Fertige Abenteuer und Kampagnen an die eigene Kampagne anpassen.

Vorwort:
Ich beschäftige mich mit dem Thema schon etwas länger weil mein Kumpel Kamillo meint, so etwas gehört einfach in die Tipps zum Kampagnenbau. Wie bei so vielen Sachen ist es für mich oft schwierig zu erklären, warum ich etwas so mache, wie ich es mache und deshalb wäre Feedback und Fragen ganz gut, wenn es Verständnisprobleme gibt. Ich habe einfach versucht meine Vorgehensweise zu beschreiben.

Die benötigten Werkzeuge oder Hilfsmittel sind in diesem Thread im Tanelorn am Anfang als PDF hinterlegt.

Dies ist der zweite und etwas ausführlichere Ansatz zum Thema und ich hoffe, er hilft dem geneigten Leser weiter.

Fertige Abenteuer und Kampagnen an die eigene Kampagne anpassen.

Ein wesentlicher Punkt um sich viel Arbeit ersparen zu können, wenn man eine Kampagne leiten möchte ist das verwenden von fertigen Abenteuern oder sogar Kampagnen. Dieses Vorgehen hat eine Fülle von Vorteilen für den SL. Er hat schon eine klare Struktur und in der Regel Handouts, welche das Leiten vereinfachen. Oft sind sogar Flavortexte enthalten, die der geneigte Spielleiter verwenden kann oder auch nicht.

Ob man als SL die vorhandenen Flavor- oder Vorlesetexte jetzt benutzt liegt im persönlichen Entscheidungshorizont des Spieleiters. Ich empfehle jedem vor der Kampagne oder vor dem Verwenden von solchen Texten mit seiner Gruppe zu sprechen und ihre Meinung dazu anzuhören. Wenn die Gruppe es mag, dann arbeitet man mit diesem Hilfsmittel, wenn sie es nicht mag, dann verzichtet man darauf.

Ich habe einen SL im Bekanntenkreis, der die Flavortexte mit Musik und Soundeffekten unterlegt vom Band vorspielt, weil er dann auf die exakte Betonung und den richtigen Stimmungsaufbau achten kann.

Ein anderer SL scannt die Texte, sucht sich im Internet oder Abenteuer passende Bilder und drückt den Spielern ein Handout in die Hand oder wirft es mit einem Projektor ans Whiteboard. Damit spart er sich das Vorlesen und bekommt trotzdem die gewünschten Informationen an seine Spieler.

Ich finde beide Varianten toll, aber auch ganz normales Vorlesen kann es reißen, wenn man den Text vorher einmal probegelesen hat oder ihn aus dem Stand stimmig vortragen kann. Dabei ist es wichtig nach 10 bis 20 Sekunden Vorlesen eine kurze Pause zu machen um die Informationen beim Zuhörer sacken zu lassen. Dem geneigten SL kann ich dazu das anhören von Info- bzw. Flavorpasagen bei Hörspielen empfehlen, wo man sich den einen oder anderen Trick abgucken kann.

Eines der Probleme bei Kampagne oder Abenteuern, die man in eine eigene Kampagne anpasst ist die, dass man zusätzlichen Informationen und Handlung in Einklang mit der eigenen Kampagne bringen muss. Wenn man sich in den Abenteuern oder der Kampagne rein auf den geschriebenen Inhalt beschränkt, nimmt man den Charakteren sich selber die Luft zum Atmen. Kaufabenteuer sind für gewöhnlich recht starr strukturiert und arbeiten je nach Autor auch gerne mal mit Mittel wie Illusionismus und Railroading.
Die Frage, die man sich beim Einpassen in die eigene Kampagne stellen sollte ist jetzt also, ob man diese Mittel gutheißt oder ob man ohne diese Hilfsmittel arbeitet. Auch hier kann ein klärendes Gespräch mit der Gruppe helfen, den richtigen Weg für seine Umarbeitung zu finden. Danach überlegt man sich, wie man die Ideen eines anderen Menschen so abändert, das sie zum eigenen Leitstil und der laufenden Kampagne passen.

