Dungeon Crawl Classics im Test eines Erzählonkels

Schuld an der ganzen Nummer ist übrigens Martin.

Der vom Eskapodcast. In Folge 126 interviewt er Andreas Mehlhorn von System Matters, die gerade sehr erfolgreich eine Übersetzung von Dungeon Crawl Classics (DCC) vorfinanziert haben.

Das superhässliche Cover von Dungeon Crawl Classics ist eine angemessene Warnung.

Was ist denn jetzt DCC? Das Gegenteil von dem, was ich eigentlich mag. Es ist Fantasy. Es geht überwiegend um ganz klassische Dungeons, also Höhlensysteme voller Monster. Das Artwork ist psychodelisch, kindlich bis hässlich. Die Regeln sind OD&D. Trotzdem macht das Interview enorm viel Laune, mal DCC zu spielen. Die beiden freuen sich so darüber, loben das Spielgefühl und scheinen derartig viel Spaß an der Sache zu haben… ich wollte es ausprobieren, obwohl Andreas mehrfach betont, dass wäre nichts für Erzählspieler…

Warum schreibe ich jetzt dazu? Weil ich es gestern anlässlich des monatlichen Rollenspielabends im Berliner Sci-Fi und Fantasybuchladen Otherland (der auch ein prächtiges Rollenspielregal hat) gespielt habe. Geleitet hat einer der Inhaber (Simon) höchstselbst, und ich bekam drei kleine Charakerbögen von namenlosen Gesellen der Stufe 0. Die anderen Mitspieler ebenfalls. Fünf Spieler, 15 Männchen.

Und das Abenteuer ging schon los wie ich es hasse. Wir waren auf einer nicht näher spezifizierten oder ausgespielten Hochzeit, wurden hart in das Trinken eines komisch schmeckenden Schnapses gerailroaded und wachen an einem völlig fremden, gefährlichen Ort mit Teilen unserer Ausrüstung wieder auf. Plausibel? Nö.

Soweit, so schlecht. Wenigstens ging es schnell.

Es kommen phantomhafte Geisterwesen und greifen die Gruppe an. Ich würfle für meine drei Männchen eine niedrige Initative. Ladila, der Elfenmusiker, ist tot. Bevor er handeln konnte.

Soweit, so schlecht. Er hatte die besten Werte meiner Männchen.

Wir ringen mit den Monstern, die wir mit unseren improvisierten Waffen nicht verletzen können – sie sind nicht körperlich genug dafür.

Filban, der Halbling-Bauer, hat eine Ente dabei. Mir kommt die Idee, dass man ja die Phantome mit dem Blut der Ente bespritzen könnte – vielleicht werden sie ja körperlich. Der SL lässt das durchgehen, und wir können die Dinger besiegen. Allerdings: Hier erweist sich Simon als Storygamer: Nach dem Abenteuer war die Lösung eine andere…

Meine Idee wurde verewigt.

Ich will euch nicht mit dem Abenteuer als solchem spoilern, aber es blieb außerordentlich zusammenhanglos. Warum an einer Stelle ein Monster auf uns warten würde? Egal. Figur Nummer zwei starb ebenfalls ziemlich sinnlos. Ja, man konnte Hinweise finden, die uns die erfolgreiche Lösung des Abenteuers erlaubten. Aber warum wir z.B. hineingezogen worden waren, blieb völlig unklar.

Peter starb, als er sich in einen Brunnen retten wollte. Vorher versucht der die Geister noch abzulenken…

Aber kommen wir zum guten Teil.

Filban hat überlebt. Er war der Halblingbauer, gestartet mit einer Mistgabel, einer Kette und einer Ente. Er hatte viel Erfolg mit seinen Angriffen, aber hat die letzten Gefechte, sogar den Endkampf, auf einem einzigen Hitpoint überstanden. Das war sehr, sehr spannend und er ist mir an Herz gewachsen. Natürlich hat er niemals so etwas wie Tiefe erfahren. Wir wissen nichts über ihn, außer das er eher mutig ist. Aber ich habe um ihn gebibbert, mit ihm gelitten und konnte zum Schluss kaum noch hingucken, wenn Simon wieder per Zufallswurf feststellte, dass von den 6 Gegnern sich 4 auf den armen Filban stürzen würden. Um dann alle Angriffe nicht zu schaffen. Das war ziemlich, ziemlich cool. Überhaupt, von den 15 Männchen hatten wir zum Schluss noch vier, alle mit genau einem Hitpoint.

Mechanisch kommt DCC wie ein moderat modernisiertes OD&D her. Oder eher wie ein in 5 Minuten erklärtes 3.5. Rüstungsklasse und Rettungswürfe funktionieren wie bei 3.5 (also ohne Thac0) und ohne sonderbare Rettungswürfe. Die sonderbare Verwendung von Attributen stammt auch aus 3.5, also dass das Attribut im wesentlichen dazu da ist, einen Modifikator zu bestimmen, der dann eingesetzt wird. Allerdings sind die Umrechnungskurse Attribut zu Modifikator anders. Es gibt andere Attributsnamen und Glück als Attribut. Der Glücks-Attributswert ist auch die Anzahl von Punkten, die man zur Verbesserung von Würfen einsetzen kann.

Filbans Charakerblatt – Jeder der schon mal D&D gespielt hat, weiß was er tun muss.

Was genau in dem unglaublich dicken Regelwerk geregelt wird, ist mir nicht klar geworden: Die am Tisch eingesetzten Regeln hätten auf eine Karteikarte gepasst. Allerdings scheint es viele Tabellen für Crits und Patzer zu geben, und jeder Zauberspruch scheint mindestens zwei Seiten bekommen zu haben.

Ich habe DCC nicht gekauft. Und das war für mich auch richtig so. Aber Spaß hats gemacht, und ich würde gerne wissen, was aus Filban wird. Jetzt wo er Stufe 1 ist.


Das Otherland ist ein fantastisch sortierter Buchladen – im wahrsten Sinne des Wortes. Spezialisiert auf Sci-Fi, Fantasy und Horror haben sie eine großartige Auswahl an Büchern auf Deutsch und Englisch. Dazu nerdigen Merchandise, Comics und Rollenspiele.

Am morgigen Samstag ist dort ab 18:30 die Releaseparty zu Berlin-The Wicked City, einen CoC Sourcebook zum Berlin der 20er.

DCC kann man derzeit auf englisch bekommen, die deutsche Übersetzung im Onlineladen des Verlages „System Matters“ bestellen.

Heimspiel: Tanelorn Sommertreffen

Sommerfrische für die Hochleistungsrollenspieler

Wer mich kennt, weiß ich meine Onlinezeit ganz überwiegend im Tanelorn verbringe. Viel zu viel Zeit, um genau zu sein. Aber das Tanelorn ist nun mal der Ort, wo in Deutschland sachkundig und belesen über Rollenspiel diskutiert wird.. was soll man machen?

Zwei mal im Jahr versammeln wir uns zum Spielen. Diese Treffen werden natürlich nicht von den 4000 Mitgliedern besucht, sondern eher vom „harten Kern“, das sind zwischen 60 und 100 Personen, die dazu gen Burg Hessenstein ziehen und ein langes Wochenende mit Rollenspiel und Gesprächen darüber verbringen.

Man kommt Donnerstag an. Sehr üblich ist es, obwohl die Burg eine Vollverpflegung mittlerer Art und Güte anbietet, Snack und Bier mitzubringen, die man vorzugsweise in der heimischen Region erwirbt und so für eine reichhaltige Auswahl sorgt. Das muss natürlich gleich probiert werden… Donnerstags spielen daher nur die ganz Harten, für die anderen ist es ein Abend mit Plaudern, Trinken, Wiedersehen, die Neuen Kennenlernen, und Brettspiel. Erstmals gab es einen Tanelorn-W6 für die Gäste, der sehr chic aussieht. Leider würfelt meiner nicht gut…

Freitags gibt es dann wie Samstag jeweils drei „Slots“, von denen aber üblicherweise nur die Slots vom Mittag bis Abendessen und der nach dem Abendessen intensiv genutzt werden. Für mich gab es am Freitag Nachmittag eine sehr unterhaltsame Runde Conan mit dem dem aktuellen System von Modiphius. Das war – obwohl ich von dem ganzen Crunch im Vorfeld eingeschüchtert war – sehr unterhaltsam. Ich konnte Arnis kleinen Bruder geben, der SL hatte mir einen Charakter gebaut, der – trotz nacktem Oberkörper – in den Nahkampf gehen konnte. Eigentlich eine eher unkluge Entscheidung, auf die Rüstung zu verzichten. Mein Charakter war aber toll und war großartig geeignet, sich durch die Gegner zu metzeln. Selbst ein Krokodil konnte ich mit meinem Messer jagen, so aus Spaß…

Abends gab es dann eine Runde „The Clay That Woke“. Man spielt Minotauren in einer großen Stadt, die stilistisch an Ankor angelehnt ist, im Dschungel, Hauptstadt einer vergehenden Hochzivilisation der Menschen. Die Minotauren haben sonderbare Regeln, nach denen sie leben – die Stille. Sie verbieten u.a. Gefühle zu zeigen oder den Namen einer Frau auszusprechen. Die Regeln bestehen aus einem sehr interessanten, aber durchaus komplexen System, dass als Orakel das Spiel vorantreibt. Der Spielleiter hat die Sonderbarkeiten des Settings toll herausgestellt (den Flußdelphine, die in dem Setting in Menschensprache singen, hat er ein Lied gedichtet und uns vorgesungen), das orakelnde hat erstaunlich gut funktioniert und alles war so fremdartig und stimmig, dass ein erheblicher Sense of Wonder aufkam. Ein toller, wundersamer Abend von einem Spielleiter, der alles toll macht, was ich nicht kann und aus diesen Stärken einen tollen Abend generiert hat. Selbst gemalte Karten, gebastelte Token für das Orakel, liebevoll designte Szenen – rundum prima.

