Warum ich gerne heilige Kühe schlachte

Grund oder besser gesagt ausschlaggebender Impuls für diesen Beitrag ist eine Unart, die mir immer wieder in diversen Foren begegnet, in denen ich mich als halbwegs aufgeklärter Spieler befinde.

Spiele oder Spielstile die zu heiligen Kühen stilisiert werden und deren Gegner als Verräter an der heiligen Sache gebrandmarkt. Genau das Verhalten nervt mich ungemein, denn nicht jeder Mensch hat so einen begrenzten Horizont, dass er sich nur an einem Spiel oder Spielstil erfreuen kann.

Ich weiß, dass die meisten Spieler oder sogar Gruppen einen dominierenden Stil haben, den sie über die Jahre als Standard etabliert haben. Dieser Stil liegt dem SL und der Gruppe recht gut und wird gegen Neuerungen verteidigt, weil die Gruppe das gewohnte und spaßbringende Spiel nicht missen möchte.

Mein bevorzugter Stil ist ergebnisoffen und mit einem hohen Grad an Improvisation verbunden. Die meisten Posts in diesem Blog gehen in die Richtung ergebnisoffenes Leiten und versuchen einem Tipps zu geben, wie man den Stil gut umsetzen kann. Aber ich beschäftige mich hier auch mit Sachen wie Musik zum Leiten, dem Umarbeiten von fertigen Abenteuern, den Archetypen oder der Heldenreise nach Vogeler, weil ich meinen Horizont einfach nicht auf eine Art des Spieles einengen möchte.

Ich spiele regelmäßig auf Cons oder privaten Treffen in Runden mit, die nicht mit meinem bevorzugten Stil in Verbindung gebracht werden können und habe da in der Regel auch viel Spaß bei. Das Treffen auf andere Stile und Vorlieben sehe ich als Bereicherung meines persönlichen Horizontes und weiß um die Synergieeffekte mit meinem Rollenspiel die ich aus solchen Begegnungen gewinnen kann.

Genau so gerne werde ich von Bekannten oder teilweise wildfremden Leuten eingeladen, um in ihrer Gruppe mal den Gast-SL zu machen und ihnen einen ordentlichen Kulturschock zu verpassen. Ja Rollenspiel geht auch anders und ich nehme oft ihre heiligen Kühe, zücke grinsend meine SL Technik-Machete und veranstalte ein blutiges Schlachtfest an dem, was für sie halt heilig ist.

Diese radikale Art zu Leiten führt oft zu dem erwarteten Kulturschock. Im erstem Moment schalten die Spieler auf die Totalverweigerung und werden bockig wie kleine Kinder, denen man ihren Bonbon wegnimmt oder aggressiv wie ein Gläubiger, dem man erzählt, dass sein Glaube scheiße ist.

Die radikale Art zu Leiten und die Strukturen in Gruppen damit aufzubrechen zeigt in der Regel nur selten sofort eine Wirkung, aber fast alle Gruppen bei denen ich war haben im Nachhinein mal aktiv über das nachgedacht, was sie so machen und aus dem Spiel ihre eigenen Lehren gezogen. (nicht immer welche mit denen ich gerechnet hätte)

Diese Veränderungen sind es, die ich mit dem Schlachten der heiligen Kühe beabsichtige. Ich will mit dem radikalen Verhalten schocken und eingefahrene Verhaltensmuster aufreißen. Doch ich mache das nicht, weil ich meinen Stil zu spielen oder zu leiten als überlegen empfinde. Ich will den Leuten einfach zeigen, dass es jenseits des Tellerrandes immer mal wieder etwas gibt, was der Entdeckung wert sein könnte. Das heilige Kühe im Rollenspiel nutzlos sind und man auch von den oft verpönten Rollenspielen oder mit anderen Methoden Erfolg haben kann.

Wenn ich den Spieler der mir im Spiel erzählt, sein Charakter sei nun mal so, die Stances erkläre um ihn klarzumachen, dass er auch eine Verantwortung für den Plot hat, einem Spieler der ständig nach etwas fragt immer mit nein antworte, weil er das Fenster im Turm bitte mit Narrativ Truth einbauen soll oder einen Spieler der mir ständig sagt: „Mein Charakter macht das und das“ ingame ständig in Gespräche verwickle, dann folge ich nicht dem Pfad, dass ich besser bin.

Die Kuh wird nicht geschlachtet um eine vermeintliche Überlegenheit zu suggerieren. Ich will einfach, das die Leute mit dem Nachdenken anfangen und mal sehen, wie sie ihr Spiel vielleicht variieren können um langfristig mehr Spaß zu haben.

Dabei mache ich auch vor dem klassischen starken SL nicht halt, obwohl ich ihn in meinen Runden konsequent durchsetze. Das Ausprobieren von neuem oder andersartigen stellt für mich den Grundstein guten Spieles dar. Auch wenn etwas gut ist und eine Gruppe viel Spaß hat, kann man durch neue Erfahrungen den Spaß oft noch verbessern und Probleme die in der Runde oft mehr oder weniger unterschwellig vor sich hin brodeln können relativ einfach aus der Welt geschafft werden, wenn man mal einen Block über den Tellerrand wirft und sich nicht abgrenzt.

