Kostenlose Regelwerke – Schmälern sie den Profit?

Splittermond hat sein vor wenigen Tagen erschienenes Regelwerk gestern kostenlos online gestellt. Als voll ausgestattetes PDF – mit allen Texten, dem Artwork – alles, was die Druckausgabe auch enthält, außer dem Papier.

Das ist nichts ungewöhnliches in der Rollenspielbranche. Einige Regelwerke (wie z.B. das ebenfalls im Uhrwerk Verlag erschienene Dungeonslayers) sind zuerst als kostenlose Onlineversion erschienen und dann erst in den Druck gekommen, als die vielen Spieler gerne ein Papierausgabe für den Tisch haben wollten. Evil Hat hat mit der „Bit&Mortar“-Version seiner Regelwerke das PDF zur Papierversion dazugegeben und ähnlich wie d20 eine kostenlose Version als Fate-SRD veröffentlicht – aber gekürzt und ohne Artwork. Das PDF gibt es als „bezahl-so-viel-wie-du-für-fair-hälst„. D&D5 ist ebenfalls (als Basic Rules) kostenlos als PDF zu haben – sogar in einer Printerfriendly Version.

Ist das, kann das ein wirtschaftlich sinnvolles Vorgehen sein? DSA plant für die Version DSA5 offenbar einen solchen Schritt nicht – und wenn wir mal ehrlich sind, ist Ulisses wohl der einzige Verlag, der über den Zustand der Selbstausbeutung hinaus Geld verdient. Weiß man dort einfach besser, wie man Geld verdient?

Vermutlich ist die Entscheidung für und gegen kostenlose PDFs eher eine Frage der bisherigen Marktdurchdringung. DSA ist der Leithammel im deutschen Rollenspielmarkt, mit einer gewaltigen Zahl an außerordentlich loyalen Käufern und Sammlern. Ich vermute, dass der Verlag sich relativ sicher ist, dass die DSA4-Kunden automatisch auch DSA5 kaufen werden.

Splittermond, Fate, Dungeonslayers – hier musste (im Fall von Splittermond muss) eine Spielerschaft erst noch geschaffen werden. Leute, die das System bisher nicht kennen müssen dazu bewegt werden, es interessant zu finden. Dazu ist es sinnvoll, die Hürden möglichst niedrig zu halten – ein kostenloses PDF (und der kostenlose, gedruckte, Schnellstarter) sind einfach zu beschaffen, und selbst nur milde interessierte Rollenspieler werden vermutlich mal einen Blick riskieren – man muss ja nicht mal in den Laden fahren um reinblättern zu können. Dungeonslayers hat gezeigt, dass aus dem kostenlosen Regelwerk, verbunden mit einer sehr aktiven Community, ein tolles, aktiv wahrgenommenes und gespieltes Regelwerk werden kann, dass dann eine Nachfrage nach gedruckten Regeln, einer Weltenbox, etc erzeugt, von der Uhrwerk dann profitieren kann. Vielleicht funktioniert das auch hier – wer Splittermond anhand des PDF ausprobiert, der will vermutlich auch bald einen Blick in den Weltenband werfen (übrigens Preisträger des Deutschen Rollenspielpreises 2014), den es nicht kostenlos gibt. Und evtl. kauft man auch das Buch, weil (so finde zumindest ich), ein Buch am Tisch einfach angenehmer ist als ein PDF.

Allerdings gibt es auch andere Stimmen. Besonders Zornhau hat schon mehrfach geäußert, dass er Rollenspiele als PDF der Printfassung vorzieht – auch weil er dann einen Ausdruck (ganz oder in Teilen) herstellen kann, Kommentieren, Annotieren etc, ohne dem (teuren) Buch zu schaden.

Sollten Leute wie Zornhau die Mehrheit stellen, dann wäre die Entscheidung ein Rollenspielprodukt als kostenloses PDF zu veröffentlichen wirtschaftlich nicht tragbar. Sehe ich mir das von mir sehr geschätzte Regelwerk „Leverage“ an, eine extrem gute Serienadaption (die sicherlich auch noch Lizenzgebühren erwirtschaften muss), so muss ich betrübt feststellen, dass dort außer dem GRW nur PDF-Produkte herausgekommen sind. Letztere hab ich dann nicht mehr erworben.

Ist das GRW aber kostenlos, ist der Vertrieb von Nur-PDF-Produkten deutlich erschwert, weil die Käufer hier zu Recht die Frage stellen, warum das GRW kostenlos ist, die anderen PDFs aber etwas kosten sollen.

Hinzu kommt, dass das Grundregelwerk bisher eigentlich im das Buch war, dass sich am besten verkauft hat – immerhin haben in vielen Spielrunden auch die Spieler ein Grundregelwerk, aber selten kaufen reine Spieler Abenteuer oder Settingbeschreibungen. Die werden oft nur an die SL verkauft, also mit geringerer Auflage. Als „Gewinnträger“ fällt das GRW aus, wenn die Leute deshalb weniger Exemplare des Printprodukts kaufen sollten. (Ob das so ist, kann man aber nicht messen.).