Abends findet man eigentlich immer noch jemand für einen Absacker, so dass ich am Samstag zu DEM Event im Morgenslot zu spät kam: Der Versteigerung. Um die Kosten des Forums zu decken, bringt jeder ein paar alte Schätzchen, Fehlkäufe, Duplikate oder sonst geeignete Regelwerke mit, die dann meistbietend versteigert werden. Zudem gab es 5er-Sets mit weiteren Tanelorn-Würfeln. Wer also mehr als einen haben wollte, der konnte hier zuschlagen. Die waren sehr gefragt, und entsprechend teuer. Die Versteigerung ist immer ein großartiges Vergnügen, sehr unterhaltsam vorgetragen, und da die Vorlieben der Bieter inzwischen überwiegend bekannt sind, oft auch sehr spöttisch. Ich habe 5 Würfel und eine Ausgabe von Wield erworben.

Mittags gab es dann eine Runde Barbarians of Lemuria bei einem meiner absoluten Lieblingsspielleiter. Auch in soweit spannend, als mein Charakterkonzept dem ähnelte, dass ich in der Conan-Runde hatte. BoL ist sehr, sehr viel regelleichter, und damit eigentlich eher mein Ding. Dennoch empfand ich die Regeln von Conan als durchaus besser geeignet, die pure Kraft und Macht meines Charakters darzustellen. Dafür glänzte die Runde mit einem „Herz der Finsternis“-Plot und deutlichem Gruselfaktor.

Abends spielte ich dann „The Fall of Delta Green“. Um das Rollenspiel schleiche ich schon lange herum. Es geht um eine Regierungseinheit, die in den 60ern cthulhuide Bedrohungen bekämpft. Tolle Zeit, tolle Musik, tolles Setting. Und im Gegensatz zum „regulären“ Delta Green auf der Basis von Gumshoe. Das Abenteuer litt etwas darunter, dass wir alle schon etwas zu müde waren, um ein investigatives Abenteuer genießen zu können, war aber trotzdem eine tolle Führung durch die Zeit, mit Kommunistenangst, Kommunen und Kanonen.

Ich bin mal wieder über die Frage gestolpert, wie ich in Gumshoe einen „sozialen“ Konflikt abbilden soll – so war meine Buchprüferin in einen Überwachungswagen der Gegenseite eingedrungen und wollte die Leute mit vorgehaltener Waffe einschüchtern. Die Fertigkeit Einschüchtern ist eine „Wissensfertigkeit“ in dem System – auf sie wird also nicht gewürfelt. Praktisch, wenn man nach dem Spiel gleich ein paar Experten, die alle schon Gumshoe geleitet haben, beiziehen kann.

Sonntags wird dann nur noch gefrühstückt, aufgeräumt und Abschied genommen, denn die Heimreise führt die Leute im Extremfall sogar bis nach Irland zurück, aber auch für mich sind es 5 Stunden Fahrt.

Warum fährt man so lange Strecken zu einem Treffen? Wegen der Leute. Nicht nur, dass viele meiner Onlinefreunde nur dort zu treffen sind – sie sind auch noch die besten Rollenspieler, die man in dieser Dichte finden kann. Die Runden dort sind immer hochspannend, extrem fokussierte und geübte Spieler und Spielleiter, die interessante Systeme an ihre Grenzen führen. Jeder dort ist ein Mensch, für den Rollenspiel wichtig ist, der viel über Rollenspiel, sich und seine Fähigkeiten und sein Verhältnis zu Rollenspiel nachgedacht hat. Es hilft natürlich auch, dass sehr viele Teilnehmer selber Spielleiter sind – die denken eben auch als Spieler mit und sorgen so für fantastische Runden. Hinzu kommt ein – bei mir dieses Mal bewusst nicht gewählter – Fokus auf Drama. Davon hab ich gerade im RL genug, aber sonst spiele ich eben auch sehr gerne Spiele, bei der die Handlung auf der Gefühlsebene stattfindet – von Romantik bis Ehekrise, Todesangst bis Verlangen: Rollenspiel geht auch ohne körperliche Gewalt, ohne Schwerter und ohne das die Welt auf dem Spiel steht.

Für mich ist das Tanelorn-Treffen daher der halbjährliche Höhepunkt des Rollenspiels für mich und ich versuche, kein Treffen zu verpassen.

Hier gibt es noch eine kleine Übersicht der gespielten Systeme:

Update: Das nächste Treffen ist am 20.02.2020 – 23.02.2020, die ersten Runden sind schon online geschaltet…

Wer auch mal hinkommen möchte: Die Anmeldung erfolgt über das Tanelorn, deshalb ist dort ein Mitgliedskonto nötig. Eine Mindestpostingzahl o.ä. benötigt man nicht…

Berliner Brettspielcon mit Ratcon dran

Ich war am Wochenende auf der Brettspielcon in Berlin, eine durchaus spannende Erfahrung – auch aus Sicht eines Rollenspielers, der mit Cons durchaus andere Erfahrungen verbindet.

Zum einen: Das Ding ist verdammt groß, geschätzt übersteigt die Fläche die des Feencons. Die Brettspielverlage sind massiv vertreten, und obwohl erst im fünften Jahr beginnen die ersten Verlage den Termin wahrzunehmen um anlässlich des Cons Neuerscheinungen vorzustellen. Gut besucht, aber gerade eben noch nicht so voll, dass die Enge beklemmend wäre oder man wie in Essen um Spieltische kämpfen müsste. Gerade weil es die Con noch nicht so lange gibt, sind bestimmte Mechanismen noch da, die anfangs für mehr Publikum sorgen sollten: Etwa eine sehr große Ludothek, in der man sich Brettspiele ausleihen kann. Dafür gab es eine eigene Halle, deutlich leiser und mit viel besserer Luft als die Haupthalle.Toll.

Ein Blick auf den Flohmarkt

Und der Flohmarkt! Eigentlich ein Bring&Buy, riesig, extrem populär. Die Warteschlange am Samstag war locker zwei Stunden, um sich durch ein riesiges Labyrinth von Brettspielen zu schlängeln. Der Brandschutz war nahe der Panik und wollte nicht noch mehr Leute in die Halle lassen. War man erst mal drin: Auf dem Tisch, Brettspiele, ein Meter hoch gestapelt. Dahinter: Noch ein Stapel, ebenfalls 1 Meter. Auf dem Fußboden, unter dem Tisch? Noch ein Stapel. Neben dem Stapel? Ein Stapel. Es nimmt kein Ende, es erschlägt. Alte Schätzchen, Spiele vom letzten Jahr, billig, teuer, ausgewählt, vielleicht vollständig, etc. Und die Leute haben dort Ikea-Taschen voller Spiele rausgeschleppt. Es war unwirklich!

Zurück in die reguläre Halle: Zwei der testgespielten Angebote möchte ich besonders positiv hervorheben: Das ist zum einen von Spiel Instabil: Fütter den Kraken.

Ja, fütter ihn!

Ein lose an Werwölfe von Düsterwald erinnerndes Spiel, bei dem man als Gruppe ein Schiff steuern muss, aber sich vor dem Kult des Kraken und Piraten in Acht nehmen muss, die (als Spieler) unerkannt an Bord sind. Durch Handlungen und Interaktionen gilt es die Piraten auszumachen (und den Anführer des Krakenkults). Anders als bei WvD kann man nicht schon in der ersten Runde ausscheiden, und das Spielbrett fokussiert das Spiel schärfer. Sehr, sehr gelungen, aber leider noch nicht käuflich – wir spielten einen Prototyp.

Und dann Stworze! Ein wunderschönes Spiel über slawische Gottheiten und ihre Mythen.

