Leiten und was man von Serien lernen kann

Dieser Beitrag bezieht sich darauf wie ich mich beim Leiten von Kampagnen von Serien im Fernsehen inspirieren lassen habe und warum ich das Genre der Serien als besser geeignet für eine Adaption im Rollenspiel halte als den klassischen Weg der Heldenreise nach Vogeler.

Zum Anfang eine Klarstellung: Jeder SL hat einen seinen eigenen Stil den er verfolgt und den er ausbauen kann oder sollte, wenn er sich verbessern will. Es geht bei der Verbesserung des eigenen Leitens immer um die Reflektion des eigenen Leitens und die Überlegung, wie man am besten an seinen persönlichen Stärken und Schwächen arbeitet. Mein Stil den ich hier beschreibe ist für alle Gruppen geeignet, er fordert die Spieler und verlangt vom SL ein hohes Maß an Improvisationskunst. Wie auch immer, manche Leute sagen, man muss der Geschichte die Würfel unterordnen und andere meinen, das alles durch die Würfel bestimmt werden muss. Beide Gruppen sind in meinen Augen auf dem Holzweg. Eine Geschichte, die sich nur an sich selbst orientiert wird beliebig. Die Handlungen der Spieler verkommen zu unwichtigen Aktionen oder Entscheidungen,  es gilt nur, was der SL als wichtig für die Geschichte erachtet. Dabei beraubt sich der SL der Komponente des Chaos, der Inspiration durch seine Spieler und der Würfel, die seiner Geschichte einen neuen Drall geben können. Der SL beraubt sich der Möglichkeit, von der Geschichte überrascht zu werden und sie aktiv mit seinen Spielern zu erleben. Wenn der SL hingegen alles den Würfeln unterordnet, sind die Spieler extrem gefragt und damit oft überfordert. Die Handlung verliert schnell an Struktur und das Spiel fängt an einem „Brettspiel“ Charakter zu entwickeln. Es braucht für Rollenspiel auch die Rolle oder besser die Rollen und die Geschichte, die gemeinsam vorangetrieben wird. Wer die Geschichte nur an den Würfeln ausrichtet, hat es schwer Höhepunkte und Dramen zu erhalten. Es fehlt dem Drama das, was es besonders macht, der Spannungsbogen und die Emotionen.

 
Meine Meinung ist, dass man sowie der Geschichte als auch dem Spiel genügend Platz geben sollte um ein optimales Ergebnis zu erhalten.

Das  Genre der Fernsehserien ist bunt und dank Sendern wie HBO auch auf einer Qualität angelangt, die sich mit hochklassigen Filmen oder Büchern messen kann. Der SL, der sich an Serien orientiert, kann sich heute an einer Fülle von Geschichten orientieren, die sich über mehrere Staffeln logisch und konsequent entwickeln ohne ihren Fokus zu verlieren oder auszubrennen. Dabei ist sind es nicht nur die Drehbuchautoren, die für mehr Qualität sorgen, es sind auch die Darstellern die für mehr Qualität stehen und ihre dargestellten Charaktere mit Leben und Glaubhaftigkeit erfüllen.

Hier gibt es die erste Sache aus der man bei Serien lernen kann, es braucht neben einer guten Geschichte auch gute Charaktere mit Problemen, die vielschichtig aufgebaut sind um langfristig Spaß zu haben. Daraus ergibt sich neben den Anforderungen an den SL eine gute Geschichte als Grundplot zu entwerfen auch eine Herausforderung an die Spieler. Die Spieler müssen ein gutes Konzept haben, dass über einen längeren Zeitraum tragfähig ist und nicht zu schnell ausbrennt. Es geht darum, dass die Spieler eben keine Teflon Billys spielen sondern ihre Charaktere mit Ecken Kanten und Zielen versehen, die dem SL Angriffsfläche bieten. Der Charakter braucht zusätzlich oft Verwandte, Freunde und Feinde um plastisch zu werden.

Karsten spricht gerne von einer Blase in der ich das Drama für die einzelnen Charaktere erzeuge. Dabei hat er in so fern recht, dass ich das Spiel wie in den Serien auf mehreren Ebenen betrachte.

Die Blase und das aus ihr entstehende Drama entwickle ich aus der puren Sicht auf den Charakter. Dazu nehme ich einen DIN a 4 Zettel quer und zeichne in die Mitte ein Kästchen für den Charakter.