Ich persönlich versuche bei der Einbindung von festen Abenteuern möglichst ergebnisoffen zu arbeiten und die Anpassung an meine Kampagne frei zu generieren, damit die Charaktere der Spieler machen können, was sie wollen und mir damit einen überraschende Ausgang der Geschichte präsentieren. Die Welt soll sich bei mir um die Spieler drehen und nicht um das Abenteuer.
Wie mache ich das?

Um die Informationen von Abenteuern und Kampagnen an die eigene Kampagne anzupassen empfiehlt es sich nach meiner Erfahrung, das Thema strukturiert anzugehen, damit man keine Arbeiten zweimal macht. Ich empfehle deshalb folgende Vorgehensweise, die auf den vorangegangenen Tipps zum Kampagnenbau basieren:

1. Die Timelines erstellen
Zum Anfang liest man sich das Abenteuer durch und trägt die fixen Handlungspunkte in seine 3 Timelines ein. Diese Ereignisse passieren auf jeden Fall (auch wenn die Spieler nicht mit dabei sind) und haben Auswirkungen auf die SLC und die Welt um die Abenteurer. Falls die Gruppe zu sehr trödelt oder sich um andere Sachen als den Plot kümmert, kann man sie mit Informationen zu Ereignissen aus der Timeline immer wieder auf die Spur der Handlung führen. So hat man eine Struktur, an der man das Abenteuer oder die Kampagne ausrichten kann. Anschließend überlegt man sich, wie man in diese Timeline Ereignisse einbauen kann, die mit dem Hintergrund oder den Flags der Spieler zu tun haben um die Spieler motiviert zu halten. Oft kann man solche Ereignisse mit ein wenig Kreativität auch verbinden und so Synergieeffekte zwischen der eigenen Kampagne und dem zu überarbeitenden Stoff schaffen..
Auf diese Weise benötigt man kein bestimmtes Ereignis um darauf aufzubauen oder an anderen Ereignissen teilnehmen zu können. Alles passiert und man überlegt sich als SL nur noch, wie man die Situation auslegt, wenn die Spieler sie nicht beeinflussen können oder wollen.

2. Die SLC vorbereiten
Als zweites nimmt man die Namen der SLC aus dem Abenteuer und passt diese gegebenen Falls auf die Welt oder das Land der Kampagne an, damit sie zum Setting passen. Danach übernimmt man die Basiswerte der Figur oder passt diese auf das verwendete System an und überlegt sich, welche Informationen für die Spieler relevant sind. (Ich trage die Daten dann auf kleine Blätter ein, um die SLC schnell zur Hand zu haben) Falls man mit Reaktionswürfen und Ruf arbeitet, können hier schon mal die Grundreaktionen der SLC ermittelt und aufgeschrieben werden. Dann hat man bei der ersten Begegnung mit den Charakteren der Spieler gleich ein Bild, wie die SLC wohl reagieren werden.

Eine weitere Möglichkeit ist es, sich zu überlegen, welchen „Archetypen“ im Sinne der Plottheorie die SLC darstellen sollen und wie man ihre Funktion im jeweiligen Plotabschnitt definiert. Wechselt ein SLC seine Funktion in bestimmten Abschnitten, ist es ratsam, diesen Wechsel und den passenden Zeitpunkt zu kennen. Die Funktion kann auch nach dem Verhalten der Charakter modifiziert werden um die Geschichte dynamisch zu halten.


3. Die SLC miteinander vernetzen

Wenn die SLC ans System und die Kampagne angepasst sind, ist es von Vorteil, wenn man sich eine R-Map oder ein C-Web als Improvisationshilfe erstellt. (vielleicht auch beides) In diese Vernetzung sollten auch bestehende SLC der Kampagne, welche schon mit den Spielern Kontakt hatten eingetragen werden, wenn sie im Abenteuer vorkommen könnten oder gerne von den Spielern eingebracht werden .Man ergänzt also eventuell schon existierende Informationen um die neuen SLC aus dem Abenteuer oder der Kampagne um ein möglichst komplexes Bild der Situation zu erhalten.