Stworze International Edition

Wunderschön, interessanter Spielmechanismus, sehr gemocht. Soweit, so sehr gefällig.

Ach ja, es war auch Ratcon. Musste man aber fast wissen… Eigene Halle, in die man gehen konnte, mit einem Stand von Ulisses, einem Escaperoom mit DSA-Thema, einen Schmuckhändler und ein paar Zeichnern: und ein paar Tischen für Rollenspiel. Noch besser versteckt ein Raum mit Bühne und ein paar sehr atmosphärische Hallen, die sog. „Lofts“. Die Zahl der Rundenaushänge war zu jedem Zeitpunkt eher überschaubar, die Zahl der gespielten Runden auch. Am Sonntag wurden in der „Rat-Con-Halle“ (der mit dem Stand) an mehr Tischen Brettspiele gespielt als Rollenspiele, und die Lofts genannten Rollenspielräume – atmosphärisch, weil in großartigem Industrial-Charm gehalten, extrem hohe Decken, geweißter Backstein – waren bis auf ein paar Mütter leer, die die kühlen und unbesuchten Räume zum Stillen ihrer Babys verwendet haben.

Die Leute von Ulisses waren alle supernett und hatten auch Zeit für einen Plausch. Das ist gefährlich, weil ich Nico noch Rezis schulde. Der Mingers hat mich ohne Bart (glaube ich) nicht erkannt :)

Man hatte aber (und da teile ich die Ansicht des Kollegen vom Rollenspielblog) das Gefühl: Da geht noch was. So richtig ausgegoren wirkte das Konzept nicht.

  • Die Policy von Ulisses, im Zweifel ohne den Rest der Community etwas zu machen, war hier ein Problem.
    Es gab noch ein paar uns Rollenspielern gut Bekannte: Pegasus hatte Promo-Material für Shadowrun 6 dabei, und irgendwer (aber nicht sie selbst, wenn ich das richtig sah) verkaufte Shadowrun-Bücher. DRP-Preisträger Sven Harder verkaufte seine Abenteuerspielbücher und hatte auch sonst noch so einiges aus dem Mantikore-Angebot dabei, u.a. die GoT-Rollenspielbücher. Aber das war alles verteilt in der Brettspielhalle und wurde von Uneingeweihten nicht mit Rollenspiel verbunden. Weit weg von der Ratcon!
    Und weil die Ratcon nun mal ein Ulisses-exklusives Ding ist, (konnte/durfte/wollte) kein anderer Verlag Ulisses dabei helfen, die potenziell interessierten Brettspieler zu „konvertieren“.
  • Ich glaube nicht, dass es viel geschadet hat, dass parallel die Feencon war. Aber geholfen hat es auch nicht.
  • Werbung hat Ulisses für den Ratcon bestimmt gemacht. Gesehen habe ich es aber nicht. Vermutlich wurden die üblichen Kanäle gewählt, mit denen Ulisses seine Bestandskunden erreichen kann. Die Rollenspieler der Stadt sind nur vereinzelt da gewesen, vielleicht hat sie die Werbung ebensowenig erreicht.
  • Ulisses zeigte am Eingang der Halle erstmal sein Kartenspiel – das passt ins Thema einer Brettspielcon. Aber wie leitet man von dort aus über zum Rollenspiel? Das war ein Problem.
  • Ich sah keine Angebote, bei den zahlreich vorhandenen Ulisses-Mitarbeitern mal eine halbe Stunde Rollenspiel vorgeführt zu bekommen. Das Leiten wurde an Ryckspiel aus Greifswald und Nexus e.V. aus Berlin ausgelagert. Die machen aber natürlich kein knallhartes Dienstleisten im 30-Minuten-Takt. Immerhin, so konnte ich Annie von Ryckspiel mal „Hallo!“ sagen: Die zaubert nämlich immer einen tollen GRT hin.
  • Die Zahl der Runden-Aushänge waren deshalb natürlich kläglich, das Aufgebot an Greenshirts wirkte völlig überdimensioniert für die paar Spieler.

Klar, das ist jetzt auch ein Testballon gewesen, und es mag sich ja auch noch im nächsten Jahr verbessern lassen. Aber ich finde es schade, dass Ulisses das exklusiv machen soll. Bei den Brettspielen darf natürlich jeder Aussteller kommen, der möchte. Aus Sicht der Brettspielcon-Veranstalter wäre es vielleicht interessanter (aber nicht unbedingt lukrativer) den Rollenspielteil in die Hände der lokalen Vereine zu legen…

Schamlos…

… mache ich Werbung für den neu eröffneten Webshop von Spiegelkinder. Die Betreiberin ist nicht nur eine gute Freundin von mir, sondern sie hat auch diesen Würfelbecher hier für mich gemacht:

Außerdem stellt sie die Figuren für den Deutschen Rollenspielpreis her. Bei ihr bekommt man aber nicht nur tolle Würfelbecher, sondern auch noch Schmuck mit Brettspielthemen und extrem tolle Tracker für Splittermond. Ein Blick lohnt sich da…

Was bin ich?

(Fast) jeder kennt die Spielertypen nach Laws. Eine viel kritisierte, inzwischen vielleicht sogar überholte Einteilung der Spieler in bestimmte Gruppen. Die Gruppen beschreiben, an welchen Elementen des Spieles die Spieler besonders viel Spaß haben:

Der Butt-Kicker z.B. tritt eben gerne, wie der Name schon sagt, Leuten in den Arsch. Ein Rollenspielabend ohne Kampf ist für ihn vertane Zeit, der Casual Gamer kommt nicht zum Spielen, sondern wegen der Gesellschaft, und so weiter.

Es ist sehr hilfreich, sich das mal für sich selbst (und vielleicht die eigene Gruppe) vor Augen zu führen, wer an was Spaß hat. Das kann der Test sein, oder eben auch mal drauf achten, wann welche Spielerin auf der Stuhlkante sitzt und es kaum erwarten kann, dran zu kommen – und wo sie sich zurücklehnt und ein Würfeltürmchen baut.

Naja, der Test – das ist mein Ergebnis.

Click mich, um mich groß zu kriegen.

Threatclocks

Threat Clocks

Diese kleine Übersicht von Threat-Clocks zeigt die Fraktionen, die in meiner Dresden Files-„Hamburg“ auf meine Spielergruppe aufmerksam geworden sind.

Was ist eine Threatclock? Ich bin froh, dass du fragst :)!

Ich kenne sie aus John Harper’s Blades in the Dark. Sie zeigen an, wie sehr eine Fraktion verärgert ist.

Man malt einfach einen Kreis, unterteilt ihn in entweder Hälften, Viertel oder Achtel. Immer wenn eine Fraktion von den Spielern verärgert wird, malt man ein weiteres Feld aus. Ist die Uhr ganz schwarz, greift die Fraktion an, mit allem was sie hat. Schon vorher handelt sie, aber eben nur mit 75% oder 50% Einsatz – je nach Stand der Uhr. Natürlich kann die Gruppe versuchen, die Uhr zurückzusetzen (also das Verhältnis zur Fraktion verbessern). Erfolgreiche Aktionen der Fraktion gegen die Gruppe der Spieler kann auch das Verhältnis „verbessern“, weil die Gruppe weniger als Bedrohung wahrgenommen wird.

Ich mag das Instrument, da es den Spielern sehr plastisch zeigt, was ihre Handlungen für Auswirkungen haben und die Fraktionen stets auf dem Spieltisch präsent hält. (Angezeigt werden sie auf Präsentationsfolien, die elektrostatisch an der Tür halten).

Im Detail:

  • Den Hells Angels fehlen 20.000 €, aber sie wissen nicht sicher, ob es die Gruppe war. Aber der Diebstahl eines Motorrades hat schon früher für Ärger gesorgt.
  • Die Black Court Vampires (BCV, Stroker-like Vampire) auf dem Ohlsdorfer Friedhof haben einen wichtigen Vampir durch Spielerverhalten verloren. Dass die Seele des Vampirs in einer Flasche neulich in den Händen der HA aufgetaucht ist und jetzt von den PCs „verwahrt“ wird, macht die Fraktion noch ärgerlicher.
  • Die Tritonen, ein Volk von Meereswesen, hatte mit einem internen Putsch zu tun, bei dem die PCs eine Rolle spielten. Ihre Seite hat gewonnen, so dass die Spannungen nicht sehr ausgeprägt sind.
  • White Court Vampires (WCV, Sukkubi) stehen mit den Hells Angels im Konflikt um die Vorherrschaft auf der Reeperbahn. Die Exgattin meines Charakters (ein sterblicher Polizist) und Mutter seiner Tochter ist eine der WCV.
  • Der Sohn des Chefs der Russenmafia und die Tochter meines Charakters sind schrecklich verliebt ineinander.
  • AAA Security ist offenbar sehr in einen Plot verwickelt, bei dem magisch begabte Wesen nach Hamburg gebracht werden. Offenbar will jemand deren Kräfte destillieren und sich zunutze machen.
  • Vielleicht ist es die Fraktion um den Magier Reentsma, der mit den Häusern Voss und Blohm verbündet ist. Sie sind alle Magierfamilien, die ihren Sitz im lokalen Magierrat verloren haben. Zumindest Blohm ist schon mit AAA Security in Verbindung gebracht worden.
  • Der Weiße Rat (Rat aller Magier, weltweit) hat einen sehr mächtigen Warden (Magierpolizist) geschickt. Vermutlich, weil unsere Magierin (aus einer eigentlich sitzberechtigten Familien, aber noch Lehrling) einen Sterblichen getötet hat. Das führt zu Spannungen, denn die Hamburger Magier sind auf ihre Unabhängigkeit vom Rat bedacht.
Logo des Karnevals der Rollenspielblogs
Karneval der Rollenspielblogs

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Karnevals der Rollenspielblogs, der diesen Monat das Motto Zeitsprung hat, und von Nerdgedanken organisiert wird.