Links vom Charakter stehen die Freunde oder positiven Beziehungen vom von Charakter hier schreibe ich die wichtigsten Namen nach oben und gehe dann in der Bedeutung für den Plott nach unten. Falls es mehrere Gruppen gibt, die dem Charakter positiv gesonnen sind, dann Kann man diese Gruppen auch in Kästen auf dem Bogen unterbringen. Ich empfehle allerdings immer eine neutrale Person zwischen die Gruppen zu stellen um diese notfalls als Katalysator für die Eskalation von Handlungen zu haben. Ganz genau so verhält es sich mit der rechten Seite des Bogen. Neutrale oder undefinierte Charaktere werden über und unter das Kästchen gesetzt, auch hier wieder die Wichtigsten nach Oben und nach unten hin unwichtiger werdend. Das Alles unterstütze ich durch farbige Markierungen und Symbole, wie man sie aus R-Maps oder C-Webs kennt.

Unten auf den Bogen lasse ich ein wenig Platz um ein paar Stichwörter zum Charakter zu haben, die der Charakterisierung dienen. Links für meine Ziele und wünsche, rechts für Ziele und Wünsche des Spielers.

Warum keine R-Map? Mir geht es hier nicht um die genauen Beziehungen, ich will das Umfeld des Charakters schnell sehen und zuordnen können. Dazu ist nur wichtig wie welche Leute zu dem Charakter stehen um mir Möglichkeiten zu bieten den Charakter an den Eiern zu packen und ins Drama zu werfen. Es geht mir alleine um den Charakter.

So bilde ich die Blase, stelle alles Andere im Abenteuer zur Seite um den Charakter Drama liefern zu können. Selbstverständlich muss man diese Blase pflegen. Nach großen Änderungen wird nach dem Spiel eine entsprechende Änderung in der Blase vorgenommen um beim nächsten Mal wieder einen genauen Überblick zu haben. Falls mir einmal nicht einfällt, brauche ich eigentlich nur einen Blick auf die Blase zu werfen. Dann überlege ich mir, was der Charakter ausgefressen hat oder was er für eine Geschichte haben soll und verknüpfe einen der Namen damit um fürs Drama zu sorgen.

In oder besser gesagt bei der Blase geht es um persönliches Drama, den Soap Faktor in meinen Kampagnen. Damit man als lesender SL ein paar Inspirationen hat, kommen hier die  20 Masterplots, welche für dramatische Situationen sorgen können.

1: Die Suche

2: Das Abenteuer

3: Die Verfolgung

4: Eine Rettung

5: Eine Flucht

6: Rache

7: Ein Rätsel

8: Rivalität

9: Jemand der Unterdrückt wird, dem ungerechtes wiederfährt

10: Die Versuchung

11: Die Verwandlung

12: Die Umformung – der Persönlichkeit, des Charakters

13: Die Reifung des Charakters

14: Liebe

15: Verbotene Liebe

16: Opferung

17: Die Entdeckung

18: Die erbärmliche Maßlosigkeit

19: Der Aufstieg

20: Der Abstieg

Einen dieser Masterplots sollte der Spieler sich als Grundthema seines Charakters aussuchen und dann anfangen sich Gedanken zum weiteren Spiel zu machen. Zusätzlich kann man dem Charakter noch durch die 20 Fragen aus dem Kreativ Writing Tiefe verleihen, die ich in dem Blog-Beitrag:


Methoden um einen Charakter zu entwickeln, der dem SL Ansätze bietet

Es gibt verschiedene Spiele, die diese Prinzip aufgreifen, so zum Beispiel das Artesia Spiel oder Cyberpunk um 2 Beispiele zu nennen.

Wenn die Darsteller also ihr Konzept und ihre Vergangenheit haben, dann gilt es eine Verknüpfung untereinander zu erschaffen. Hierzu suchen sich die Spieler ein oder zwei Punkte aus den Fragen/Life Pathes der anderen Charaktere heraus und entwickeln gemeinsam Ereignisse, die ihre Charaktere verbinden. (Es kann eine gute Idee sein, für diese gemeinsamen Hintergründe im ersten Spiel Flashbacks einzubauen und die Spieler die Vergangenheit so gemeinsam definieren zu lassen

 

Wichtig bei Serien ist, dass im Gegensatz zu vielen Gruppen im Rollenspiel eine recht klare Hierarchie herrscht. Es gibt einen klar definierten Anführer oder Helden und dieses Prinzip nehme ich auch für meine Kampagnen. Es muss einen Boss in der Gruppe geben. (das ist insbesondere spannend, wenn der Boss im Laufe der Abenteuer abgesetzt wird oder an seiner Aufgabe scheitert. So hat man gruppeninterne Rivalitäten, die das Spiel bereichern)

Vielleicht bin ich ein wenig vom Thema abgekommen, weil der letzte Teil des Beitrags nicht unbedingt viel mit Serien und ihrer direkten Umsetzung fürs Rollenspiel zu tun hat. Aber am Anfang einer jeden Serie steht nun einmal ein Konzept und das muss der Producer haben. Er muss die Geschichte um die es geht verkaufen und den Drehbuchautoren Ideen geben, wie das Skript und der Metaplot aussehen sollen.

