Realismus versus Glaubwürdigkeit oder von virtuellen Welten und Regeln für sie

In einem meiner Stammforen ging es wieder mal hoch her, wie immer wenn es um so ein Thema geht. Die verschiedenen Fraktionen predigen alle ihre Vorlieben und alles andere ist doof.

Dabei sehe ich überhaupt keinen Widerspruch zwischen Realismus und Glaubwürdigkeit!
Meine Interpretation von realistisch ist eher die, dass das Spiel wirklichkeitsnah ist. Also, dass der virtuelle Realismus der im Spiel verwendeten Regeln eine bestimmte Wirklichkeit gut (glaubwürdig) abbildet.

Wenn ich ein Spiel spiele, dann bewege ich mich in einer virtuellen Realität. (Wirklichkeit) Die Handlungen meiner Figur müssen im Sinne der Regeln dieser virtuellen Welt realistisch dargestellt werden können. Sprich, die Handlungen meiner Figur müssen realistisch simuliert werden können. Realistisch bedeutet in diesem Fall nicht realistisch im Sinne von physischen Gesetzen der real existierenden Welt, sondern im Sinne der Glaubwürdigkeit der virtuellen Welt auf der ich spiele.

Der Realismus jedweder Spielwelt endet also in ihrer Glaubwürdigkeit. Etwas kann in meinen Augen nur glaubwürdig sein, wenn es eben im Sinne der Spielwelt realistisch (nachvollziehbar oder wirklichkeitsnah) ist.

Die Diskussion Realismus versus Glaubwürdigkeit halte ich also für schlecht, weil ich zu große Wechselwirkungen zwischen den Begriffen sehe und die wenigsten Leute in solchen Diskussionen auf die virtuelle Komponente des Spieles eingehen.

Der Kern solcher Diskussion ist also das, was in der RSP-Theorie als Suspension of Disbelief bezeichnet wird. Ich zitiere mal Peter Janik, der die meiner Meinung nach beste Zusammenfassung im Deutschen geliefert hat:

Suspension of Disbelief ist dann notwendig, wenn ein Setting sich grundsätzlich von unserer Erfahrungswelt unterscheidet, z.B. durch Vorhandensein von Magie oder Hochtechnologie. Wird diese Fremdartigkeit geschlossen und glaubwürdig (authentisch) dargestellt, gelingt es uns, unsere Skepsis für eine Weile beiseite zu legen und in die Geschichte einzutauchen. Die SoD endet, wenn man Teile der Welt anzweifelt, sie als lächerlich oder unglaubwürdig empfindet.

Wann SoD möglich ist, ist somit individuell verschieden.

Doch bleiben wir mal ein wenig bei der virtuellen Realität und ihren „Naturgesetzen“ aka d3en Regeln. Die „Naturgesetze“ jedweder Realität im Rollenspiel werden vor allem durch die Regeln modelliert. Das bedeutet, eigentlich muss jede Handlung die den Regeln entspricht realistisch oder glaubwürdig sein.

Dem ist aber nicht so, weil Regeln die Welt halt nur in einem bestimmten Bereich modellieren und nicht auf alle Situationen im Spiel angewendet werden können. So kommt es zum Beispiel zu Szenen in denen jemand den Regeln entsprechend handelt, aber die Glaubwürdigkeit der Aktion eher fragwürdig ist. (hier ein Dialog aus The Gamers:

The Gamemaster: You’re going to backstab him with a ballista?
Nimble the Thief: Uh huh.
The Gamemaster: With a fucking siege weapon? …)

In solchen Situationen bricht die Logik der Regeln eben oft für einen Teil der Spieler und der SoD leidet kräftig. Für mich wäre eine logische Entwicklung der Spielweltregeln (Bricolage) in diesem, Fall zwingend nötig um für mich weiter Realismus zu haben. Die Regeln müssten in diesem Fall nicht dem Buchstaben nach ausgelegt werden, sondern dem, was das Spiel sonst so an Realität vermittelt.

Was zum Teufel ist Bricolage?

Das ist eine Frage die ich öfter gestellt bekomme und die ich für gewöhnlich so beantworte:

Es geht dabei um die Weiterentwicklung des Systems durch die Spieler. Zusätzlich geht es um die Techniken, welche die Gruppe dazu benutzt.Man könnte es vielleicht mit „chaotisches Spiel“ oder „logisch fortgeführtes Spiel“ umschreiben.

Im Grunde genommen geht es darum, was passiert, wenn es für eine bestimmte Situation keine eindeutige Regel gibt und die Spieler sich auf eine selbst entworfene Regel, einen selbst entworfenen Mechanismus, einigen. Es geht nicht darum, das bestehende System zu ändern (Hausregeln zu entwerfen), um eine andere Creativ Agenda zu unterstützen. (Das wäre wohl ein sogenannter Drift) Es geht darum, Lücken oder Unklarheiten im System mit dem auszufüllen, was den Spielern passend erscheint oder sich durch das Spiel anbietet.

So wird eine Runde, die sich auf eine Regel für das Verhalten und die Besonderheiten von z.B Luftschiffen geeinigt hat auch erwarten das diese Regeln oder Prinzipien auf ein Unterseeboot angewendet werden.

Eine Hausregel kann Bricolage sein. Genau so kann es Bricolage sein, wenn es sich in einer Runde einbürgert, bestimmte Möglichkeiten des Systems einfach nicht zu nutzen. Oder eine bestehende Regel in einer bestimmten Weise auszulegen. Ergänzungen oder Auslegungen des Settings sind Bricolage. Bestimmte Do’s und Dont’s in Bezug auf

der SL tun, um das Spiel weiterzuentwickeln (oder unter Umständen überhaupt erst spielbar zu machen) ist Bricolage. Wenn der SL in einer bestimmten Situation einen Wahrnehmungs-Wurf erlaubt, um den Hinterhalt zu erkennen, macht er es beim nächsten Mal wahrscheinlich genauso. Wenn die Spieler akzeptieren, dass sie Schwert wohl nicht mit auf dem Ball haben, weil Sie es nicht vorher angesagt Haben, dann werden Sie entweder versuchen es mit auf den Ball zu schmuggeln, oder es akzeptieren, das es nicht da ist.

Das kann man auch als Ergänzungen im Gruppenvertrag sehen, aber ich finde die logische Fortentwicklung von Regeln um die SoD zu verbessern wichtig genug um den auf der Forge sehr schlecht definierten Begriff zu verwenden. Atmosphäre sind Bricolage. Welche Sachen man explizit sagen muss und welche selbstverständlich sind: Bricolage.

4 Gedanken zu „Realismus versus Glaubwürdigkeit oder von virtuellen Welten und Regeln für sie

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