Weitere Details findet man auf Glorias Seite oder im Forum der Rollenspielblogger.

Nazis, Indiana Jones und die White Wolf-Affäre

Ausgehend von der „White Wolf“-Affäre möchte ich ein paar eher unsortierte Gedanken äußern. Der Shitstorm ist schon abgeflaut, hoffe ich, so dass ich mich dazu äußern kann, ohne in ein Lager einsortiert zu werden.

„White Wolf“-Affäre?

Vampire: The Masquerade, v5, White Wolf Entertainment, 2018

Um was geht es?

White Wolf Entertainment ist der Verlag hinter Vampire v5. Zu dieser Neuauflage des alten Vampire: The Masquerade gab es bisher zwei elektronische Ergänzungsbände, die aufgrund der Kritik an ihren Inhalten gerade nicht mehr erhältlich sind. Konkret geht es um diesen Textabschnitt.

Um den Text einschätzen zu können, muss man von dem realweltlichen Umgang mit Homosexuellen in Tschetschenien wissen. Dort ist die Vornahme homosexueller Handlungen eine Straftat, darüber hinaus werden Homosexuelle in spezielle Gefängnisse eingesperrt. Es ist zu Folter und Todesfällen gekommen (Quelle: Wikipedia).

In dem Buch wird die Spielwelt-Realität so beschrieben: Um von der grausamen Herrschaft der Vampire in Tschetschenien abzulenken, werden die Medien durch die Verfolgung von Homosexuellen manipuliert: Sie berichten über die (auch in der Spielweltrealität stattfindende) Verfolgung der Homosexuellen und suchen die Ursache in der Scharia. Damit sind sie abgelenkt und bemerken die Herrschaft der Vampire nicht.

Diese Umdeutung der Verfolgung stieß auf Kritik, die White Wolf dann angenommen hat. Man streicht u.a. alle Hinweise auf Tschetschenien in den Büchern. Der Grund:

The result was a chapter that dealt with a real-world, ongoing tragedy in a crude and disrespectful way.

Ohne Zweifel reden wir hier von einer aktuell in der echten Welt stattfindenden Tragödie, über die ich nur durch diese Diskussion überhaupt aufmerksam wurde.

Weitere Details zu dem Thema findet man auf wodnews.blog, insbesondere Umstrukturierungen bei White Wolf und Anarch und Camarilla Band zurückgezogen und späterer Veröffentlichungstermin.

Ist es – weil es sich um eine real-life-Tragödie handelt, die Nutzung im Rollenspiel unzulässig?

Es ist sicherlich sehr viel respektvoller, dieses Thema nicht für den Hintergrund eines Spieles zu verwenden. Aber auch richtig? Das gilt es näher zu betrachten – denn Tragödien sind sehr oft der Hintergrund von Unterhaltungsprodukten. Flugzeugabstürze, Weltkriege, der Fall von Troja, Serienmorde, selbst das Leben im KZ ist von Hollywood schon zu Spielfilmen gemacht worden. Mir persönlich ist deutlich in Erinnerung geblieben, dass meine damalige Lebensgefährtin mitten im Film aus „Titanic“ rausgerannt ist. Ihr folgend fand ich sie in Tränen aufgelöst vor. Sie ist eine Estin, und für ihre Generation war der Untergang der Estonia die nationale Tragödie. Der Untergang der Titanic als Kulisse für eine Romanze war daher für sie unerträglich. Da der Film außerordentlich erfolgreich war, hat das wohl die Mehrheit der Zuschauer anders gesehen.

Es kommt also zumindest auch erheblich auf den Empfänger an, ob ein angemessener Umgang mit einer Tragödie gewählt wurde.

Umgang mit Tragödien

Ein Käfig voller Helden / Stacheldraht und Fersengeld / Hogan’s Heroes

Nicht respektvoll mit Tragödien umzugehen ist natürlich kein Problem, dass exklusiv White Wolf vorbehalten ist. Ich bin ziemlich sicher, dass das Leben in von Nazis betriebenen Kriegsgefangenenlagern kein Spaß war – anders als die Serie Hogan’s Heroes von 1965 (in Deutschland als „Stacheldraht und Fersengeld“, später dann noch klamaukiger als „Ein Käfig voller Helden“) es erscheinen lässt. Ist es „crude and disrespectful“ gegenüber den tatsächlichen Kriegsgefangenen? Ohne Zweifel. Erschienen 1965, zwanzig Jahre nach Kriegsende. Wer 1942 als 25-Jähriger in ein Kriegsgefangenenlager kam (und überlebte), der war 1965 dann erst 48. Zu früh für eine Klamaukserie? (Ja, mir ist bekannt, welche Freiheiten sich die deutsche Synchronisation nahm. Aber insoweit: Erst Recht!)

„Adolf: Äch bin wieder da!“ von Walter Moers, Eichborn 2007

Umgekehrt habe ich Walter Moers immer sehr für seine „Adolf“-Comics geschätzt. 2007 war es unglaublich befreiend, sich über Hitler erstmals lustig zu machen. Bis dahin war ein geradezu ehrfurchtsvoller Umgangston üblich: Nicht weil man ihn schätzte, sondern weil er so unglaublich böse war, dass man der Zustimmung zu seinen Taten verdächtigt wurde, wenn man anders als in gedämpften Tonfall über ihn sprach. Etwas, was Hitler durch diese Überhöhung für seine Anhänger vermutlich sogar attraktiver machte – selbst über Gott werden Witze gemacht, nur über Adolf nicht! 2007, 62 Jahre nach Kriegsende macht Moers dann eine Witzfigur aus Hitler. Crude and disrespectful? Aber hallo! Ist es angemessen, über einen millionenfachen Mörder Witze zu machen? Über jemanden, dessen Verbrechen so umfangreich sind, das sie kaum auflistbar sind? Zu einem Zeitpunkt, als noch Menschen leben, die ihre Angehörige an die Nazimordmaschine verloren haben?

Schindlers Liste, (c) Universal Pictures Germany GmbH, 2004

Alle genannten Beispiele sind Beispiele für einen zweifelhaften, zumindest angreifbaren Umgang mit einer Tragödie. Im Gegenbeispiel seien die Kunstwerke erwähnt, die – trotz kommerzieller Absicht – einen angemessenen Umgang mit der Tragödie fanden, z.B. der Film „Schindlers Liste“.

Wie sieht es umgekehrt aus, mit den unzähligen, mehr oder minder gelungenen Propagandafilmen, in denen es heilige Pflicht des Helden ist, jeden Deutschen umzubringen, auf den er trifft? Ist das jetzt besser, oder sind auch Deutsche (selbst wenn sie Uniform tragen) Menschen, deren Leben einen Wert haben kann?

Indiana Jones ist immer der erste Film an den ich denken muss, wenn es um Nazis als Gegner geht: Nur ein toter Deutscher ist ein guter Deutscher….

Ein filmisches Meisterwerk und Propagandafilm in einem. Hollywood kann das.

Kein Film, sondern ein Computerspiel: In Castle Wolfenstein ist jeder Nazi sofort umzubringen.

Ist „crude and disrespectful“ eine Frage, wer hier das „Opfer“ ist? Darf es auf die Frage ankommen, zu welcher Gruppe ein Mensch gehört, oder muss jeder Mensch zwingend individuell betrachtet werden? Ich glaube an letzteres – ich muss aber auch keine Unterhaltungsprodukte verkaufen.

Es bleibt also festzustellen, dass ein Unterhaltungsprodukt durchaus in der Lage sein kann, mit realweltlichen Tragödien respektvoll und angemessen umzugehen. Es bleibt aber eher die Ausnahme. Zudem eignen sich Formate wie Komödien und auch Horrorgeschichten vielleicht besonders wenig für einen angemessenen Umgang.