Der Producer ist in diesem Fall der SL, die Drehbuchautoren sind die Spieler.

Kein Scheiß, die Spieler machen das Drehbuch im Rahmen den der Producer ihnen vorgibt. Genau so spielen die Spieler ihre Charaktere, verleihen der Serie durch ihre Hintergründe mehr Tiefe und steuern durch Taten und den Charakterbau die Entwicklung der Geschichte.

Rollenspieler in dieser Auffassung des Spiels sind keine reinen Darsteller. Sie sind Drehbuchschreiber die ihre Ergänzungen während der Erschaffung des Werkes einfließen lassen. Es ist eine Kombination vom Spielen des Charakters und der Fortentwicklung des Plots über die getroffenen Entscheidungen. (etwas über die Sichtweisen und wie man sie benennt findet man in diesem Blogbeitrag) Rollenspielo mit offenen Plot und ohne Entwertung von Spielerentscheidungen ist für mich so etwas wie ImprotheaterSpiel.

Wenn der SL und seine Spieler also geklärt haben, was für eine Serie sie spielen wollen wird der Cast aufgebaut. Einer der wichtigsten Punkte die man von den Serien lernen kann ist die Tatsache, dass man einen Pilotfilm hat in dem die Handlung angestoßen wird und sich die folgenden Episoden um das Spotlight einzelner Stars drehen. Trotz Gruppenszenen steht also regelmäßig einer der Charaktere mit seiner Vergangenheit im Fokus. (dieses Prinzip verdeutlicht Prime Time Adventures mit den Spotlight Episoden sehr schön) Die Geschichte des Charakters wird mit dem Metaplot verwoben und ergibt so einen Plot in dem mehrere Geschichten, die sich um die Protagonisten drehen über die Länge der Staffeln eine abgeschlossene große Geschichte erzählen.

Diese Vielschichtigkeit der Erzählung oder besser gesagt der Abwechslungsreichtum der Story bietet dem SL viele Vorteile. So kann er die Abwesenheit von Spielern einfacher Kompensieren, da niemand immer zwingend als Spieler erforderlich ist um die Geschichte weiter laufen zu lassen. Die Folgen einer Serie sind in sich abgeschlossen und man kann bei jeder neuen Folge auch neu anfangen und mit den anwesenden Hauptdarstellern spielen. Auch das Unterbringen von neuen oder Gastspielern ist relativ einfach, da man über die wechselnden Spotlights kann man ständig neue Charaktere ins Spiel bringen.

Auch ein Springen zwischen Genres ist durchaus möglich, so habe ich mit einer SR Gruppe mal ein Zeitreiseabenteuer gespielt und bin im wilden Westen mit ihnen unterwegs gewesen um danach im Jos Weisdon Stil ein Musical Abenteuer mit Hilfe einer PS2 und Karaoke Zubehör zu starten. Auch ein Abenteuer mit Rückblenden, welche die Kindheit oder Vergangenheit der Charaktere betreffen ist bei mir immer wieder ein Mittel um Abwechslung in die Kampagne zu bringen.

Nachteile des Serien Prinzips:

Man muss als SL extrem gut improvisieren können weil man ständig auf den Input der Spieler und der letzten Runden eingehen muss um eine in sich logische Geschichte zu erschaffen. Zusätzlich muss man einen großen Pol an SLC haben, um in den Folgen für Abwechslung zu sorgen. Außerdem kann es in so mancher Gruppe dazu kommen, das die Spieler mit ihrer Verantwortung überfordert sind. Mir begegnen immer weider Spieler die unfähig sind, einen Charakter auf dem Reisbrett zu entwickeln und ihn dann Leben einzuhauchen. Sie gehen lieber mit einer Rohskitze ins Spiel und erweitern die Facetten des Charakters im Spiel. Das kann man zu einem gewissen Grad kompensieren, wenn die anderen Spieler ihre Spotlights vorher haben, aber es klappt halt nicht immer zufriedenstellend. Durch die Dynamik beim Serienspiel und dem bei dieser Art des Leitens angemessenen aggressiven Screen Framing werden einige Spieler ihres geliebten Tavenen Spieles beraubt.Außerdem erfordert diese Art zu spielen in bestimmten Situation von einem Spieler, dass er die anderen Jungs und Mädels mal einfach etwas länger ihren Kram machen lässt. Das Leiten in Szenen und die Schnitte zwischen ihnen können unruhige Spieler zu einem echten Problem werden lassen. Wieder ein anderes Problem bei diesem Stil sind die SLC. Ich neige eh schon dazu, Mary Sues zu bauen, die wirklich etwas können. Aber wenn ich im Serien Modus arbeite, dann muss ich den Spielern für ihr Drama und die Herausforderungen ja echte Granaten entgegen werfen. Deshalb darf man nie vergessen, das ein cooler Charakter immer besser ist als ein langweiliger. Dennoch, die SLC sind bei Serien dazu dar, die Helden glänzen zu lassen. Es ist immer wichtig, das die SLC nicht die Arbeit der Helden machen zu lassen oder sie langfristig schlecht aussehen zu lassen. Wer das vergisst, der hat ganz schnell Probleme.

Die Sache mit dem Ja.

Gerade bei der Umsetzung von Serien ist es extrem wichtig, dass man die Charaktere der Spieler gut aussehen lässt. Das gilt ganz besonders, wenn sie in etwas Mühe und Ressourcen investieren. Wenn die Spieler dann eine Frage zu der Aktion haben und etwas möchten, dann empfehle ich immer ein JA als Antwort. Falls einem die Frage oder der Wunsch nicht in den Kram passt, dann empfehle ich die böse Variante. JA, ABER! Man erfüllt den Wunsch des Spielers und verknüpft ein Problem damit. Das tut wirklich nicht weh und kann für wunderbare Komplikationen sorgen, auch wenn man mal ein wenig improvisiern muss.

Doch gemein sein kann man ja immer, oder?

Narretiv Truth

Wenn man die Spieler wie ich im Serien Modus als kleine Drehbuch Autoren betrachtet, dann muss man ihnen im Spiel auch Freiheiten geben. Das fängt oft mit Kleinigkeiten an und entwickelt sich in der Regel recht schnell. Einer der Punkte die den Spielern neben ihren Taten und Würfen Einfluss auf die Geschichte und Welt garantieren ist der Grundsatz der Narretiv Truth. Wenn ein Spieler etwas beschreibt, dann ist es erst einmal ein Spielwelt Fakt. Es gibt bei Serien keine langen Verhandlungen, ob ein bestimmtes Werkzeug im Laden ist. Der Spieler beschreibt, dass er es beim Händler kauft und es ist gut. Genau so ist es mit dem Bierkrug oder anderen nützlichen Gegenständen, welche in die Szene passen. Wenn die beschriebene Sache in die Situation passt, dann sollte man kein Veto einlegen.

Auf diese Art und Weise spare man sich ewiges Nachfragen von Seiten der Spieler und zeigt ihnen, seine Wertschätzung. Wenn es überzogen ist kann man ja immer noch mit einem Ja, aber kommen und die Sache mit einem bitter süßen Geschmack versehen.

Aggressives Screen Framing

Serien orientieren sich an Höhepunkten. Man sieht keine 4 Folgen lang, wie die Charakter sich 2 Monate durch die Wüste quälen. Deshalb gilt beim Leiten nach dem Serien Prinzip immer: Hat es etwas mit dem Abenteuer, dem Hintergrund oder dem Plot zu tun? Wenn ja, dann spielt man es aus, wenn nein, dann schneidet man und springt zur nächsten Szene.

Ja, keine Tavernengespräche, keine stundenlangen Verhandlungen über Preise auf dem Markt, keine Bäder in Eselsmilch. Solange es keine Bedeutung für den Plot oder Hintergrund eines der Charaktere hat, wird es nicht ausgespielt. Genau wie Lebenshaltungskosten, Bewegungsweiten oder sonstiger Kleinkram. Lasst es weg! Natürlich gibt es Punkte, die man immer wieder einbringen kann wie das ewige Feilschen um mehr Geld oder miese Vorgesetzte, doch die streut man mal kurz ein, und dann geht es wieder zur Sache.

Ab in Richtung Plot!