Eine andere Möglichkeit um die eigene Kampagne enger mit dem Abenteuer zu vernetzen ist, die Figuren in dem Abenteuer teilweise oder ganz durch in der Kampagne etablierte SLC zu ersetzen um ihr mehr „Lokalkolorit“ zu verpassen (ich spiele mit einer Gruppe gerade eine abgewandelte Version des Gasthauses zum Schwarzen Keiler mit Reign als System und auf der Artesia Welt aber es merkt keiner.)
Wichtig ist, das man die Handlungen und Motive der SLC dynamisch gestaltet, so dass man als SL nicht auf bestimmte Handlungen angewiesen ist um die SLC agieren zu lassen. Falls das Original- Abenteuer oder die Original- Kampagne so etwas vorsieht, sollte man die Vorgaben an seinen eigenen Stil anpassen und nicht den eigenen Stil ans Abenteuer.

Es ist EURE Kampagne und die solltet ihr so leiten, wie ihr es mögt und gut könnt. Nicht wie es ein Autor gerne hätte.

4. Die Herausforderungen und Informationen erstellen und strukturieren
Bei diesem Punkt geht es um die Herausforderungen, denen sich die Gruppe abseits der Konflikte stellen muss. Es werden die Mindestwürfe für Informationen und zu bewältigende Probleme im Abenteuer an die Kampagne und ihren Verlauf angepasst. Hier sollten auch die Plothooks und die auf jeden Fall zur Gruppe getragenen Informationen erarbeitet werden, damit die Gruppe sich bei Ideenlosigkeit nicht zu lange im Kreis dreht. Wenn man Stilmittel wie Dilemma u.ä. verwenden möchte, können diese hier auch eingetragen werden.

5. Mögliche Folgen für die Kampagne überdenken.
Was passiert, wenn die Charaktere mit dem Abenteuer durch sind? Wie werden die SLC danach zu ihnen stehen und wie kann man Aktionen der Charaktere verwenden um für die Gruppe neue Abenteuer zu schaffen? Was passiert, wenn die Gruppe sich um die eigentlichen Probleme nicht kümmert? All diese Fragen sollte man zumindest mal angedacht haben um gegebenen Falles in der Kampagne schneller oder besser improvisieren zu können, wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorstellt.


6. Den sonstigen „Kram“ vorbereiten

Handouts scannen, ausdrucken oder die Seiten aufschreiben, wo sie sind um im Spiel nicht lange suchen zu müssen. Bilder drucken und falls man es möchte auch passende Musik aussuchen und deren vorspielen vorbereiten. Falls die Gruppe das erste Abenteuer gespielt hat, passt man die Vorbereitungen an und freut sich auf die nächste Runde.
Fertig

Probleme mit der Gruppe?

Gerade bei fertigen Abenteuern und Kampagnen gibt es immer wieder mal Probleme, wenn die Spieler nicht machen, was man von ihnen erwartet oder sogar bewusst gegen den Plot arbeiten.

Solange man sich an die Timelines hält und die SLC mit ihren Motivationen als Komponente zum Improvisieren sieht, kann eigentlich nicht viel falsch laufen. Das Abenteuer oder die Kampagne nimmt halt einen anderen Lauf.

Na und?

Ein anderer Ablauf muss nicht schlechter sein, als der im Original. Manchmal ist er sogar besser als die ursprüngliche Story und man kann als SL erleben, wie die Spieler eine Geschichte machen, statt ihr hinterher zu rennen.
Falls der Metaplot einer Welt bestimmte Ereignisse voraussetzt, kann man die Gruppe darüber informieren, dass bestimmte Punkte nach dem Abenteuer oder der Kampagne erfüllt sein müssen und sie bitten da entsprechend drauf hin zu arbeiten. Wenn die Spieler das nicht machen, kann man mit aggressiven Screen Framing, Illusionismus, Rail Roading oder sogar Script Immunität arbeiten um die benötigten Vorgaben zu erreichen. Aber auch hier ist die Kommunikation mit den Spielern das A und O des Leitens. Wenn die Spieler wissen, was Sache ist arbeiten sie in der Regel auf die Ziele zu, statt dem SL Steine in den Weg zu legen.

Wenn die Spieler mit Absicht gegen den SL arbeiten, weiß der in der Regel auch was mit dieser Gruppe in der jeweiligen Situation zu machen ist.