Realweltliche Tragödien im Rollenspiel

Ob diese Gedanken auf Rollenspiele übertragbar sind, müsste man gesondert diskutieren: Anders als ein Film entsteht ja ein Rollenspiel erst am Tisch. Das gedruckte Buch ist ja nur die Anleitung, nicht mal das Drehbuch, geschweige denn das rezipierte Produkt.

Das erleichtert es zum einen: Verantwortlich sind ja die Spielerinnen und Spieler sowie SL, nicht der Autor. Andererseits kann und muss natürlich das Material passend aufbereitet sein.

Springen wir mal um. Warum will man überhaupt Vampire im Spiel haben?

Die Funktion von Monstern im Horror

Vampire, Werwölfe, Gestaltwandler, Geister und Shoggothen … Horrorgeschichten sind von Monstern bevölkert. (Dungeons auch, ja, aber V:TM ist wohl dem Horrorgenre zuzuordnen. Die v5 insbesondere!) Klar, Horror geht auch ohne Monster, aber sie scheinen eine wichtige Funktion für uns zu erfüllen. Oft dienen sie als Metapher für etwas Beängstigendes, was wir in uns oder anderen Menschen sehen. Die Wandlung des Werwolfs zwischen sanften Mensch und wilder, animalischer Mordbestie etwa ist eine Metapher für den Zustand des wilden Zorns, in dem man (selbst, oder ein (vielleicht geliebter Dritter) nur noch „Rot sieht“ und seine Gewaltbereitschaft nicht im Griff hat. Vampire stehen für die Angst vor dem nicht begreifbaren Tod, Gestaltwandler für das Gefühl, sein Gegenüber gar nicht wirklich zu kennen oder vielleicht auch für die Angst, den eigenen Sinnen nicht trauen zu können.

Ich kann also, indem ich ein Monster zum Gegenstand meiner Erzählung mache, ein ganz konkretes beängstigenden Gefühl herauspicken und zum Gegenstand der Erzählung machen. Es steht für diese konkrete, übersteigerte Angst, macht diese greifbar, erlebbar, und vielleicht sogar besiegbar: Ich mag den Tod nicht besiegen können, aber einen Vampir kann ich töten.

Monster als Metapher für reales Geschehen

Was in einer fiktiven Geschichte gut funktionieren kann, muss nicht notwendig auf die Realität übertragbar sein. Setze ich nämlich übernatürliche Monster in realweltliches Geschehen ein, wird es problematisch. Bleiben wir bei den Nazis: Wie konnte ein Volk so zu einer Bande von Mördern ohne Skrupel werden? Ist es nicht eine beängstigende Vorstellung, wie dünn der Lack der Zivilisation ist? Gedankenkontrollierende Monster können das erklären… Tötet man sie, ist das Problem gelöst. Ist das ein angemessener Umgang?

Warum sind wir – obwohl wir genau wissen, was wir gerade tun – nicht in der Lage, gegen den Klimawandel vorzugehen? Monster! Warum ist der Politiker korrupt? Monster!

Erkennbar keine gute Idee, unsere nicht bewältigten Probleme übernatürlichen Wesenheiten in die Schuhe zu schieben. Hier bietet es sich eher an, den Mensch und seine eingebauten Schwächen zu betrachten. Zu sehen, wie ein Mensch funktioniert, wie er manipulierbar ist, Gier und Eitelkeit gegen Vernunft, Güte und Moral zu stellen. Das Monster sind wir schon selbst; nur wer das erkennt, kann etwas dagegen tun.

Monster im realen Geschehen

„Achtung! Cthulhu“, Modiphius Entertainment Ltd, 2013

Ein Mittelding sind fiktive Monster im realen Geschehen. Beispiel: Nazi-Werwölfe im 2. Weltkrieg. Wenn zwar die Realität weiterhin von Menschenhand gestaltet wurde, aber vor diesen Hintergrund eine Monsterjagd gestellt wird – dann haben wir ja nicht das Problem, dass hier unsere menschengemachten Tragödien auf übernatürliche Wesen abgeschoben werden, oder?

Achtung! Cthulhu z.B. nutzt den 2. Weltkrieg als Kulisse. Eine Gruppe von Helden der Alliierten führt einen geheimen Krieg gegen Nazis mit okkulten Kräften. Diese wollen mit uralten Geheimnissen und im Verbund mit außerweltlichen Fraktionen schreckliche Monster auf die Welt loslassen, was unbedingt verhindert werden muss.

Ist das ein angemessener Umgang mit dem Horror der Genozide, die den 2. Weltkrieg geprägt haben? Relativiert es? Monetarisiert es die Nazi-Ikonographie? Oder ist die implizite „Tötungserlaubnis“ sogar eine Kopie der Nazi-Vorstellung, Leben als „Unwert“ zu definieren zu können, in Rollenspielform?

Oder ist es ein großer Spaß – und mit dem Archetypen des deutschen U-Boot-Kommandanten sogar sehr progressiv, weil auch ein deutscher Soldat ein Held sein darf, der für das Gute kämpft?

Fragen über Fragen, kaum Antworten.

Einfach ist das alles nicht. Offensichtlich spielt es eine Rolle, wie lange die Tragödie her ist: Dauert sie noch an, ist das Thema besonders sensibel. Besonders problematisch erscheint mir, dass wir „Orks“ im Rollenspiel gewöhnt sind: Böse Wesen, die man ohne Skrupel töten kann, ja muss. Diese spaßbeendenden Skrupel habe ich aber stets, wenn es um historische Figuren geht, also um Menschen.

Natürlich gibt es auch in meinen Rollenspielabenden nicht nur grau-in-grau. Es gibt auch mal Monster, die ohne Skrupel umgehauen werden dürfen – das gehört nun mal dazu. Ich achte nur darauf, dass es sich eben nicht um Menschen handelt.

Ein kleiner Exkurs: In meiner Runde gibt es zwei Sukkubi, deren Clan die Ausübung des ältesten Gewerbes der Stadt kontrolliert. Ich wollte an einer Stelle mal deutlich machen, dass hinter der glitzernden Fassade der Reeperbahn auch viel Dunkelheit liegt. Deshalb ließ ich eine Szene in einer Containersiedlung stattfinden, die von den Lebensverhältnissen von Wanderbauarbeitern in Deutschland inspiriert war. Das war einer (dritten) Spielerin schon viel zu viel… dabei sah man nur, wie eine Frau in ärmlichen Lebensverhältnissen die Tageseinnahmen an einen untergebenen Sukkubus weitergab. Im Ergebnis hat uns das ganze einen Rollenspielabend versaut, weil die Szene für die Spielerin, die selbst keinen Sukkubus spielte, die Realität viel zu hart an den Spieltisch geholt hat.

Warum habe ich das überhaupt gemacht? Einerseits war die Szene ein Versuch, die dunkle Seite der Prostitution (Abhängigkeit, Zuhälter, etc.) halbwegs angemessen zu würdigen und den beiden Spielerinnen der Sukkubi ein moralisches Dilemma anzubieten. Anderseits war meine Szene von Anfang an nicht geeignet, ein realistisches Bild dieses komplexen Sachverhalts zu bieten – es wäre (wäre ich wie geplant tiefer eingestiegen) sicherlich immer noch „crude and disrespectful“ gewesen; auch wenn ich anders intendierte. Aber ist es besser, diesen Teil der Realität ganz auszublenden?

Für mich komme ich zu dem Ergebnis, dass es ein sehr feines Gespürs bedarf, was man wie in sein Spiel einbindet. Etwas, was extrem schwierig ist! Fantasy ist als Genre für das Rollenspiel daher viel einfacher. Der Abstand zum hier und heute, die klare Grenze zwischen Gut und Böse – da kann man nicht viel falsch machen.

Andererseits geht ein zeitgenössisches Setting (wie Vampire oder in meinem Fall Urban Fantasy) natürlich viel mehr unter die Haut. Und für mich macht es das Rollenspiel viel, viel spannender und emotionaler.

Hier gibt es also wohl kein „richtig“ oder „falsch“. Hier gibt es nur ein „gut gemacht“ – oder eben auch nicht. Aber selbst ein „gut gemacht“ wird immer anecken – wie das Beispiel mit dem Titanic-Film zeigt. Ein Risiko, dass man m.E. in Kauf nehmen muss, wenn man nicht den langweiligen Einheitsbrei der Fantasy liefern will.

Rundenbericht: Dresden Files auf Malle 2

Fortsetzung des Berichts vom letzten Abend.