So, jetzt bin ich am Ende, es hat etwas länger gedauert diesen Text zusammen zu stellen und ich bin immer noch nicht wirklich zufrieden. Aber es ist ja auch kein Buch sondern nur ein Blogbeitrag.

Ich bitte um Beispiele, was ihr aus Serien gelernt habt oder um Kommentare, warum meine Ideen totaler Quatsch sind um mich weiter mit diesem Thema beschäftigen zu können und etwas zu lernen.

Diskussion hier oder im RSP Blogs Forum

12 Gedanken zu „Leiten und was man von Serien lernen kann

  1. Wenn man sich, wie du, an anderen „traditionellen“ Medien orientiert, kommt man bei vielen ähnlichen Medienvorlagen zu ähnlichen Schlüssen: Theater, Film und Serie bieten alle Inspiration für Scene Framing und prima Beispiele für Narrative Truth. Würde man sich an Büchern (in Form von Romanen oder Novellen) orientieren, wäre Scene Framing überhaupt kein Problem, lange Stimmungspassagen würden hinnehmbar und ein viel gemächlicherer Spannungsaufbau (Serien sind da ja naturgemäß einerseits sehr sequentiell, müssen also über einen Abend einen Spannungsbogen liefern, auf der anderen Seite aber hat doch jede Staffel üblicherweise einen knalligen Einstieg, der Fragen und Probleme aufwirft, die am Anfang der Staffel nicht bestand und einen Staffelhöhepunkt, oftmals die letzte Episode) wäre die Folge.

    Ich persönlich versuche nach wie vor, Rollenspiel als völlig eigenes Medium zu verstehen, bei dem man sich zwar von anderen Medien inspirieren lassen darf, wo man aber keinesfalls den (imho) Fehler begehen sollte, einer anderen Erzählform nachzueifern. Serien und Filme, in begrenzterer Form auch das Theater liefern Bilder, können dadurch eine enorme visuelle Intensität erzeugen, entfernen den Konsumenten gleichzeitig aber von dem, was im Rollenspiel als Königsdisziplin gilt, dem Kopfkino, der Immersion. Die Art und Weise, Immersion zu erzeugen, kann man sich imho doch in der Literatur abschauen, während Dynamik und Dramatik natürlich in Film (Oneshot) oder Serie (Kampagne) günstiger vorgegeben sind.

    Wie sähe eigentlich ein Rollenspiel aus, das darauf ausgelegt ist, Kurzgeschichten zu erzählen? Geschichten ohne langen Spannungsbogen, episodenhafte Schlaglichter zwar mit Aussage aber ohne innere Dramatik?

    Ein weiterer Gedanke zu den Serien: Dort ist es möglich, einzelnen Charakteren Spotlightepisoden zu liefern, was ich im Rollenspiel mittlerweile kritisch sehe. Ich persönlich bevorzuge, allen Spielern möglichst gleichmäßige Beteiligung zu bieten. Während in der Serie allenfalls ein Schauspieler hinter dem Charakter steht, dem es um Spotlight oder einen Verdienst geht, ist doch beim Rollenspiel jeder Spieler, der zum Abend gekommen ist, imho halbwegs gleichwertig zu behandeln. Insofern sind deine Gedanken zum Drehbuchschreiben, Ja-Sagen und zur Narrative Truth notwendig und richtig.

    So, wilder Gedankenbrei erstmal abgesondert, mehr dazu vielleicht später nochmal.

    • Ich denke, dass man die von dir angesprochenen Beispiele sicher heranziehen kann, aber eine Serie besser für den oft episodenhaften Aufbau eines Rollenspiels nutzen kann und sollte. Also sage ich ja,, man kann es, aber es passt nicht so gut, weil die zu vermittelnde Story in der Regel zu lang für einen Spielabend ist und oft auch etwas endgültiges besitzt. Der Spannungsaufbau beim Rollenspiel und bei Serien verläuft IMHO zyklisch und ist neben dem Verlauf der einzelenen Episode aufgefächert. Es gibt immer mehre Handlungslinien die separat voneinander zu Höhepunkten kommen und deshalb der Logik des Rollenspieles entsprechen. Man hat immer einen Höhepunkt des Tages und die Storys der Protagonisten verfolgen ihre eigenen Zyklen.