Ich vermute, dass Shadowrun mit dem Kampfpreis GRW einen Mittelweg beschreiten wollte. Das Shadowrun5-GRW vollfarbig für 20€ zu verkaufen kann dem Verlag kaum eine ersthafte Gewinnmarge lassen. Bestenfalls eine schwarze Null, so hörte ich von verschiedenen Experten. Aber die Verbreitung des Regelwerks ist hoch, weil man für die 20€ eben auch wirklich was tolles bekommt. Und die gefürchtete „Gratis-Mentalität“ kommt nicht auf. Ist das also der richtige Weg?

Ich kann es nicht sagen, ich kann nur eine Meinung haben: Toll, wenn es kostenlose GRWs gibt. Damit schafft man neue (zukünftige) Kunden. Ich bin sicher, dass da draußen mit kostenlosen Material gespielt wird, von Leuten, die vermutlich den Einsatz von w20 hausregeln, weil sie keinen haben. Die aber jung sind und begeistert spielen. Und wenn die dann 25 sind und über eigene Kohle verfügen, dann kaufen einige von denen auch für richtig Geld… Aber fast noch besser: Sie spielen.

8 Gedanken zu „Kostenlose Regelwerke – Schmälern sie den Profit?

  1. Also, da ich mir nach dem Schauen ins Regelwerk grundsätzlich vorstellen könnte, Splittermond zu spielen, und ich diesen Blick ohne Free PDF nie getan hätte…
    Andererseits, kaufen werd ich’s höchstwahrscheinlich eh nicht. Hmmm.

    • Stimmt! Muss also der DSA Spieler doch überzeugt werden? Oder geht es um Qualitätssicherung? Oder imitiert man Pathfinder, weil das dort so gut funktioniert hat?

  2. Zumindest für den Romanbereich (eBooks) gibt es Berechnungen wie viele Verkäufe einem pro Gratisbuch entgehen. Bei einer Zunahme von Readern ist das zunehmend übertragbar auf den normalen Markt, da auch die Akzeptanz des elektronischen Formats zunimmt.

    • Ich muss aber sagen, dass ich diesen Berechnungen zutiefst misstraue. Für DVDs gibt es ja auch „hunderte“ von Berechungen, die alle zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Von „Wir werden alle sterben, weil DVDs kopieren Kinderschänderterroritstenkommunistennazis aus unseren Kunden macht“ bis „Filmpiraterie fördert den Verkauf sogar“ gibt es da alles, und alles klingt wissenschaftlich begründet und plausibel.

  3. Bei Shadowrun hab ich gerade von einem Pegasus-Mitarbeiter anderes gehört. Klar kalkuliert man knapp, aber immer wirtschaftlich. Hohe Auflage, niedriger Preis, trotzdem Gewinnmarge. Ich erinnere mich noch an Greifenklaue-Zeiten, da war eine Verzehnfachung der Auflage eine Verdreifachung des Preises. Bloß so viele Käufer zu finden … Das hingegen dürfte SR zu dem Preis deutlich einfacher gefallen sein – und seien wir ehrlich: Hätte es nen 50 gekostet, wäre die Auflage wohl zweistellig (etwas übertrieben) und die Akzeptanz des zumindest oberflächlich SR4 sehr ähnlich seienden SR5 extrem gering gewesen.

    Am Wochenende war ich auf der Slayvention. Bei DS ist ja auch eine Besonderheit, dass es in Macher und nicht in Verlagshand liegt und ich denke bei Splittermond hat man sich an den guten Erfahrungen mit DS orientiert.

    In der PF-Redax mussten wir damals auch lange für eine deutsche PRD kämpfen, jetzt zeigt sich langsam, dass das Ding Leute zieht und nicht dazu bringt, Geld fürs GRW zu sparen. Nehmen wir die Ulisses-Aktion, wo Du jetzt Deine eigenen PF-Sachen und über Ulisses vertreiben kannst. Super!

  4. Ich finde das Thema in jedem Fall spannend (also Auflagezahlen), habe selbst schon für diverse Verläge gefreelanct und auch diverse Verlagsmitarbeiterkontakte. Aber die reden ja wiederum meist unter der Hand mit einem, so dass ich sowas nicht blogge. Ich erinnere mich nicht an eine Space 1889-„Redaktionskonferenz“ direkt vor dem Fanzinestand der RPC, das wäre ja nicht so nett gewesen ;)

    Jedenfalls ist das natürlich letztlich alles zweite Hand. Deswegen war ich auch hocherfreut, als Scorp mal konkrete Zahlen nannte (kennst Du ja schon)
    -> http://greifenklaue.wordpress.com/2014/09/12/auflagenzahlen-bei-ulisses/

    Hier sammele ich seit 2007 übrigens alles an Zahlen, was offiziell zu finden ist:
    -> http://forum.greifenklaue.de/index.php?topic=1473.0

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