Im Treppenhaus finde ich einen Feuerlöscher. Mit dessen Hilfe kann ich dafür sorgen, dass einige Eingeschlossene ins Treppenhaus entkommen können. Dann finde ich die Quelle des Feuers – mein Polizistenblick sagt mir sofort, dass hier jemand ohne Übung und Können ein Feuer gelegt hat. Ich verteile die letzten Reste des Feuerlöscherinhalts auf die Brände und laufe dann auch hinaus – die Gefahr scheint gebannt.

Unten finde ich Kaja nicht. Die Familie, in deren Obhut ich sie gegeben habe, ist noch da – aber ein „dunkelhäutiger Freund“ habe sie abgeholt. Das sei doch sicherlich in Ordnung gewesen? Zu dem Zeitpunkt wusste ich ja noch nicht, was Ago plant und war nicht sehr beunruhigt. Heute gehe ich davon aus, dass er das Feuer gelegt hat, um mich von Kaja zu trennen…

Sie hat ihr Handy dabei und ich kann sie deshalb leicht orten. Sie ist schon wieder auf dem Weg in den Strandklub des Mafiosi! Offenbar in einem Boot. Um so besser, mit dem Taxi kann ich sie einholen. Der Wachmann am Clubeingang ist kein Problem für mich, tatsächlich wirkt er eher resigniert, als ich ihm schon wieder meine Pistole unter die Nase halte. Ich nehme sein neues Schießeisen an mich – ich habe das Gefühl, dass ich das Ding noch brauchen werde.

Tatsächlich komme ich etwa gleichzeitig mit Kaja und Ago am Club an. Ago fragt gerade lautstark nach Vasily – dem Typen, der mit meiner Tochter rumgemacht hat. Ich verstehe nicht, wer hier die Regie führt und denke zunächst, dass meine Tocher ihn instrumentalisiert um zu ihrem Liebesten zu kommen. Die Security kommt um Stunk zu machen und mein Handy klingelt. Irgendwann werfe ich das Handy Ago zu, weil ich nicht gleichzeitig die Security in Schach halten kann und telefonieren. Offenbar ist es Henri, die Hilfe braucht. Gerade habe ich wirklich andere Sorgen. Ich bringe den Securityfritzen mit einfacher körperlicher Gewalt zu Boden und nehme ihm seine Kalaschnikow ab. Kaja nutzt die Ablenkung, um zu verschwinden – offenbar lässt sie sich von Angestellten zu deren Chef bringen – dieser Vasily bringt mich auf die Palme. Ich greife mir ein Taxi und versuche Kajas Handy zu orten… aber mein eigenes Handy hat ja noch Ago! Ich renne zurück, und er weigert sich, es herauszugeben. Warum will er nur diesem Mafiosi dabei helfen, meine Tochter zu missbrauchen? Ich bin jetzt so wütend (und besorgt um meine Tochter!), dass ich ihm Schusswaffengebrauch androhe. Das beeindruckt ihn nicht, und mir läuft die Zeit davon! Also schieße ich, greife das Handy und sehe, dass Kajas Handy noch im Haus ist.

Ich zwinge mich zur Ruhe und denke erstmal nach. Okay, vermutlich ist sie nicht mehr hier, ich habe einen hastig beschleunigenden Sportwagen wegfahren hören. Aber wenn doch? Ziellos irgendwo hinzufahren kann nicht der beste Weg sein.

Ich suche ihr Handy und finde es auf der Bar. Offenbar hat sie begriffen, wie ich sie finde. Mist. Auf meinem Handy sind zahlreiche verpasste Anrufe von Henri und eine Kurznachricht von ihr mit einem Geocode. Ich rufe sie zurück und erfahre, dass sie mit Vasily in dessen Finca ist. Der Geocode zeige mir, wo diese Finca sei. Vasily sei ein gefährlicher Mann (ja, ICH weiß!) und Kaja sei auf dem Weg zu ihm. Ich renne zurück zum Taxi, aber das hat Ago mir weggeschnappt. Egal, vor einem Nachtclub sind Taxis keine Mangelware. Ich lasse mich zur Finca fahren.

[Derweil – was Klaus nicht weiß:

Blix und Jean sind noch auf der Müllkippe. Sie dringen in den Tunnel ein und folgen dem Hilferuf. Sie treffen auf einen Ghoul, der sich als harte Nuß erweist. Jean (der heute von dem anderen Elternteil gespielt wird) kann offenbar eine Art Engelgestalt annehmen und fliegen. Aber auch dieser Engel hat kaum eine Chance gegen Ghoule. Blix lenkt den Ghoul aber ab und die beiden fliehen mit dem Mädchen. Das Mädchen ist in eine katatonische Starre verfallen. Sie bringen das Mädchen zum Arzt, lassen sich selbst die Wunden verbinden und fahren dann zu dem Geocode, den Henri verschickt hat.

Henri unterhält sich derweil mit dem sehr urbanen und umgänglichen Vitaly, der kein Problem damit hat, sie zusehen zu lassen, wie er einen von zwei gefangenen Spaniern kaltblütig erschießt, um den anderen zum Sprechen zu bringen. Sie ist entsetzt. Dennoch hat sie das Gefühl, dass er Kaja wirklich liebt. Von ihrem Plan, die beiden zusammenzubringen, lässt sie nicht ab.

Kaja trifft ein und Henri drängt Vitaly nicht lange zu zögern, da sie fürchtet, Klaus könne rechtzeitig eintreffen, um das Schlimmste zu verhindern. Die beiden verschwinden nach oben ins Schlafzimmer.]

Ich treffe fast gleichzeitig mit Blix, Jean und Ago an der Finca ein. Die Wachposten an der Finca sind tot, offenbar ist schon vor uns jemand eingedrungen. Ich mache mir größte Sorgen um meine Tochter und renne los. Vier spektakulär gutaussehende Gestalten scheinen die Wachen umgebracht zu haben und wenden sich jetzt uns zu. Sie greifen sofort an, übermenschlich schnell. So schnell wie meine Ex, deshalb tippe ich auf Vampire. Allerdings fehlt das Element der sexuellen Erregung, obwohl die Gestalten extrem gut aussehen. Naja, vielleicht bin ich einfach nur zu abgestumpft.

Ago gelingt es mit seiner ekligen Art, einen der Vampire in seine wahre Gestalt zu zwingen – ein widerliches, dickbäuchiges Fledermauswesen. Blix erkennt daran, dass es sich um „rote“ Vampire handelt – offenbar eine andere Sorte Vampir. Egal, mir läuft die Zeit davon. Ich ballere den Rest des Magazins aus der Kalashnikow in eine der Gestalten, die sich wenig beeindruckt zeigt. Also renne ich einfach an ihr vorbei, um zu meiner Tochter zu gelangen. Ago ruft, er würde sie im Keller sehen können. Dem glaube ich aber nichts mehr… ich renne lieber nach oben, denn das ist wo ich die Schlafzimmer vermute. Nennt mich ruhig spießig, aber die kriminalistische Erfahrung lehrt, dass der Sex im Schlafzimmer stattfindet – fast immer. Im Flur steht Henri vor einer Tür, hinter der sich ziemlich wilder und harter Sex abspielt, was man deutlich hören kann.

[Derweil: Henri wurde im Keller von gleich zwei Vampiren gestellt. Mechanisch hatte die Spielerin sich in den Sitzungen der letzten Zeit von Mab reichlich Fatepunkte geliehen, um ordentlich mit Wintermagie um sich werfen zu können – eine Möglichkeit, die jenen offen steht, die „sponsored Magic“ nutzen. Jetzt versagt Mab weitere „Schulden“ – im Gegenteil, sie fordert Rückzahlung.

In ihrer Not macht Henri einen Deal: Sie erhält die Macht, die beiden Vampire zu besiegen, dafür erzeugt sie eine Stimmung der wilden, gewalttätigen und ungezügelten Lust im Haus. Henri ist klar, dass dies Kajas Chance, Mensch zu werden, gegen Null senkt, stimmt aber zu. Sie tötet die beiden Vampire mit Eislanzen, erfährt von dem überlebenden Gefangenen Vitalys, dass der gefangene Spanier abhängig von dem Speichel eines der roten Vampire sei und rennt zum Schlafzimmer, um dort ihr Versprechen einzulösen. Die Geräusche hinter der Tür verraten ihr, dass aus dem zärtlichen Kuschelsex etwas ganz anderes geworden ist: Die Geräusche klingen wild, zornig und brutal. Sie hat ihr Versprechen erfüllt.]

Ich renne los, um die Tür einzutreten und die beiden auseinanderzutreiben. Als ich auf sie zulaufe, sehe ich, dass Henri die Tränen über das Gesicht laufen. Sie flüstert: „Klaus, es tut mir so leid!“, als sie eine Mauer aus Eis vor sich entstehen lässt. Ich pralle an der Eiswand ab! Unten werden meine Freunde (und Ago) von den Vampiren abgeschlachtet, drinnen meine minderjährige Tochter von einem 35-jährigen Mafiosi grob vergewaltigt – und sie hilft dabei! Ich habe sie immer für meine Freundin gehalten. Was für ein Wesen tut so etwas?