      Rollenspiel ist ein eigenes Medium, da musst du nix so sehen, weil es seine ganz eigenen Stärken und Schwächen hat. Ich sehe es am ehesten als einen Mix aus einem Gesellschaftsspiel und Impro Theater. Die von dir angesprochene Inspiration von anderen Medien ist aber ein wesentlicher Faktor um sein Leiten bei gewünschten Ergebnissen zu verbessern. Mann kann sich aus jedem Medium die Sachen aussuchen, die man für gut adaptierbar hält oder die einem Synergieeffekte versprechen. Wa in meinem ursprünglichen Text wohl leider nicht so gut rüber gekommen ist, bleibt die Tatsache, dass ich das Spiel nach dem Serienvorbild als kooperatives Geschichten erzählen ansehe, bei dem man sich Inspirationen aus den Würfeln holt um neben der Geschichte und dem klassischen Aufbau noch andere Spannungselemente einzubauen. Immersion ist für einige Leute die Königsdisziplin, doch die Masse der Spieler will einen Mix aus Spiel Rolle und Immersion. Das Erfolgserlebnis beim Spielen ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich und ein guter SL sorgt dafür, dass seine Spieler mehrere Faktoren haben, aus denen sie Spaß generieren können.

      Wenn ich Immersion will, dann spiele ich nicht nach dem Serienvorbild, dann spiele ich Spiele die eher klassisch aufgebaut sind und in denen die Spieler sich möglichst wenig auf die Meta Ebene begeben müssen. Dort wende ich auch andere Techniken an als bei Serien, weil der Fokus halt auf der Rolle liegt und nicht auf dem Spiel.

      Wegen so etwas habe ich Dramatik geschrieben.

      Wie ein Rollenspiel aussieht, das darauf ausgelegt ist, Kurzgeschichten zu erzählen? Ich weiß es nicht. Vielleicht so wie B&T mit einer klaren Fokussierung auf die Handlung und ein Ende nach dem Spiel. Ein gutes Beispiel dafür ist Polaris, das IMHO nur für hoch dramatische Kurzgeschichten geeignet ist, aber die Spielbalance zugunsten des rhetorisch stärkeren Spieler verschiebt.

      Es wäre auf jeden Fall ein interessanter Gedanke mal ein Spiel zu entwickeln, dass es einem ermöglicht, Kurzgeschichten zu entwickeln und dessen Mechaniken zu definieren. Mein Interesse ist geweckt, ich werde mir mal Gedanken dazu machen und etwas Literatur zum Erstellen von Kurzgeschichten lesen um Ideen zu bekommen.

      Vielleicht gibt es da in Kürze etwas.

      in weiterer Gedanke zu den Serien: Dort ist es möglich, einzelnen Charakteren Spotlightepisoden zu liefern, was ich im Rollenspiel mittlerweile kritisch sehe. Ich persönlich bevorzuge, allen Spielern möglichst gleichmäßige Beteiligung zu bieten. Während in der Serie allenfalls ein Schauspieler hinter dem Charakter steht, dem es um Spotlight oder einen Verdienst geht, ist doch beim Rollenspiel jeder Spieler, der zum Abend gekommen ist, imho halbwegs gleichwertig zu behandeln. Insofern sind deine Gedanken zum Drehbuchschreiben, Ja-Sagen und zur Narrative Truth notwendig und richtig.

      Einem Spieler eine Spotlightepisoden zu geben heißt nicht, die anderen Spieler zu vernachlässigen. Es bedeutet nur, dass man ihn und seinen Hintergrund, also seine Ideen und Bereicherungen zum Plot würdigt und sich entsprechend damit beschäftigt. Genau so ist es mit meinem Spotlight im normalen Spiel. Jeder hat eine Szene am Tag in der er alleine Rocken kann und sich gut fühlt. Die versuche ich normalerweise in einer Länge von 10 Minuten zu halten um die anderen Spieler nicht zu langweilen, aber meine Spieler haben sich bis jetzt immer positiv dazu geäußert. Ichhabe wirklich noch nie gehört, das jemand nicht gerne zuschaut oder sein Spotlight selber spielt.

      Die ungleiche Behandlung findet also nicht statt, es ist eher ein setzen von Schwerpunkten, das sich auf die Hintergründe der einzelnen Spieler fokussiert und in dem die anderen Spieler IMMER auch ihre 10 Minuten Ruhm und Spotlight bekommen. Schließlich muss man ja die Spannungskurve für die anderen Spieler und ihre kommenden Spotlights aufbauen oder die Nachwirkungen ausspielen. Es geht nur darum, dass man Gerecht ist und allen Spielern eine gute Show bietet. Wenn dann mal ein Spieler einen großen Auftritt hat, gönnen es ihm anderen Spieler und versuchen oft auch ihn noch ein bisschen besser aussehen zu lassen.

