ahnung, denn eine gute Geschichte lehnen die wenigsten Spieler ab, mit denen ich spiele. Sie geben sich mit ihren Charakteren immer Mühe eine in sich stimmige und plausible Geschichte zu erzeugen und verwenden die Macht die ich den meisten Spielern im Rahmen der Plotpunkte zur Verfügung stelle weise und zum Wohle einer besseren Geschichte. Trotzdem komme ich vom persönlichen Geschmack her immer mehr zu dem Schluss, dass ich diese Einmischung auf der Meta-Ebene im Finale nicht mehr will. Dort geht es mir um persönliches Drama und flüssiges Spiel, das in Kombination mit den Würfen der Spieler einen möglichst anspruchsvollen Höhepunkt des Spieles ermöglicht. Eingriffe auf der Metaebene stören mich da neuerdings und ich bin ernsthaft am überlegen, wie man diese Eingriffe beim zusteuern auf den Höhepunkt mechanisch abstellen kann ohne mich der Vorteile im Aufbau der Geschichte zu berauben.

Ist das nicht ein wenig paradox?

Ich will einerseits den Einfluss und die Ideen der Spieler um mein Konzept des Abenteuers mit mehr Substanz und der kreativen Energie der Spieler zu verbessern aber anderseits im „Grande Finale“ bitte keine Einmischung mehr, weil das Wechseln auf die Metaebene den Spielfluss stört und das Rollenspiel untergräbt. Bei Abenteuern in denen der Fokus hingegen auf dem Kampf und der Erkundung der Welt liegt stört mich das späte Eingreifen und der damit verbundene Wechsel überhaupt nicht.

 

Fazit:

Ich bin wieder einmal an einem Scheideweg, was mein Leiten angeht. Ich pendle immer zwischen den verschiedenen Stilen des Leitens und weiß um diese Problematik. Doch wenn ich für meine Spieler berechenbar bleiben will, dann muss ich einen Weg finden mich mit ihrem Einfluss auf die Geschichte anzufreunden oder Systeme spielen in denen es diese Möglichkeit des Eingreifens nicht gibt.

3 Gedanken zu „Wird Jörg.D etwa ein Erzählonkel?

  1. Hallo Jörg, eine Vermutung: Korrelliert dein Bedürfnis, die Story selbst in die Hand zu nehmen, vielleicht mit einer Unzufriedenheit mit dem, was die Spieler einbringen? Du bist ein ehrgeiziger Spielleiter mit einer starken kreativen Vision. Du willst Spieler, die deine Vision verstehen, die mit dir an einem Strang ziehen, und dabei richtig abrocken. Wenn du das nicht kriegen kannst, dann machst du es lieber alleine, ehe andere es versauen. Und es gibt ja auch viele Spieler, die das dankbar annehmen. Nur dich wird es fürchte ich nie ausfüllen.

    • Ich denke ich habe den Weg inzwischen gefunden. Ich verzichte auf Plotpunkte.

      Wenn meine Spieler etwas bereißen wollen, dann müssen sie sich einbringen und können nicht den einfachen Weg via Plotpoint wählen. Damit werde ich zwar mehr gefordert, aber die Handlung gewinnt an Substanz und ich habe mehr Planungssicherheit.

      In meiner aktuellen Reign-Artesia Kampagne weiß ich noch nicht im Geringsten, wie sie sich entwickeln wird. Es sollen in sich geschlossene Abenteuer werden die im Nachhinnein eine gute Geschichte ergeben und ich lasse mir Zeit die Story und die Charaktere langsam aufzubauen.

      Deshalb steht das Drama zur Zeit auch nicht im Vordergrund, sondern das Kennenlernen der Charaktere und die Verknüpfung mit den SLC und NSC, welche im Rahmen des Baroniespieles immer wieder neue Handlungsansätze an mich herantragen.

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