Ich kriege diese verdammte Eismauer nicht kaputt, aber offenbar ist Henri ziemlich fertig – nach kurzer Zeit zerfällt die Mauer von alleine und ich komme an ihr vorbei. Meine Tochter! Sie sitzt auf Vitaly und reitet ihn. Ich bin zu spät!

Ihre Augen sind ganz silbrig – es sind die Augen ihrer Mutter, die ebenfalls diese weißsilbernen Augen hat, während sie die grausamsten Dinge tut und sagt – und beim Sex.

„Wenn mein Dämon die Kontrolle übernimmt“, so nannte sie das, als wir noch zusammen waren. Sie spricht über den Dämon wie andere Frauen über ihre schlechte Laune während der Periode reden… Ob Kaja den Dämon geerbt hat?

Keine Zeit, nachzudenken. Ich reiße sie von Vitaly, dem perversen Schwein, runter. Sie ist ganz kalt, eiskalt, ihre Silberaugen gleichzeitig fremd und vertraut. Meine geheime Angst, dass sie wie ihre Mutter werden könnte, schnürt mir den Hals zu. Ich wickele sie in eine Decke. Dazu muss ich Vitaly beiseite schieben, um an die Decke zu kommen. Er ist tot.

Unten sind weitere Schläger der Russen eingetroffen, die die Vampire beschäftigen. Ago redet ununterbrochen auf mich ein: Es sei alles meine Schuld, dass Kaja ein Monster sei. Nur weil ich meine Tochter in den Armen halte (und sie keinesfalls loswerden lasse) überlebt er die Nacht.

Rundenbericht: Dresden Files auf Malle

Mein Charakter in der wöchentlichen Dresden Files Runde ist ein Hamburger Polizist. Geschieden, 15-jährige Tochter. Um die soll es gehen.

Kaja ist aus meiner ersten Ehe. Meine Ex ist ein weißer Vampir – was ich natürlich damals nicht wusste. Ich wusste nur: Der Sex ist grandios. Heute weiß ich, dass weiße Vampire die Fähigkeit haben, in Menschen Gefühle der Lust hervorzurufen – und sich dann von der Lebenskraft der Menschen nähren. Sie sind die Götter des Sex – nein, das stimmt nicht. Sie sind die Dämonen des Sex. Verboten guter Sex! Sex, der abhängig macht, gefügig, und irgendwann tödlich endet. Ein Wunder, das ich das überlebt habe.

Das Sorgerecht an unserer Tochter ist geteilt. Sie verbringt jedes zweite Wochenende bei ihr – sehr zu meinem Ärger. Als ich sie das letzte Mal abgeholt habe, bekam sie gerade von ihrer Mutter gezeigt, wie man beim Poledance möglichst attraktiv seine Kleidung ablegt. Ich bin fast geplatzt vor Wut. Andererseits zahlt meine Ex pünktlich  Alimente, und auch eine ordentliche Summe. Sie ist natürlich sehr wohlhabend, weil ihr Clan die Finger tief in der Prostitution rund um die Reeperbahn hat.

Ihr Geschenk zu Kajas 16. Geburtstag war ein Urlaub: zwei Wochen Malle. Ich habe mich quer gestellt und wollte die beiden nicht alleine reisen lassen. Weil meine Ex nur an Sex denkt und das in meinen Augen nicht das Erziehungsziel sein kann. Letztlich ist dann meine Ex zu Hause geblieben – sie nahm zu Recht an, dass die Anwesenheit beider Elternteile zu viel Streit führen würde, was ja für die Kleine das Geburtstagsgeschenk durchaus schmälern würde.

Jetzt liege ich hier am Pool des durchaus ansehnlichen Hotelkomplexes direkt am Ballermann-Strand, habe schon den ersten Cocktail intus und kann – weil das Töchterchen noch schläft – der Damenwelt die Aufmerksamkeit schenken, die sie verlangt.

Ich häng ab, der Tag ist Sahne
Ich check die Straßenlage
Frauen schaukeln elegant vorbei
Genieß die Arschparade
– Peter Fox, Zucker

Es bleibt nicht lange so schön. Dabei ist alles perfekt geplant. Heute Abend gehe ich mit Kaja essen, wir feiern so in ihren Geburtstag rein. Dann ist sie 16. Alt genug, um ohne Aufsicht in den Megapark zu können. Sage ich mir. Ein bisschen Sorgen mache ich mir schon, denn hier am Ballermann wird gebaggert wie in der Kiesgrube! Alter, selbst ich könnte hier jeden Abend eine andere haben… eigentlich kein Wunder, die Location hat ja meine Ex gewählt. Und die würde sich hier wohlfühlen. Ich muss zu Hause mal nachsehen… vermutlich gehört ihr die Hälfte des Ladens!

Leicht angeschickert sehe ich ein paar der lokalen Kollegen mit der Empfangsdame sprechen. Das finde ich natürlich deutlich spannender als die Brünette mit der vom Sonnenstudio gegerbten Haut, die mir ständig zuzwinkert, seit sie an meinem T-Shirt (Polizeisportclub Altona) erkannt hat, dass ich Bulle bin. Und ich habe gedacht, ich brauche meine Handschellen im Urlaub nicht …

Egal, die spanischen Kollegen reden natürlich Spanisch miteinander. Ich krieg nicht so viel mit, weil ich erst spät an diese komische App denke, mit der man gesprochene Texte übersetzt bekommt. Braucht man hier nicht, hier kann ja jeder Deutsch… Irgendwas mit verschwundenen Mädchen erzählen die. Alter, das brauch ich nicht! Ich kann doch heute Abend nicht Kaja unbeaufsichtigt lassen (und mein Gott, dass will sie, das ist ihr Geschenk und ist so mit ihrer Mutter vereinbart), wenn hier Mädchen verschwinden. Ich muss mir das ansehen!

Und als ob es eine Fügung wäre… nur weil ich einen Fall untersuche, rufen auch exakt die Leute an, von denen ich Urlaub brauche: Henri, Ago und Blix. Sind hier auf Malle, weil sie einem Klabautermann einen Segeltörn schulden. Ach so, na klar, ich frag nicht weiter. Und dann wuselt hier auch noch ein Hamburger Hells Angel namens Jean rum, der mir manchmal Infos aus der Szene gibt. Sie gehören alle zu meinen Bakerstreet Irregulars, und nennen sich „Team Klaus“, um so an den uniformierten Kollegen vorbeizukommen. Was unerfreulich oft klappt.

Ago dazuhaben ist jetzt aber nützlich, der kann sich nämlich in einen extrem widerlichen Schwarm von kleinen Spinnen verwandeln – und bringt uns so in das Zimmer der verschwundenen Mädels, das gegen so kleine Eindringlinge nicht abgesichert ist. Erste Erkenntnis: Die sind zwar schon über 20, aber schmeißen auch alle Klamotten auf den Boden. Wie Kaja. Zweite Erkenntnis: Blix knackt deren Ipad so schnell, dass man misstrauisch werden muss. Wovon lebt Blix eigentlich genau? Andererseits – sie hat nur das Geburtsdatum im Pass nachgesehen und als Pin probiert – voila. Und schon gibt es eine Million Selfies mit Duckface zu sehen… Dritte Erkenntnis: Blix kann die Handys im Ipad über so einen „Finde deine Freunde“-Dienst orten, eines ist nicht weit von hier. Das wollen wir uns mal ansehen. Die Empfangsdame gibt uns ein Bierbike (die Dinger sind entweder in meinem Bändchen inklusive (unglaubwürdig) oder meine Ex steckt dahinter …)! Wir radeln fröhlich und gehoben unauffällig mal gucken, wo das Handy ist. [Am Tisch wird den Spielern Bier kredenzt, aber leider auch ein Medley von Ballermannschlagern.]

Wir sind aber nicht die einzigen, die nach dem Handy suchen. Kaum taste ich in der Kanalisation nach dem vibrierenden Handy, kriegt Ago von einem Typen so hart eine gescheuert, dass er zu einem Haufen verängstigter Spinnen zerfällt. Jean, der Hells Angel, ist aber nicht so zerbrechlich und zieht dem Typen ein Stahlrohr über, dass er sich aus dem Müllcontainer gegriffen hat. Der Typ verwandelt sich darauf hin in eine Mischung aus Mensch und Hyäne, Blix identifiziert ihn (oder sie?) als Ghoul. Der blöde Ghoul scheint schneller zu heilen, als wir ihm Schaden zufügen können. Aber Jeans Schläge und ein aus nächster Nähe in ihn reingeballertes Magazin aus meiner Pistole halten das Ding auf dem Boden – und dann ruft natürlich Kaja an. War ja klar. Sie quengelt rum, weil sie in ihrem Kleiderberg das rote Kleid für heute abend nicht wiederfindet. Ich versuche sie abzuwimmeln, aber das ist nicht so einfach… immer, wenn ich mal einen auf streng mache, schmiert mir das die Anwältin meiner Ex beim Jugendamt aufs Brot. Und die Sache mit dem Poledance kann ich umgekehrt leider nicht beweisen, weil meine Tochter ihre Mutter deckt.