      Kein Scheiß!

      Ich hoffe du bist mit der Antwort zufrieden.

      • Ja, ich kann das alles nachvollziehen.

        „Es wäre auf jeden Fall ein interessanter Gedanke mal ein Spiel zu entwickeln, dass es einem ermöglicht, Kurzgeschichten zu entwickeln und dessen Mechaniken zu definieren. Mein Interesse ist geweckt, ich werde mir mal Gedanken dazu machen und etwas Literatur zum Erstellen von Kurzgeschichten lesen um Ideen zu bekommen.“ –> Ich bin sehr gespannt.

        Zu einem anderen Punkt deines Beitrages: Du sprichst ja generell einen sehr fokussierten Stil an, mit hartem Scene Framing und Relevanzanspruch an jede Szene. Dabei fällt bei dir dann wenn ich richtig verstehe reines Stimmungsspiel meist unter den Tisch. Ich bin von der völligen Abneigung gegen „inhaltsloses“ Stimmungsspiel mittlerweile wieder ein wenig abgekommen. Obwohl es die Story nicht vorantreibt, kaum Charakterentwicklung passiert (Wobei „gutes Stimmungsspiel sich auch zu sowas entwickeln kann! Schon deswegen sollte man es nicht *sofort* abwürgen) und man seinen Charakter oft nur dürftig beim Lösen von Herausforderungen in Szene setzen kann ist genau dieses Stimmungsspiel für viele Spieler ein veritabler Spotlightgenerator – etliche Spieler, die ich kenne, bezeichnenderweise DSAler, blühen in solchen Situationen regelrecht auf, gehen aus sich heraus und immersieren tief in die Szene. Dafür, dass Immersion auch schonmal als „Orgasmus des Rollenspiels“ beschrieben wurde, will ich eigentlich ungern die Domina sein, die dann Blueballing betreibt (um die Metapher mal überzustrapazieren) und sowas abbricht. Wohl aber ist alles eine Frage der richtigen Komposition und Abenteuer oder Szenenfolgen, die *nur* aus Stimmungsspiel bestehen, lehne ich natürlich weiterhin ab. Aber gerade auch als retardierendes Moment – um auf die dramatischen Vorbilder zurückzukommen – funktioniert sowas mitunter wunderbar.

        • Ich habe mich auf der RPC mit Scrandy unterhalten und da ein paar sehr gute Ideen zum Entwerfen des Spieles bekommen. Mehr vielleicht in Kürze und in einem Entwickler Blog…
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          Tavernengesräche sind bei mir halt nicht sinnlos, ich bringe Informationen an meine Spieler, welche sie benötigen um das Problem zu lösen oder die sie auf eine falsche Fährte locken sollen.
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          In Charakter Spiel ist mir sehr wichtig, doch ich will keine Verhandlungen über den Preis von Tee führen, wenn die Diskussion mit der Mutter des verschwunden Kindes ansteht, die Dreck am Stecken hat.
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          Es geht nicht darum, dass so etwas in meinen Augen nicht funktioniert oder nie mache. Ich will es bei dieser Art Genre einfach nicht.
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          Wenn wir endlich mal zusammen gespielt haben, weißt du hoffentlich besser wie ich ticke. Dann kann man so etwas besser beurteilen.

  2. Ich bin ja ehrlich gesagt nicht immer deiner Meinung, Jörg, aber den Artikel finde ich preisverdächtig. Da steckt echt viel drinnen, was sich jeder SL mal durch den Kopf gehen lassen sollte. Dass dann jeder seinen eigenen Mix aus Drama, Immersion & Co. finden muss, ist eh klar.
    Was mich interessieren würde, und wo ich gerne mal mit dir in extenso plaudern würde: Wie stellst du dir vor, dass man diese Gedanken auf vorgefertigte Abenteuer überträgt? Ich persönlich stehe bei meinen Veröffentlichungen immer vor der Herausforderung, den Leuten Story, Spannungsbogen und all die anderen schönen Elemente, die ein gutes Drama ausmachen, zu bieten, aber ich kenne ja logischerweise die Charaktere nicht. Deiner Theorie zufolge, die durchaus etwas für sich hat, kann das dann ja gar nicht gelingen, weil im Vorfeld das Beziehungsgeflecht fehlt, zumindest jener Teil, der die SCs involviert, und nachher der Raum für Improvisation. Wenn es trotzdem gelingt, dann vermutlich nur für Spieler, die mit Railroading kein Problem haben. Aber wie gewinnt man die anderen?