Was mir dabei als Nebenaussage wichtig ist:

Es gibt keinen einzig wahren Stil des guten Rollenspieles. Jeder Spieler und jede Gruppe muss den Stil finden, der zu ihren Vorlieben passt. Natürlich gibt es Stiele die einem befremdlich vorkommen oder auch Spieler die Hohn und Spott sozusagen magisch anziehen. Doch gerade in dem Bereich des Rollenspieles, das von außen gerne verarscht wird, sollte man nicht versuchen jemanden seine Weltsicht aufzuzwingen. Persönliche Geschmäcker sind nun mal zufrieden und ich konnte bis jetzt in den unterschiedlichsten Runden immer meinen Spaß haben, wenn ich meine Vorurteile mal zurückgestellt habe.

Ein klassisches Beispiel dafür war eine Runde auf der H! Spielt. Vor einigen Jahren lockte mich ein Bekannter in eine Runde, wo ein SL saß über den ich vorher fleißig gelästert hatte. Grund war die Tatsache, dass er in einem kompletten Kampfsport Anzug über den Con lief. Glücklicherweise habe ich mich nicht aus der Runde abgelmeldet, denn der SL war gut und ich konnte viel Spaß und eine gute Technik in Bezug auf Erzählungen mit aus der Runde nehmen. Wäre ich nicht über meinen Schatten gesprungen, wäre ich weiter in meiner Welt geblieben.

ähnlich ist es mit dem Leiten von Runden gegangen, die ich als RSP mit Table Top oder Erzählonklel pur betrachte. Langfristig werde ich diesen Stil nie durchziehen können, doch ich nehme aus jeder Runde etwas mit, was ich nutzen kann um meinen Lieblingsstil noch besser leiten zu können.

Also sage ich nicht bla bla bla ist besser als blub blub blub, (beliebige Systeme einsetzen) ich sage, das System ist gut für Leute die gerne das und diese mögen und achte darauf, das meine Empfehlung wertfrei bleibt.

Denn heilige Kühe und Systeme sind nur gut um sie zu schlachten oder aus ihnen zu lernen.

Dann geht es auch weiter voran mit dem Rollenspiel.

Wer sich und seinen Spielstil überhöht, der weiß einfach die Vielseitigkeit des Hobbys nicht zu schätzen, die ich so gerne mag.

8 Gedanken zu „Warum ich gerne heilige Kühe schlachte

  1. selten genug, aber ich stimme dir natürlich zu.

    Leider empfinden viele Spieler eine „Anregung zum Denken“ schon als Beleidigung und nehmen das als Jetzt-erst-Recht Argument und graben sich in ihrem Spielstil ein.

    Das ist schade. Ich bin nicht der Ansicht, daß man alles spielen muss, wenn jemand sein hartwurstiges Rollenspieldasein führen möchte, dann bitte sehr, aber die Entscheidung sollte auf der Basis eines umfassenden Überblicks passieren und nicht „weil man das schon immer so gemacht hat“.

    leider gilt man mit dieser, deiner Ansicht als intolerant.

  2. Schöner Artikel. Deiner Einstellung kann ich mich voll anschließen. Es ist zwar immer etwas brutal heilige Kühe direkt zu schlachten, aber wenn man nur Gast-SL ist oder auf ner Con hat man auch keine andere Chance, wenn man aufrütteln will.

  3. kurze Nachfrage. Gabs da einen Softwarefehler, daß mein letzter Kommentar nicht angezeigt wurde?

  4. Da lob ich mal uneingeschränkt und dann frist Dein Blog (mal wieder) nen Kommentar. Kannst Du da mal irgendwas an den Einstellungen ändern? Z.B. dass Du nicht mehr vorher moderierst, dann merkt man wenigstens gleich, ob der Kommentar ankam oder nicht und hat den Text noch parat.

    Der Kommentar war: Das kann ich uneingeschränkt unterschreiben, auch wenn ich es selbst so nicht mache. Eher mangels Gelegenheit, aber es ist auch heftig einfach die heiligen Kühe direkt zu schlachten. Aber wenn man nur Gast-SL oder auf ner Con ist geht es nicht anders.

  5. Danke,
    der Blog war leider länger offline, weil es Probleme mit dem Server gab, aber ich hoffe, dass die Sache jetzt Geschichte ist.

  6. Da lob ich mal uneingeschränkt und dann frist Dein Blog (mal wieder) nen Kommentar. Kannst Du da mal irgendwas an den Einstellungen ändern? Z.B. dass Du nicht mehr vorher moderierst, dann merkt man wenigstens gleich, ob der Kommentar ankam oder nicht und hat den Text noch parat.

    Der Kommentar war: Das kann ich uneingeschränkt unterschreiben, auch wenn ich es selbst so nicht mache. Eher mangels Gelegenheit, aber es ist auch heftig einfach die heiligen Kühe direkt zu schlachten. Aber wenn man nur Gast-SL oder auf ner Con ist geht es nicht anders.

  7. Ja Sorry, die Probleme mit der Bordsoftware waren etwas heftiger, aber es sollte jetzt wieder ohne Probleme funktionieren.

Kommentare sind geschlossen.