Blix (die immer noch ihr Bierglas in der Hand hat) hat das Glas mit Weihwasser aus einer der unzähligen Kapellen hier befüllt. Als sie versucht, das Weihwasser auf den Ghoul zu spritzen, trifft sie leider überhaupt nicht. Aber Henri [eine niedere Flußgöttin mit Unseelie Magic] macht wieder einen auf cold bitch (Ago nennt das „böse Fischfrau“) und lässt das Wasser magisch gefrieren und rammt dann die Eistropfen – beschleunigt wie von Geisterhand – in den Ghoul. Der sieht jetzt so aus, als hätte ihn eine Schrotkanone getroffen. Das Weihwasser war wohl eine gute Idee, das heilt er nicht einfach wieder weg. Ago, der jetzt wieder Oberwasser hat, säbelt ihm den Kopf ab… und packt den Kopf dann gleich ein. Vermutlich für den Fall, dass jemand Spinnen mag und er trotzdem widerlich sein will.

Schon wieder Kaja am Telefon. Sie will mit Freunden weg. Ich merke schnell, dass sie lügt. Oder mir was verbirgt. 20 Jahre Polizeiarbeit – da helfen nicht mal die Gene ihrer Mutter gegen. Außerdem redet im Hintergrund jemand auf russisch. Ich nehme ihr das Versprechen ab, sich gut zu benehmen und pünktlich zum Essen zurück zu sein. Ich weiß ja, wie lange sie sich dafür zurechtmachen wollen wird – das gibt ihr kaum Zeit, Unsinn zu machen. Ihr Instagram verrät uns schnell, mit wem sie unterwegs ist. Die Typen sehen aus, als wären sie eher 30 als 25. Das also hat sie „vergessen zu erwähnen“. Langsam werde ich sauer. Blix kann die Leute auf dem Bild zuordnen. Es wird noch schlimmer! Der Typ, den meine Tochter auf dem Selfie so anhimmelt ist der Sohn eines Capos der Russenmafia und Inhaber eines exklusiven Strand- und Nachtclubs ganz in der Nähe. Dank Apple kann Blix Kajas Handy orten… genau in diesem Club ist sie. Mir schwillt die Zornesader!

Die Anderen wollen zwar lieber zum zweiten Handy, das wohl auf einer Müllkippe gelandet ist. Das kommt für mich nicht in Frage, und zähneknirschend kommen sie mit. To the Batmobile Bierbike! Ago zeigt dem Türsteher des Russenclubs den Kopf des Ghouls, und als das nicht reicht, kriecht er als Spinnenschwarm in Nase und Ohren des armen Typen [Mechanisch: Incite Emotion (Ekel)]. Ich nehme die Pistole des Türstehers und gebe sie Jean. Der ist zwar Hells Angel (keine Freunde der Ordnungsbehörden), war aber früher mit einer Freundin von mir bei der Fremdenlegion und kann vermutlich besser damit umgehen als ich es könnte. Und ich habe etwas Sorge vor den Russen – die sind nicht zimperlich.

Die Gruppe von dem Instagramfoto lümmelt knutschend auf einem edel ausgestatteten Ponton im Meer herum. Ich greife mir einen Jetski und fahre los. Dank einer Woche Urlaub hier kann ich mit den Dingern umgehen [Fatepunkt], während die anderen erst mal rumfummeln, bis die Dinger losfahren. Nur Henri, ohnehin Rettungstaucherin, schwimmt lieber, und Blix nimmt das Tretboot in Form eines Schwans. Das es im Tretboot eine Flasche Champagner auf Eis gibt, lässt sie noch später ankommen, denn Blix sagt zu praktisch gar nichts „Nein“. Gut so, im Kampf kann man sie ohnehin nicht brauchen. [Den Spielern wird Sekt kredenzt.]

Der Russe knutscht so intensiv mit meiner Tochter rum, dass ich hingehen kann, mir sein Ohr greifen und ihn hochziehen, ohne das er sich wehren kann. Kaja fängt sofort an zu keifen und zu heulen als sie mich sieht. Aber ich bin so sauer, dass ist mir egal. Ich stelle den Typ zur Rede. Als ich frage, was ihm den einfalle, mit einer Fünfzehnjährigen rumzuknutschen, sehe ich echte Überraschung in seinen Augen. Wenn Kaja nicht sofort widersprochen hätte, sie sei doch schon fast 16, hätte er mir wohl nicht geglaubt. Die kleine Lügnerin hat ihm wohl verkauft, sie wäre 18. Der Russe sieht so bedröppelt aus, ich hab schon fast Mitleid. Und Kaja faselt was von Verlobung! Ich lasse sein Ohr los und will gerade Kaja mit bester Polizistenstimme nach Strich und Faden zurechtweisen, als die offenbar recht lahme Security endlich kommt – mit Jetskis und Kalaschnikovs… Da wird mir doch recht mulmig, aber der Russe entschärft die Situation. Wir werden nur vor die Tür begleitet. Lasse ich geschehen, so billig habe ich nicht gedacht davonzukommen.

Kaja packe ich ins Bett. Die hat sich so leergeheult, dass sie zittert und vor Müdigkeit kaum noch aufs Handy gucken kann (bei ihr ein Alarmzeichen). Ich habe Hunger, aber das Geburtstagsessen fällt wohl aus. Ich will Kaja nicht alleine lassen und mache den Fernseher an.

Dann fängt das Hotel an zu brennen. Als der Feueralarm losgeht, wickle ich Kaja in eine Decke und trage sie runter. Unten stehen andere Leute rum, unter anderem eine Familie, die auch eine Tochter in dem Alter hat. Ich bitte sie, auf Kaja aufzupassen und renne wieder rein, denn im zweiten Stock rief jemand um Hilfe [Fatepunkt].

Ende der Sitzung

Was Klaus nicht weiß

  • Als Tochter einer Weißen Vampirin wird Kaja auch eine weiße Vampirin werden. Es gibt nur eine Chance, dass zu verhindern: Dazu muss sie ihre Jungfräulichkeit an jemanden verlieren, mit dem sie wahre Liebe verbindet. Andernfalls wird sie ihren ersten Sexualpartner töten und damit ihre Vampirmächte (und den damit verbundenen Hunger) wecken.
  • Der Russe und Kaja sind so verliebt, dass könnte wahre Liebe sein.
  • Ago und Henri wissen Beides, haben es aber zu spät gemerkt. Klaus weiß es nicht.
  • Das Feuer hat Ago gelegt. Er hat Kaja unten aus den Händen der anderen Familie abgeholt und bringt sie wieder zum Russen.
  • Dort ist Henri bereits. Sie hat – unabgesprochen – dem Russen erklärt, was mit Kaja los ist. Er ist trotzdem bereit – um die Gefährlichkeit wissend – Kaja von diesem Fluch zu befreien. Henri rationalisiert ihr Verhalten damit, dass Kaja gleich ja 16 sei… (sie hat außerdem eine Konsequenz namens „Kaltes Herz“ nehmen müssen)
  • Jean und Blix sind zur Müllhalde gefahren. Sie betreten gerade einen Tunnel, in dem das Handy des zweiten verschwundenen Mädchens wohl liegt… Tunnel in einer Müllhalde? Wenn sie da keine Ghoule finden, dann würde mich das wirklich wundern.

Appendix

  • Mein Charakterblatt: Klaus, ein ganz normaler Polizist
  • Henri ist eine niedere Flussgöttin der Bille, Nixen-Wechselbalg, beliehen mit Unseelie-Magic
  • Blix ist eine Verschwörungsbloggerin, die Visionen hat, wenn sie Dinge berührt
  • Jean ist eine Hälfte eines Jerkyl/Hide Charakters. Der Charakter wird von einem Elternpaar gespielt, die nur abwechselnd teilnehmen können. Ein Ex-Fremdenlegionär, der in einer Höhle bei einem dunklen Ritual gestört hat. Das erste Mal dabei – die andere Seite kenne wir noch nicht.
  • Ago ist ein Sohn Anasis (ein afrikanischer Spinnengott). Er ist entweder in seiner natürlichen Form eines Spinnenschwarms – oder sieht aus wie jemand aus Ghana. Er ist auf anstrengende Weise sehr nett.

Hier geht es zum zweiten Teil.