    • Man muss nicht einer Meinung sein um Respekt vor den Gedanken anderer Leute zu haben. Viele mir wichtige Erkenntnisse zum Spiel habe ich aus Diskussionen mit Leuten die anderer Meinung sind/waren als ich.
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      Zu den fertigen Abenteuern: Ich würde immer damit anfangen, dass ich die Handlung mehr als Vorschlag nehme, denn als verpflichtend. Man nimmt sich die NSC und baut eine plausible Welt auf, in der die Spieler Handlungsanreize von außen bekommen. Das bedeutet ich würde mir meine Timelines machen um zu sehen, wann und wo ich eingreife.
      ABER:
      Die Anpassung muss IMHO immer dem Stil des jeweiligen SL entsprechen und seine Stärken unterstützen. Um konkret etwas dazu zu sagen müssten wir ein Fallbeispiel nehmen und dann anhand des Beispieles klären wie man es seinem Stil und Wünschen entsprechend umsetzt.

      • Das mit dem Vorschlag leuchtet ein, lässt sich aber nur bei kurzen Handlungsbögen realisieren. Sobald es um eine epische 12-teilige Campaign geht, kann ich schwer sagen: Spiel Teil 1 wie du magst, aber wundere dich nicht, wenn Teile 2-8 dadurch obsolet werden und du Teile 9-12 umschreiben musst. Das ist das Dilemma, das Serienschreiber nicht haben, denn die wissen, wie Episode X ausgehen muss, damit Episode Y Sinn macht.
        Danke jedenfalls für die gedankliche Anregung!

        • Ich möchte dir da mal ganz energisch widersprechen aceofdice.
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          Ich habe diese Methode schon für Kampagnen mit bis zu 2 Jahren Laufzeit benutzt und es hat wunderbar geklappt. Man darf halt nicht die komplette Kampagne bis ins Detail durchplanen. Statt dessen wird nach jedem Spiel ein wenig angepasst, was man ändern muss um plausibel zu bleiben oder bestimmte Handlungslinien zu forcieren.

    • Im Beziehungsgeflecht für Abenteuer mit unbekannten SCs würde ich einfach generische offene Enden einbauen, die man an die Charaktere knüpfen kann. Ob man die SCs über ihre Rasse/Kultur/Profession/ein ähnliches Schicksal/Verwandtschaft/ähnliche politische Ansichten etc. einflechtet ist ja erstmal egal, nur sollte das Beziehungsgeflecht imho nach außen offen sein und *dazu einladen*, durch die Spieler erweitert zu werden.

      Railroading ist ja nur nötig, wenn die „Timeline“, die den Spannungsbogen des Abenteuers generiert, von den Aktionen der Charaktere abhängig ist. Wenn die Spieler die Story durch bestimmte Aktionen triggern müssen und sozusagen mit der Eisenbahn von Station zu Station fahren müssen, kann das schnell nerven. Wenn die Eisenbahn zwar fährt, die Spieler aber selbst entscheiden können, von welcher Station zu welcher Station sie mitmischen und wenn man Möglichkeiten anbietet, auch abseits dieser Schiene Dinge zu bewegen oder sich sogar traut, wenigstens mehrere Gleise zu konstruieren und den SCs den Schlüssel für die Weichen in die Hand drückt, kann der railroading-Geschmack imho stark genug aufgeweicht werden, um es angenehm spielbar zu machen.

      Mein Favorit zur Abenteuerplanung ist aber das freiere Szenario: Vorschläge für Timelines, aber nichts zwingend, Locations, interessante NSCs und Ideen, eventuell ein paar zentrale Szenen, die eine gewisse Richtung vorgeben, was man aus dem Szenario machen könnte, aber keine Verpflichtung zum vorgeschriebenen Drama. Das betrachte ich als die Königsdisziplin des Abenteuer-für-andere-schreibens. Man muss sich als Abenteuerautor von dem Gedanken trennen, eine Geschichte zu erzählen, das ist Aufgabe der Spieler.

      • Alles gute Punkte, Dolge, und bis auf den letzten Satz hätte ich dir vorbehaltlos zugestimmt. Den sehe ich allerdings sehr von Geschmack und vor allem: von der Erfahrung der Spieler abhängen. Insofern kann ich dir nur grundsätzlich zustimmen. ;) Danke!

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